Das Wettrüsten im Bereich künstliche Intelligenz veranlasst die Branchenriesen Microsoft, Alphabet, Meta Platforms und Amazon zu massiven Kapitalinvestitionen. Dadurch verändert sich ihr bisher ausgesprochen lukratives Geschäftsmodell, was an der Börse noch weitgehend übersehen wird.
Die Aktienmärkte schöpfen etwas mehr Zuversicht. In den USA hat der Leitindex S&P 500 am Dienstagabend 1,7% fester geschlossen. Der Nasdaq 100 mit den grössten Technologiewerten rückte 2,5% vor.
Der Schock der letzten Wochen ist zwar nicht vollständig verdaut. Für aufgeräumte Stimmung sorgten gestern jedoch erneut positive Daten zur Inflation. Der Index der Produzentenpreise hat sich im Juli abermals abgeschwächt. Der Fokus richtet sich nun auf den Index der Konsumentenpreise heute Mittwoch und den Umsatz im Einzelhandel morgen Donnerstag.
Ökonomen gehen davon aus, dass sich die Teuerung gemessen am Consumer Price Index (CPI) im Juli gegenüber dem Vorjahr auf 2,9% zurückgebildet hat. Im Juni waren es 3%. Für die Kernrate, bei der Preise für Nahrungsmittel und Energie ausgeklammert werden, wird ein Rückgang von 3,3 auf 3,2% erwartet. Sequenziell sollen die Zuwachsraten gegenüber dem vorangegangenen Monat jeweils 0,2% betragen.
Entwickeln sich die Inflation und der US-Arbeitsmarkt in den kommenden Wochen ungefähr im Rahmen der Erwartungen, ist ein erster Zinsschritt des Federal Reserve an der nächsten Sitzung von Mitte September so gut wie sicher. Nicht vergessen werden sollte aber, weshalb die Zinsen sinken: die Wirtschaft kühlt sich ab, speziell der Konsum.
Einen weiteren Anhaltspunkt dazu liefert Home Depot. Die grösste Baumarktkette Nordamerikas warnt, dass der Umsatz im zweiten Semester noch schwächer ausfallen wird als erwartet. Neu soll für das Gesamtjahr per Ende Januar 2025 ein Rückgang der Einnahmen auf gleicher Verkaufsfläche von 3 bis 4% resultieren. Bisher hatte das Management mit einer Abnahme von rund 1% gerechnet.
«Höhere Zinsen und grössere makroökonomische Unsicherheit haben die Konsumnachfrage generell gedämpft», sagte Konzernchef Ted Decker zum Geschäftsverlauf. «Wenn wir die Performance in den ersten sechs Monaten sowie die anhaltende Unsicherheit in Bezug auf die zugrunde liegende Konsumnachfrage betrachten, ist unserer Meinung nach eine vorsichtigere Umsatzprognose für das Jahr gerechtfertigt.»
Ein solches Umfeld spricht eigentlich weiterhin für wachstumsstarke Konzerne mit defensiven Qualitäten aus dem Tech-Sektor. Es würde daher nicht überraschen, wenn die Aktien von Branchenriesen wie Microsoft, Alphabet, Amazon und Meta Platforms in den kommenden Wochen vermehrt gefragt sind. Dass sie sich zuletzt über weite Strecken deutlich besser als der Gesamtmarkt entwickelt haben, dürfte sicher auch mit dem reifen Konjunkturzyklus zusammenhängen.
Ein wichtiger Aspekt wird an der Börse aber möglicherweise vernachlässigt. Durch die nahezu präzedenzlosen Investitionen in künstliche Intelligenz verändert sich das Geschäftsmodell von Big Tech. Aus diesem Grund befasst sich «The Pulse» in der heutigen Ausgabe mit diesem bisher kaum thematisierten Trend und den Risiken, die damit für Investorinnen und Investoren einhergehen.
Investitionsboom der Superlative
Die Berichtssaison ist weitgehend abgeschlossen. Der nächste Fixpunkt im Tech-Sektor ist das Quartalsergebnis von Nvidia am 28. August. Trotz Befürchtungen, dass der Halbleiterkonzern die nächste Generation von KI-Chips mit dem Codenamen Blackwell etwas verzögert auf den Markt bringen könnte, spiegelt sich in den Prognosen weiterhin grosser Optimismus.
