Der Autobauer polarisiert die Öffentlichkeit, seit CEO Elon Musk rechte Politik betreibt. Doch die Probleme von Tesla reichen tiefer – das zeigen die Rückschläge beim einst gefeierten Elektro-SUV.
Die Aktionäre hatten sich das anders vorgestellt. Der Elektroautobauer Tesla sollte von der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten profitieren; schliesslich war der Tesla-Chef Elon Musk der wichtigste Financier des Republikaners und würde als Berater eine zentrale Rolle in der neuen amerikanischen Regierung einnehmen.
Seit der Wahl Trumps ging für Tesla aber fast alles schief, was schiefgehen kann. Vergangene Woche musste der Autohersteller 46 000 Cybertrucks zurückrufen – praktisch alle bisher verkauften Einheiten – weil sich eine Stahlleiste über dem Fenster während der Fahrt lösen und andere Verkehrsteilnehmer gefährden kann.
Die Leiste wurde offenbar schlecht verklebt und muss jetzt besser befestigt werden. Es ist bereits der achte Recall des Cybertrucks, der seit November 2023 zum Verkauf angeboten wird: Einmal ging es um fehlerhafte Anzeigen, einmal um kaputte Scheibenwischer – einmal sogar um Pedale, die sich während der Fahrt verklemmen können.
An der Zielgruppe vorbei
Der Cybertruck steht sinnbildlich für Teslas derzeitige Probleme. Zunächst einmal kämpft der Autobauer damit, dass sein Sortiment überaltert ist. Der wuchtige Elektro-SUV ist das einzige genuin neue Modell der letzten Jahre. Viele traditionelle Tesla-Fahrer sind vom Gefährt zwar nicht angetan. Aber der Cybertruck sollte vor allem in den USA neue Käufer ansprechen, die bisher benzinbetriebene Pick-up-Trucks wie den Ford F-150 oder den Chevrolet Silverado bevorzugt hatten.
Das Fahrzeug hat tatsächlich bei manchen Konservativen Kultstatus erlangt, seit Musk als Aushängeschild von Donald Trumps Maga-Bewegung fungiert. Doch der Cybertruck kostet zwischen 80 000 und 100 000 Dollar. Der hohe Preis und die Sorge, auf Überlandfahrten zu wenig Ladesäulen zu finden, halten die Amerikaner in ländlichen Gegenden noch vom Kauf des Elektrotrucks ab.
Musks Führungsmannschaft hatte eigentlich ein sehr gutes Gespür für die Bedürfnisse ihrer Kundschaft entwickelt: Das Model Y und das Model 3 gehörten in den vergangenen Jahren zu den meistverkauften Autos überhaupt. Mit dem Cybertruck produzierte Tesla aber offenkundig am Markt vorbei.
Die Lancierung eines günstigeren Einsteigerfahrzeugs, mit dem Tesla die Konkurrenz aus Asien und Europa in Schach halten will, hat sich derweil verzögert. «Wir sind noch immer auf Kurs, im ersten Halbjahr 2025 ein günstigeres Modell zu lancieren», kündigte der Tesla-Finanzchef Vaibhav Taneja Ende Januar an der Ergebnispräsentation des Autobauers an.
Eine klobige Zielscheibe
Sein kantiges Äusseres macht den Cybertruck inzwischen zur beliebtesten Zielscheibe für Musks Gegner: In Kanada, Europa und linken Regionen der USA wurden in den vergangenen Wochen zahlreiche Cybertrucks angezündet oder demoliert.
Ausserhalb der Vereinigten Staaten verärgerte Musk potenzielle Käufer mit seinen politischen Äusserungen. In Deutschland rief er zur Wahl der Rechtspartei AfD auf, und über Kanada schrieb er auf seiner Nachrichtenplattform X, es sei «kein richtiges Land». Eine Petition, die Musk die kanadische Staatsbürgerschaft entziehen will – die er in Jugendjahren dank seiner in Kanada geborenen Mutter erhalten hat – wurde schon über 370 000 Mal unterschrieben.
In den USA polarisiert Musk derzeit mit seiner Arbeit für die Trump-Regierung. Als inoffizieller Chef der Effizienz-Kommission «Doge» ist Musk damit beauftragt, die Bundesverwaltung zusammenzusparen. Sein Team geht dabei sehr unzimperlich und bisweilen ungeschickt vor: Zahlreiche Sparbemühungen wurden von Richtern zumindest vorläufig sistiert, und die regelmässig von Doge veröffentlichten Einsparungen hielten der Überprüfung durch zahlreiche Medien nicht stand.
