Wladimir Putin und der nordkoreanische Diktator bauen ihre Kooperation aus. Der Westen sieht hilflos zu. Eine Trumpfkarte hält China in der Hand.
Russlands Überfall auf die Ukraine muss Kim Jong Un wie ein Geschenk des Himmels vorkommen. Nach bleiernen Jahren, bedingt durch die Corona-Pandemie und ein hartes Sanktionsregime, hat Putins Krieg die marode Wirtschaft Nordkoreas reanimiert.
Kims Waffenschmieden produzieren nun im Dreischichtenbetrieb, um den Bedarf des russischen Aggressors zu decken. Zwischen den früheren Bruderstaaten verkehrt eine Art Waffenexpress: Auf der Schiene und über das Meer gelangen Tausende von Containern mit Artilleriemunition und anderen Rüstungsgütern nach Russland. Ballistische Raketen aus nordkoreanischer Produktion töten Menschen inmitten Europas. Kim füllt dadurch seine Kassen, seine Generäle sammeln praktische Erfahrungen im Kriegshandwerk.
Ein fatales Signal
Die beiden Diktatoren dürften sich an ihrem Gipfeltreffen vom Mittwoch über neue Rüstungsgeschäfte unterhalten haben. Allerdings geht es um mehr als nur Waffenbrüderschaft. Moskau bietet dem abgeschotteten Land auch diplomatischen Sukkurs. Mit seinem Veto im Uno-Sicherheitsrat hat Russland im April die Weiterarbeit eines Überwachungsgremiums verunmöglicht, das während Jahren akribisch Verstösse gegen die Nordkorea-Sanktionen untersucht hatte.
Das Signal ist fatal: Dubiose Firmen und Staaten, die mit dem Unrechtsregime Geschäfte machen, können ungestört Sanktionen brechen.
Unverhoffter Bedeutungsgewinn
Die Schätze aus Kims Waffenkammer werden das Geschehen auf dem Schlachtfeld in der Ukraine zwar kaum entscheiden, zumal viele Rüstungsgüter von mangelhafter Qualität sind. Gleichwohl verhelfen sie dem Kremlherrn, Löcher im Nachschub zu stopfen. Zu unterschätzen ist die Nachbarschaftshilfe darum keinesfalls.
Obwohl Putin bereits seit einem Vierteljahrhundert Russland beherrscht, hatte er lange Wichtigeres zu tun, als sich in die kommunistische Steinzeit zurückzukatapultieren: Jetzt flog er erstmals seit 24 Jahren nach Pjongjang. Es ist eine Ehrenbezeugung an den obskuren, aber nützlichen Nachbarn.
Ungeachtet der öffentlich zur Schau getragenen Freundschaft zweier Männer, die sich schwülstige Briefe schreiben, folgt das Verhältnis einem nüchternen Kalkül: Putin braucht Waffen und Arbeiter, Kim Devisen, Energie und Nahrungsmittel. Beide profitieren. In Putin hat der nordkoreanische Diktator einen Gesinnungsgenossen gefunden, der ebenso skrupellos handelt wie er selbst.
Wie weit wird die Tauschwirtschaft gehen? Stellt Russland auch sein Wissen in Sachen Raketentechnik, Weltraumforschung oder gar Nukleartechnologie zur Verfügung? Die demokratische Staatenwelt kann nur rätseln. Selbst die Geheimdienste tappen im Dunkeln.
Xi hält beide am Gängelband
Ausgerechnet China wird in dieser verzwickten Lage zum westlichen Hoffnungsträger. Peking verfolgt den Schmusekurs der beiden Diktatoren nämlich mit Unbehagen. Die chinesische Führung befürchtet, Einfluss zu verlieren, sie will aber auch verhindern, dass die Atommacht Nordkorea übermütig wird und Südkorea provoziert. Stabilität auf der koreanischen Halbinsel geniesst für die kommunistische Führung in Peking hohe Priorität.
Hinter den Kulissen soll China auf Russland, seinen «besten Freund», einwirken und «rote Linien» ziehen. Eine heisst angeblich: keine hochwertige Atomtechnologie für Pjongjang. Nordkorea ist zwar bereits Atommacht, sucht aber laut Experten den Austausch mit der viel erfahreneren Atommacht Russland.
Die Chancen sind nicht schlecht, dass Mahnungen aus Peking in Moskau Gehör finden. Schliesslich will Russland es sich mit dem wirtschaftlichen Schwergewicht China nicht verscherzen. Xi Jinping wird daher mitbestimmen, wie weit Putin und Kim gehen dürfen, zumal die Volksrepublik über wirksame Druckmittel verfügt: Putin ist auf Maschinen und industrielle Ausrüstung aus dem Nachbarland angewiesen. Nordkorea hängt noch stärker am wirtschaftlichen Tropf Chinas – ein inniges Verhältnis zu Russland wird an dieser Abhängigkeit nichts ändern.