Analysten rechnen für das laufende Geschäftsjahr per Ende Januar 2025 praktisch unverändert mit mehr als 120 Mrd. $ Umsatz, was nahezu eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr impliziert. In den vergangenen Tagen wurden die Schätzungen sogar marginal nach oben revidiert.
Diese Zuversicht erstaunt nicht. Von Microsoft über Alphabet und Meta Platforms bis hin zu Amazon haben die grossen Cloud-Infrastrukturbetreiber in den letzten Wochen bei der Präsentation der Quartalszahlen angekündigt, das Tempo beim Wettrüsten im Bereich künstliche Intelligenz weiter zu beschleunigen. Der grösste Profiteur ist und bleibt Nvidia, auf dessen KI-Chips ein bedeutender Teil der Investitionen zum Ausbau der Rechenkapazitäten entfällt.
Die Ausgaben für Prozessoren, Speicherchips, Server, Netzwerk-Equipment und andere Infrastruktur für Rechenzentren nehmen mit Quartal für Quartal grössere Dimensionen an. Insgesamt haben die vier Tech-Riesen die Kapitalinvestitionen in der Berichtsperiode per Ende Juni gegenüber den ersten drei Monaten weiter von rund 44 Mrd. auf 53 Mrd. $ erhöht. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Zuwachs von 55%. Amazon ist wegen des E-Commerce-Geschäfts ein Sonderfall, wobei beim Onlinekonzern rund die Hälfte der Ausgaben auf die Cloudsparte AWS entfallen dürfte.
Im gleichen Stil soll es weitergehen: «Wir werden unsere Infrastrukturinvestitionen ausweiten, wobei die Kapitalausgaben im Geschäftsjahr 2025 voraussichtlich über denen des Geschäftsjahres 2024 liegen werden», sagte etwa Microsoft-Finanzchefin Amy Hood. Der Softwarekonzern hatte die Ausgaben im Geschäftsjahr per Ende Juni bereits fast 60% auf 44,5 Mrd. $ ausgebaut. Analysten rechnen für das laufende Jahr mit annähernd 55 Mrd. $.
Aufs Tempo drückt ebenso Meta Platforms. Die Social-Media-Gruppe rechnet für 2024 neu mit Investitionen zwischen 37 Mrd. und 40 Mrd. $, wogegen bisher 35 Mrd. bis 40 Mrd. $ in Aussicht gestellt worden waren. «Auch wenn wir unsere Pläne für das nächste Jahr weiter ausarbeiten, rechnen wir derzeit mit einem deutlichen Anstieg der Kapitalausgaben für 2025, da wir in unser KI-Research und unsere Entwicklung von Produkten investieren», meinte CFO Susan Li.
Ähnlich klingt es bei Alphabet und Amazon. «In der ersten Jahreshälfte beliefen sich die Investitionen auf 30,5 Mrd. $. Mit Blick auf den Rest des Jahres 2024 erwarten wir, dass die Investitionen in der zweiten Jahreshälfte höher ausfallen werden», berichtete Amazon-Finanzchef Brian Olsavsky. «Der Grossteil der Ausgaben wird auf den wachsenden Bedarf an AWS-Infrastruktur entfallen», fügte er hinzu.
Entsprechend haben Analysten ihre Modelle in den letzten Wochen angepasst. Für 2024 rechnen sie im Durchschnitt für die vier Tech-Konzerne mit Kapitalinvestitionen von total 206 Mrd. $. Für nächstes Jahr sind es mit 228 Mrd. $ erneut 11% mehr, und auch darüber hinaus soll das Niveau stetig steigen. Zum Vergleich: Die Energiekonzerne Exxon Mobil, Shell, Total, Chevron und BP dürften dieses Jahr zusammen knapp 100 Mrd. $ investieren.
