Die Verstrickungen der Bank mit dem «Dritten Reich» werden erneut durchleuchtet. Ein US-Anwalt sagt, er sei auf brisante neue Dokumente gestossen.
Der Vorwurf aus den USA wiegt schwer: Die Credit Suisse soll bisher nicht bekannte Konten von Nazis gehalten, Informationen darüber unterschlagen und damit die historische Aufarbeitung sabotiert haben. Dies wirft der Haushaltsausschuss des US-Senats der untergegangenen Grossbank in einer am Samstag veröffentlichten Mitteilung vor.
Die Vorwürfe stützen sich auf einen Zwischenbericht zu einer Untersuchung, die vom Ombudsmann Neil Barofsky geleitet wird. Der Anwalt ist in diesem Zusammenhang kein unbekannter. Er war bereits in eine Untersuchung involviert, welche Bezüge der Bank zu Nazi-Geldern aus Argentinien durchleuchten sollte. 2020 hatte das Simon-Wiesenthal-Center (SWC) mitgeteilt, dass man eine Liste von 12 000 Nazis in Argentinien erhalten habe, die bei einer Untersuchung in Buenos Aires zum Vorschein gekommen sei. Viele dieser Personen hätten ein CS-Konto gehabt.
Die CS mandatierte daraufhin die Beratungsfirma Alix Partners mit einer historischen Untersuchung. Später zog sie auch Barofsky bei; er hätte dafür sorgen sollen, dass die Untersuchung korrekt abläuft. Im November 2022 entzog die Credit Suisse Barofsky das Mandat im Argentinien-Fall aber wieder – warum dies damals geschah, ist umstritten. Die Untersuchung von Alix Partners kam laut CS damals aber zum Schluss, dass sich die zentralen Vorwürfe des Simon-Wiesenthal-Centers nicht erhärtet hätten.
Zehntausende Akten untersucht
Inzwischen gehört die Credit Suisse zur UBS und Anwalt Neil Barofsky wurde aufgrund der Untersuchung des Senatsausschusses wieder eingestellt. Das Untersuchungsteam hat sich gemäss eigenen Angaben durch Zehntausende von Akten gewühlt. Diese enthielten «umfangreiche neue Beweise für bisher unbekannte oder nur teilweise bekannte Kontoinhaber mit Verbindungen zu den Nazis», wie es in der Mitteilung heisst. Darunter soll ein deutscher Fabrikant sein, der in grossem Umfang auf Zwangsarbeiter aus Konzentrationslagern zurückgriff oder ein Nazi, der eine Bank zur «Arisierung» jüdischer Vermögenswerte geleitet habe.
Laut Barofsky hat die Credit Suisse in der Vergangenheit «nicht immer die ihr bekannten Informationen» an Untersuchungskommissionen weitergegeben. So zum Beispiel bei der Bergier und der Volcker-Kommission, welche in den 1990er-Jahren die Verbindung des Schweizer Finanzplatzes zum «Dritten Reich» untersuchten.
Der Druck aus den USA auf den Bankenplatz war damals immens. Die Schweizerische Bankiervereinigung beauftragte deshalb den ehemaligen Chef der amerikanischen Zentralbank, Paul Volcker. Dieser ging der Frage nach, wie in Schweizer Banken mit Vermögen von Opfern der Nazis umgegangen wurde. Die Banken hatten, so die Erkenntnis, diese Vermögen zwar nicht systematisch falsch verwaltet. Doch sie hatten sich nach dem Krieg oft unkooperativ gezeigt gegenüber den Nachfahren der Opfer, welche die Vermögen suchen wollten.
Der Bundesrat wies seinerseits eine Expertengruppe unter der Leitung des Historikers Jean-François Bergier an, die Schweizer Verbindung zum «Dritten Reich» aufzuarbeiten. Die «Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg» befasste sich von 1996 bis 2002 mit der Frage, wie die Schweizer Banken mit jüdischen Vermögenswerten umgingen, die im Zweiten Weltkrieg in die Schweiz gebracht wurden. Daneben untersuchte die Kommission auch die Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz zu Nazideutschland und die Flüchtlingspolitik des Landes.
1,8 Milliarden Franken für Holocaust-Überlebende
Zur gleichen Zeit reichten Nachkommen von Holocaust-Opfern in den USA Sammelklagen gegen den Schweizer Finanzplatz ein. Schliesslich verpflichteten sich die Grossbanken 1998 zu einer Kompensationszahlung in Höhe von 1,8 Milliarden Franken an Holocaust-Überlebende und deren Nachkommen.
Wie die aktuelle Untersuchung des US-Senats zeigt, ruht die Angelegenheit auch 27 Jahre nach dem Banken-Deal nicht. Was dies für die UBS bedeutet, welche die untergegangene Credit Suisse 2023 übernommen hat, ist noch offen.
Ein Sprecher der Bank sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP, das Unternehmen bemühe sich, alle historischen Dokumente bereitzustellen. Der US-Senat schreibt derweil in seiner Mitteilung, dass man sich auf die weitere Zusammenarbeit mit der UBS freue und sich dafür einsetzen werde, dass die Untersuchung mit einem «gründlichen und vollständigen Bericht von Herrn Barofsky» abgeschlossen werde. Dieser Bericht soll 2026 erscheinen.