Die Angst vor der Abkehr von der Schuldenpolitik in den USA zusammen mit Trumps Fiskalpolitik und der restriktiveren US-Notenbankpolitik belastet die dortige Konjunktur. Das kommt Deutschland zu Gute – auch wenn die Neuverschuldung in Europa die Inflation befeuern dürfte.
Nicht nur US-Präsident Donald Trump, sondern auch die deutsche Politik sind börsenbestimmend, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Das deutsche Neuverschuldungspaket von 500 Mrd. € «Sondervermögen» neuen Schulden, der Wegfall von Verschuldungsgrenzen für deutsche Aufrüstung von 400 Mrd. €, sowie die 800 Mrd. € Neuverschuldung der Europäische Union für Infrastruktur und Rüstung, wo ein Grossteil auf weitere deutsche Neuverschuldung hinzuzurechnen ist, führt zu einem Anstieg der Zinsen nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und sogar in Japan.
Die deutsche Neuverschuldung, die am Ende wohl zu 100% des Bruttoinlandprodukts (BIP) führt, ist die endgültige Abkehr von einer fast fünfzig Jahre hoch erfolgreichen Bundesbankpolitik, wo Wachstum durch Stabilität und nicht wie heute durch neue Megaschulden und Inflation erzeugt wurde. Die Zeiten, in denen Bundesbankpräsidenten bei falscher Politik aus der Sicht der Bundesbank zurücktraten, sind lange vorbei.
Massive Aufrüstung über Verschuldung führt zu Inflation
Tatsächlich ist die Neuverschuldungsexplosion – nur wenige Tage vor der Wahl versprach die CDU noch das Gegenteil – eine Politik, deren Folgen kaum kalkulierbar sind. In schwierigen Konjunkturzeiten mit freien Kapazitätsreserven der Wirtschaft ist Neuverschuldungspolitik, wie sie erstmals vom britischen Ökonomen John Maynard Keynes propagiert wurde, in richtig dosierter Grössenordnung eine gute Politik. Dabei war Keynes, im Gegensatz zur heute allgemein verbreiteten Meinung, durchaus vorsichtig im Hinblick auf die damit verbundenen Inflationsgefahren nicht zu viele neue Schulden aufzunehmen.
Wenn wie heute sowohl in den USA wie in Europa die Wirtschaft praktisch voll ausgelastet und die Arbeitslosenquote relativ niedrig ist, führt massive Aufrüstung über Verschuldung voraussichtlich zu höherer Inflation. Hinzu kommt, dass Rüstung weit weniger volkswirtschaftliche positive Multiplikatoren-Effekte (positive Ausstrahlung auf andere Wirtschaftsbereiche) hat als Reformen und Investitionen.
Eine Stärkung der Privatwirtschaft und weg von Staatseinfluss auf die Wirtschaft fördert die Produktivitätsentwicklung. Langfristiges, stabiles Wachstum würden mehr Infrastrukturinvestitionen und Steuersenkungen und dadurch weniger Staatseinfluss bringen. Wenn der Staat zu viele Kredite aufnimmt, führt dies nicht nur zu höheren Zinsen, sondern lässt am Kreditmarkt wenig Volumen für private, die Wirtschaft belebende Kredite übrig.
Nachdem die USA mit Niedrigzinsen und Europa sowie Japan mit Negativzinsen keinen dauerhaften Wirtschaftsaufschwung zuwege gebracht haben und nachdem selbst im historischen Vergleich hohe Staatsdefizite in den USA und Ländern wie Frankreich und Italien keinen dauerhaften Aufschwung bewirkt haben, versucht man es jetzt mit in der Geschichte nie gekannten Mega-Neuverschuldungen im Zuge der Aufrüstung. Welche Auswirkungen die Möglichkeit einer Abkehr von extrem grosser Neuverschuldung haben könnte, zeigen die schlechten Wirtschaftsdaten der jüngsten Zeit in den USA.
US-Konjunktur leidet unter Bremse bei Neuverschuldung
Die US-Konjunktur wird nach dem BIP-Modell der Distriktnotenbank von Atlanta im ersten Quartal um nicht weniger als 2,4% schrumpfen, nachdem das Atlanta Fed im Januar noch ein Wachstum von über 4% vorausgesagt hatte. Wobei die Differenz allerdings auch durch die Angst vor den Zöllen und den damit verbundenen höheren US-Importe ausgelöst wurde. Auch das US-Konsumentenvertrauen fiel von Januar auf Februar um 10%, und der Einkaufsmanagerindex von ISM für die Industrie, ein Frühindikator für neue Auftragseingänge, fiel von 55,1 auf 48,6, was eine Schrumpfung indiziert.
Hintergrund der schlechten Konjunkturentwicklung ist neben der befürchteten Bremse bei der Neuverschuldung die anhaltend restriktive US-Notenbankpolitik. Im Vergleich zum natürlichen Zins liegt der US-Leitzins immer noch sehr hoch und weit höher als in Europa. Zudem reduziert die Zentralbank die Notenbankbilanzsumme weiter monatlich um 60 Mrd. $ durch Rückführung der Anleihebestände. Kein Wunder, dass die Terminmärkte die Konjunkturverschlechterung zum Anlass nehmen, die Anzahl der erwarteten US-Zinssenkungen in diesem Jahr von einer auf bis zu drei erhöhen, wobei die erste Zinssenkung im Juli mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% erwartet wird.
Aussichten auf niedrigere US-Zinsen und im Zuge des jüngsten Inflationsanstiegs auch zusätzlich niedrigere, aber noch relativ hohe, US-Realzinsen haben den Aufschwung des Dollars gestoppt. Es ist bekanntlich auch Ziel der Wirtschaftspolitik Trumps, die Konjunktur durch einen schwachen Dollar und damit durch einen starken Export anzukurbeln. Der Dollar verlor im ersten Jahr der Trump-Regierung 15%.