Die Vorzüge von Asset-light-Unternehmen
Dass Wettrüsten ist nicht neu. De facto begann es bereits Mitte des letzten Jahrzehnts bei Cloudinfrastrukturdiensten, mit denen Rechen- und Speicherleistung übers Internet angeboten wird. Mit dem KI-Boom generell und grossen Sprachmodellen wie ChatGPT im Speziellen hat sich die Kadenz jedoch deutlich erhöht. Lanciert wurde die neue Phase im Januar 2023 mit der 10 Mrd. $ teuren Beteiligung von Microsoft an OpenAI, dem Start-up hinter ChatGPT.
Kaum darüber gesprochen wird bisher jedoch, wie fundamental sich das Geschäftsmodell der grössten Tech-Konzerne dadurch verändert. Konkret: Welche Auswirkungen die massiven Infrastrukturinvestitionen auf die Marge, die Kapitalrendite, die Bewertung und damit auf die Perspektive der Aktien haben werden.
Dass Tech-Unternehmen wie Microsoft, Alphabet, Meta und Apple seit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/09 an der Börse so gut gelaufen sind, hat wesentlich mit der Präferenz für Asset-light-Geschäftsmodelle zu tun. Damit werden Unternehmen mit geringen Fixkosten bezeichnet. Vereinfacht gesagt, müssen sie nur wenig Kapital an Fabriken, Maschinen, Infrastruktur und andere Sachanlagen binden, die ihre finanzielle Flexibilität einschränken.
Das Paradebeispiel für ein solches Modell sind Softwareunternehmen. Sie haben primär variable Ausgaben wie Löhne für Programmierer, Marketingkosten oder Transaktionsgebühren für Abrechnungen, die relativ leicht an den Geschäftsgang angepasst werden können. Allgemein bedeutet das eine weniger schwankungsanfällige Marge und ein stabilerer Gewinn als bei Unternehmen, die bestimmte Einnahmen benötigen, um ihre Fixkosten zu decken.
Gemäss verschiedenen Studien weisen Asset-light-Unternehmen tendenziell höhere Kapitalrenditen auf. Folglich werden sie in der Regel mit einer Prämie bewertet. US-Softwareunternehmen beispielsweise handeln im Schnitt zum 8,1-Fachen des Umsatzes, wogegen der Vergleichswert für den Gesamtmarkt 3,3 beträgt. Weitere klassische Beispiele sind Beratungsfirmen, Onlineplattformen oder virtuelle Marktplätze. Oft kommen dabei auch Skaleneffekte und Netzwerkvorteile zum Tragen.
In dieses Profil passen also nicht nur Softwarekonzerne wie Microsoft, sondern auch andere Tech-Riesen. Das Kerngeschäft von Alphabet mit Internetsuchen basiert auf der Versteigerung von Links für digitale Anzeigen. Die Einnahmen von Meta kommen aus dem Verkauf von Anzeigeflächen für Onlinewerbung, wobei Plattformen wie Instagram und Facebook ihre Inhalte nicht selbst kreieren. Apple konzentriert sich auf das Design und lagert die Fertigung von iPhone-, Mac- und iPad-Geräten an Auftragsproduzenten wie Foxconn aus. Selbst das E-Commerce-Geschäft von Amazon hat Asset-light-Aspekte.
Diese Vorteile spiegeln sich in der Performance. Apple, Meta, Microsoft und Alphabet haben in den fünf Jahren von Anfang 2018 bis Ende 2022 durchschnittlich alle eine höhere Rendite auf dem investierten Kapital erwirtschaftet als die Unternehmen im S&P 500 generell. Nur Amazon liegt darunter, wobei der Konzern bereits ab Sommer 2020 mit dem massiven Ausbau seiner Distributionsinfrastruktur einen grösseren Investitionszyklus startete.
Die Transformation von Big Tech
Durch den Hype um künstliche Intelligenz verändert sich das Geschäftsmodell der Tech-Riesen jedoch in bedeutendem Umfang. Wie eingangs erwähnt, werden Microsoft und Alphabet allein dieses Jahr jeweils rund 55 Mrd. respektive 50 Mrd. $ in ihre IT-Infrastruktur investieren. Welche Grössenordnung die Kapitalinvestitionen damit annehmen, zeigt sich im Vergleich mit anderen Branchen.
Exxon Mobil zum Beispiel, der grösste Energiekonzern Amerikas mit Förder-, Transport-, und Raffinerieanlagen rund um die Welt, wird dieses Jahr mit geschätzten 25,5 Mrd. $ bloss etwa die Hälfte der Summe von Microsoft und Alphabet investieren. Bei BHP, dem global führenden Bergbaukonzern, beläuft sich das Budget auf etwas mehr als 9 Mrd. $. Für die Eisenbahn Union Pacific mit einem Streckennetz, das die westlichen zwei Drittel Amerikas verbindet, rechnen Analysten mit 3,4 Mrd. $.
Die Aussagekraft absoluter Zahlen ist allerdings beschränkt. Relevanter ist der Trend auf relativer Basis zum Geschäftsvolumen. Doch auch hier sieht das Bild ähnlich aus. Die Kapitalinvestitionen von Meta Platforms zum Beispiel haben sich in den letzten zwölf Monaten auf über 19% des Umsatzes belaufen. Bei Microsoft sind es mehr als 18%.
Das ist zwar weniger als in Branchen wie der Stromversorgung oder der Halbleiterproduktion, die gegenwärtig ebenfalls einen Kapazitätszyklus durchläuft. Doch selbst Union Pacific und BHP weisen mit 15 bis 16% geringere Vergleichswerte aus. Bei Alphabet sind es 13,5%, womit der Konzern relativ betrachtet mehr ausgibt als Verizon, der führende US-Mobilfunkbetreiber, oder Toyota, der weltgrösste Autokonzern.
Nvidia mit einem Geschäftsmodell, das sich rein auf das Design von Chips konzentriert und die Fertigung an Auftragsproduzenten wie TSMC auslagert, kommt auf einen Wert von weniger als 2%. Ähnlich verhält es sich beim deutschen Softwarekonzern SAP, der für Cloudangebote die Infrastruktur von Microsoft in Anspruch nimmt. Auch Apple bleibt dem Asset-light-Modell bislang treu und hält sich mit Kapitalinvestitionen zurück.
«Die meisten Investoren sind sich des wachsenden Investitionsbedarfs bewusst», meint John Huber von der Anlageboutique Saber Capital Management zum Verhalten von Microsoft, Alphabet, Meta und Amazon. «Ich glaube aber, viele unterschätzen, wie kapitalintensiv diese Unternehmen werden», ergänzt er.
Das kommt auch in der Bilanz zum Ausdruck. Das Netto-Sachanlagevermögen, das Grundstücke und Bauten, Anlagen und Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung nach Amortisationen umfasst, macht bei Meta inzwischen mehr als die Hälfte der Bilanzsumme aus. Per Ende Dezember 2015 waren es weniger als 12%. Bei Alphabet waren es damals knapp 20%, heute sind es annähernd 40%.
Mit einem Asset-light-Modell haben solche Kenngrössen kaum noch etwas zu tun. Das zeigt sich im Vergleich mit anderen Branchen, die naturgemäss überdurchschnittlich kapitalintensiv sind. Selbst im Fall von Microsoft bewegt sich das Verhältnis von Sachanlagen zur Bilanzsumme inzwischen etwa auf dem Niveau von RWE, BASF oder Texas Instruments, dem weltgrössten Hersteller von Analogchips.
Rentiert künstliche Intelligenz?
Die entscheidende Frage für Anleger lautet daher: Werden sich diese enormen Investitionen auszahlen? Oder leicht anders formuliert: Wie gross ist die Rendite künstlicher Intelligenz?
Noch sind die Effekte auf das Geschäftsmodell nur teilweise ersichtlich. Doch die steigenden Kapitalinvestitionen gehen mit höheren Amortisationen einher. Microsoft, Google, Meta und Amazon haben die geschätzte Lebensdauer ihrer Grossrechner zwar unlängst auf sechs Jahre verlängert, nachdem sie bisher mit vier bis fünf Jahren kalkulierten. Gemäss Berechnungen der «Financial Times» haben sie durch diesen buchhalterischen Kniff den Gewinn in den letzten zwei Jahren um insgesamt fast 10 Mrd. $ geschönt.