Wenn jetzt auch der US-Zins gedrückt wird, fällt der Dollar. Hinzu kommt, dass es zuletzt äusserst viele Optimisten für die weitere die Entwicklung der US-Währung gab, was markttechnische Risiken spiegelt. Auch durch den jüngsten US-Aktienabschwung, S&P 500 ist seit dem Februar-Hoch 9% gefallen, was einem Verlust von ca. 5 Bio. $ entspricht, kommt es zu Kapitalabzügen aus dem Dollarraum in andere Währungsbereiche.
Der Nachteil von Wallstreet ist gekennzeichnet durch zu hohe Aktienbewertung im internationalen Vergleich, aber auch im historischen Vergleich ähnlich hoch wie 1929 oder auf dem historischen Indexhoch des Jahres 2000, aber auch im Hinblick auf die Positionierung der Anleger. US-Aktien sind im Weltaktienindex inzwischen mit 73% gewichtet und Deutschland nur noch mit 2%.
Die amerikanische Fiskalpolitik ist neben den US-Zöllen ein weiterer gefährlicher Baissefaktor für Wallstreet, aber auch die internationalen Aktienmärkte. Langfristig dürfte sich die US-Konjunktur zwar im Hinblick auf mehr Privatwirtschaft und bessere Produktivität sowie etwas besserer Demografie günstiger als Europa entwickeln, aber dies rechtfertigt nicht die krasse Überpositionierung der internationalen Anleger in den USA.
US-Haushalte sind ähnlich wie die ausländischen Aktienanleger in historischem Rekordprozentsatz in Aktien investiert. Besonders schwach tendieren die US-Wachstumswerte mit einem Rückgang von bereits rund 21% gegenüber dem Dezember-Hoch. Ganz kurzfristig ist Wallstreet sicherlich überverkauft und auch Stimmungsindikatoren zeigen eine Möglichkeit der kurzfristigen Bodenbildung.
Längerfristige Stimmungsindikatoren sind aber neben der Positionierung nach wie vor negativ, so dass das Chance-Risiko-Verhältnis für die US-Börse auf die nächsten Monate per Saldo belastet sein sollte. Der hier immer wieder genannte Vergleich zwischen dem Haussejahr 2021 und dem Baissejahr 2022 sticht nach wie vor ins Auge. Dem durch Überoptimismus gekennzeichneten Jahr 2021 folgte das Baissejahr 2022, wo sich die grossen US-Wachstumswerte halbierten, um dann 2023/24 einen extremen Aufschwung zu vollziehen.
Was ist mit dem deutschen Aktienmarkt?
Der deutsche Aktienmarkt galt gerade bei wichtigen anglo-amerikanischen Anlegern die letzten Jahre als «uninvestable», so dass den zuletzt wenigen Monaten vor grösseren Käufen von deutschen Aktien Jahre von mehr oder minder starken Verkäufen vorangegangen waren. Von neutraler Positionierung in Europa sind also die ausländischen Anleger noch weit entfernt.
Hinzu kommt, dass der deutsche Aktienmarktanteil mit 2% am Weltindex gegenüber 73% in den USA einen so verschwindend niedrigen Anteil hat, dass schon 2% Umdisponierungen im kleinen deutschen Markt einen grossen Aufschwung auslösen können. Ähnliches gilt in den USA, wo der niedrig kapitalisierte Russell 2000 mit seinen kleineren Aktien nur geringfügige Umdispositionen von höher kapitalisierten Aktien in kleinere Titel benötigt, um einen Aufschwung zu erleben.
Allerdings wurden die Erwartungen für einen Aufschwung in diesem Aktiensektor enttäuscht, speziell nachdem die Umfragen bei Kleinunternehmen in den USA nach dem Trump-Wahlsieg den grössten Aufschwung aller Zeiten verzeichneten. Eine jetzt schlechtere US-Konjunktur könnte auch die kleineren Titel belasten.
In Deutschland dagegen dürfte das Chance-Risiko-Verhältnis für kleinere Titel besser sein. Diese Titel gemessen am MDax sind immer noch niedrig bewertet, nachdem sie im letzten Jahr rund 20% schlechter abschnitten als der Dax.
Der MDax liegt noch 20% unter seinem Hoch von 2021.
Der MDax kann also 2025 relativ ein besseres Potenzial haben als der Dax, wo die Automobilwerte einen Schwerpunkt darstellen. In diesem Sektor hat sich an den Belastungen nichts geändert. Einmal fallen die Gewinne auf dem chinesischen Markt, wo in der Spitze die Hälfte der Gewinne generiert wurde, drastisch. Andererseits hält der Trend zu Elektroautos mit ihren sehr niedrigen Gewinnmargen an und das Verbrennerverbot in Europa ab 2035 ist nach wie vor noch nicht vom Tisch.
Deutschland als Automobilland dürfte also in seinem wichtigsten Konjunkturbereich belastet bleiben. Selbst die Herstellung von Militärfahrzeugen dürfte wenig Ausgleich bieten. Der jüngste Anstieg des Euros dürfte eher kleineren Unternehmen zugutekommen, da die Kaufkraft durch sinkende Importpreise steigt, als den grossen exportlastigen Unternehmen.
Negativ für deutsche und europäische Aktien ist kurzfristig die Markttechnik (übergekauft) und mittelfristig Belastungen aus realistischen US-Importzöllen. Die Rüstungsgelder werden zwar den wenigen teuren deutschen und europäischen Rüstungsaktien zugutekommen aber wie bisher dürften die meisten Waffenkäufe der Deutschen in den USA stattfinden.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.
Jens Ehrhardt
Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.