Trotzdem wird der Druck auf Ertragskraft in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach mehr und mehr zunehmen. Erste Eingeständnisse in diese Richtung sind bereits zu hören: «Die Betriebsmarge wird den Anstieg der Abschreibungen und der Kosten reflektieren, die mit unseren höheren Investitionen in die technische Infrastruktur verbunden sind», hiess es etwa beim Earnings Call von Alphabet zum Ausblick für das dritte Quartal.
Dass diese Problematik an der Börse bisher weitgehend vernachlässigt wird, hat vermutlich mit den ansprechenden Zahlen zu tun, die Tech-Riesen in der jüngeren Vergangenheit rapportiert haben. Diese Entwicklung war hauptsächlich Personalkürzungen und der zyklischen Erholung zu verdanken, die auf die Wachstumsflaute im Nachgang der Pandemie folgte.
Doch die Vergleichsbasis wird mit jedem Quartal anspruchsvoller und das makroökonomische Umfeld voraussichtlich weniger freundlich. Microsofts Cloudsparte hat in der vergangenen Berichtsperiode erstmals seit 2022 die Erwartungen verfehlt, wofür mitunter weniger Aufträge in Europa verantwortlich waren. Die Alphabet-Tochter YouTube blieb mit dem Wachstum ebenfalls hinter den Analystenschätzungen zurück. Amazon spürt derweil den schwächeren Konsum in den USA.
Positive Effekte künstlicher Intelligenz auf den Geschäftsgang bleiben derweil diffus. «Die grossen Cloudinfrastrukturbetreiber haben eine Investitionswelle in KI-Kapazitäten ausgelöst, die nun schon fast anderthalb Jahre alt ist, sich ökonomisch aber nicht rechtfertigen lässt», denkt Fred Hickey, Herausgeber des Investment-Bulletins «The High-Tech Strategist». Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine kritische Studie von Goldman Sachs.
Auffällig ist, dass sich das Narrativ allmählich verändert. Bisher hatten die Tech-Titanen unbeirrbare Zuversicht demonstriert, dass sie mit neuen KI-Anwendungen auf grossen Bedarf stossen werden. Inzwischen sind sie mit solchen Aussagen vorsichtiger – zumindest, was die absehbare Entwicklung der Nachfrage betrifft.
Stattdessen werden die Infrastrukturinvestitionen nun vermehrt mit Befürchtungen begründet, gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten. «Wenn man eine solche Kurve durchläuft, ist das Risiko, zu wenig zu investieren, dramatisch grösser als das Risiko, zu viel zu investieren», rechtfertigt beispielsweise Alphabet-CEO Sundar Pichai den beträchtlichen Zuwachs an Rechenkapazitäten.
Sollte sich das Wachstum im Tech-Sektor abschwächen, dürften solche Aussagen zusehends kritisch hinterfragt werden. Hinzu kommt, dass ein Grossteil der Kapazität, die gegenwärtig aufgebaut wird, angesichts der Schnelllebigkeit der Branche vermutlich laufend ersetzt werden muss. Das bedeutet, dass die Kapitalinvestitionen auf absehbare Zeit nicht zurückgehen werden, sondern sich auf dem gegenwärtigen Niveau bewegen könnten.
Nur damit kein Missverständnis entsteht: Microsoft, Alphabet, Amazon und Meta Platforms sind nach wie vor grundsolide Unternehmen mit einem robusten operativen Cashflow und kerngesunden Bilanzen. Wenn sich die gewaltigen Ausgaben für künstliche Intelligenz aber nicht rentieren, dürfte ein weiterer Investitionsboom in grosser Enttäuschung enden – genauso wie bei zahlreichen anderen Unternehmen aus kapitalintensiven Branchen davor.
Deep Diving
An dieser Stelle präsentieren wir wie immer einige Links, die einen vertieften Einblick in ein aktuelles Thema geben:
- China dominiert den Weltmarkt für Drohnen. Auch in den USA kommen chinesische Flugroboter in verschiedenen Branchen zum Einsatz. Sie inspizieren Infrastruktur wie Strassen, Brücken und das Stromnetz, helfen bei der Produktion von Filmen, führen Landvermessungen durch, erkennen Krankheiten bei Nutzpflanzen, suchen nach Mineralien oder orten Gaslecks. Wie also konnte Amerika bei dieser Schlüsseltechnologie derart in Rückstand geraten? Mit dieser Frage befassen sich die Branchenkenner Cat Orman und Jason Lu in einem Gastbeitrag für den Blog «Noahpinion».
- Seit dem Debüt der VR-Brille Apple Vision Pro ist ein halbes Jahr vergangen. Trotz einer teuren Werbekampagne und der anfänglich extensiven Berichterstattung in den Medien ist vom neuen Apple-Gerät aber kaum mehr etwas zu hören. Matthew Ball, vormaliger Chefstratege der Filmsparte von Amazon und Spezialist zum Thema «Metaverse», listet in seinem neusten Essay die wichtigsten Erkenntnisse auf, die sich aus der verhaltenen Nachfrage zur Zukunft von VR-Brillen ziehen lassen.
- Mit Phishing wird man immer häufiger auch über SMS belästigt. Dabei handelt es sich um eine Form von Onlinebetrug, bei der man eine Nachricht erhält, die scheinbar von einem bekannten Absender stammt und eine Aufforderung zur Angabe persönlicher Daten wie der Kreditkartennummer enthält. Bei diesem Bericht des Tech-Magazins «Wired» kommt deshalb etwas Schadenfreude auf: Betrüger schrieben der Frau eines Hackers eine SMS, woraufhin er den gesamten Phishing-Ring knackte und an die Behörden überführte.
Und zum Schluss noch dies: Back to School
Der Sommer neigt sich langsam, aber sicher dem Ende zu. In den USA sind es noch weniger als drei Wochen bis zum offiziellen Schulbeginn nach dem Labor Day-Wochenende. Entsprechend wird in den Einkaufsläden mit zahlreichen Rabattaktionen für Schulmaterial, Kinderbekleidung, Notebooks und anderen elektronischen Geräten geworben.
Die Back-to-School-Saison ist für den Detailhandel die wichtigste Jahreszeit, abgesehen von der Shoppingsaison vor den Feiertagen. Sie ist damit ein guter Indikator für die Stimmung unter den Konsumenten. Angesichts der zunehmenden Anzeichen für ein sinkendes Verbrauchervertrauen dürfte der Quartalsabschluss von Walmart am Donnerstag besonders interessieren.
Die National Retail Federation, der Branchenverband der US-Detailhändler, ist vorsichtig optimistisch. Gemäss Umfragen sollen sich die Back-to-School-Verkäufe dieses Jahr auf insgesamt rund 39 Mrd. $ belaufen. Das sind 5% weniger als letzten Sommer, aber noch immer mehr als 2021 und 2022. Pro Haushalt wird mit Ausgaben von 875 $ gerechnet, nachdem es letztes Jahr 890 $ waren.
Manche können es offenbar kaum erwarten, bis der Unterricht wieder beginnt. Einen überraschenden Besuch erlebte vergangene Woche eine Lehrerin in Frazier Park, einem kleinen Dorf in den San Emigdio Mountains, rund anderthalb Stunden mit dem Auto nordwestlich von Los Angeles. Als sie sich auf das neue Schuljahr vorbereitete, spazierte eines Abends plötzlich ein Bär ins Klassenzimmer.
Videoaufnahmen zeigen, wie der neugierige Pelzträger Tische und Bücherregale in Augenschein nimmt. Die Lehrerin konnte das Klassenzimmer zum Glück verlassen und die Tür hinter sich schliessen. Wenig später kam ihr Mann zu Hilfe. Er öffnete die Tür, lockte den Bär heraus, worauf dieser das Schulhaus verliess und sich in die Berge verzog.
Ob der Bär bei seinem spontanen Schulbesuch etwas gelernt hat, liess sich nicht in Erfahrung bringen. Ernsthaften Schaden hat er jedenfalls nicht angerichtet, ausser dass er einen Notkoffer für den Fall eines Erdbebens durcheinander gebracht hat.