Die Trump-Regierung versuchte, Musk unter die Arme zu greifen: Justizministerin Pam Bondi kündigte an, Vandalismus gegen Tesla-Eigentum als «einheimischen Terrorismus» verfolgen zu lassen. Präsident Trump selbst setzte sich vor dem Weissen Haus medienwirksam in einen Tesla Model S, Handelsminister Howard Lutnick sprach auf Fox News eine Kaufempfehlung für die Tesla-Aktie aus. Auch frühere Administrationen hatten Sympathien für gewisse US-Unternehmen durchblicken lassen. Solche unverhohlene Werbung durch Regierungsvertreter ist in den USA aber dennoch sehr unüblich.
Zahlreiche Galionsfiguren der amerikanischen Rechten stimmten in das Loblied auf Tesla mit ein. Der bekannte Fox-News-Fernsehmoderator Sean Hannity etwa – früher ein erklärter Gegner von Elektroautos – sprach in einem Interview mit Musk jüngst vom «grossartigsten je erfundenen Auto».
Volatile Aktie
Es bleibt abzuwarten, ob die Maga-Verkaufsförderung verfängt. Manche Analysten sehen für Tesla durchaus ein grosses Käuferpotenzial unter Amerikas konservativen Wählern; im Ausland verfangen die Werbebotschaften von Hannity oder Lutnick dagegen kaum.
Die monatlichen Verkaufszahlen von Tesla im Januar und Februar waren besonders in Kanada und Europa stark rückläufig, obwohl die Absatzzahlen von Elektroautos in vielen Märkten insgesamt wieder ansteigen. Man darf einzelne dieser Zahlen nicht überinterpretieren; nebst der Musk-Antipathie könnte auch der bevorstehende Relaunch des Model Y ein Grund sein, weshalb potenzielle Käufer noch zuwarten.
Teslas Aktienkurs hat sich seit Mitte Dezember fast halbiert, jüngst aber immerhin stabilisiert. Mit einer Marktkapitalisierung von derzeit fast 800 Milliarden Dollar bleibt Musks Konzern der mit Abstand wertvollste Autohersteller der Welt. Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis ist die Aktien enorm hoch bewertet. Der Grund: Tesla will mit grossen Investitionen eine Führungsrolle bei wichtigen Zukunftstechnologien einnehmen – KI, Robotik, selbstfahrende Autos. Gehen diese Pläne auf, könnte sich die hohe Bewertung locker rechtfertigen. Falls sie scheitern und Tesla wieder wie ein normaler Autobauer bewertet würde, dürfte die Aktie dagegen noch viel mehr an Boden verlieren.
Bis auf weiteres dürfte die Tesla-Aktie volatil bleiben, was auch mit der Struktur des Aktionariats zu tun hat. Tesla ist seit längerer Zeit ein Lieblingstitel einerseits von risikofreudigen Kleininvestoren, andererseits von Leerverkäufern – Investoren also, die auf den starken Preisrückgang einer Aktie wetten. Gemäss einem neuen Bericht der Bank JP Morgan haben in der vergangenen Woche vor allem Kleininvestoren Tesla-Titel zugekauft und damit einen weiteren Kursrückgang verhindert. Diese Käufergruppe handelt jedoch sehr opportunistisch und investiert oft über gehebelte Anlageprodukte in Einzelaktien.
Zahlreiche Finanzanalysten haben in den vergangenen Wochen unter dem Eindruck der sich verschlechternden Verkaufszahlen ihre Ertragsschätzungen und Kursziele für Tesla reduziert, sie behielten ihre Empfehlungen, ob die Aktie ein Kauf ist oder nicht, aber grösstenteils bei.
Doch auch unter den Analysten polarisiert Tesla enorm, die Preisziele klaffen weit auseinander. JP Morgan und Wells Fargo geben 120 beziehungsweise 130 Dollar aus, was etwa der Hälfte des aktuellen Kurses entspricht, Piper Sandler (450 Dollar) oder Wedbush (550) rechnen mit enormen Kurssprüngen. GLJ Research erwartet gar einen Kurssturz auf weniger als 25 Dollar; damit entspräche Tesla in etwa dem Kurs-Gewinn-Verhältnis der etablierten Autobauer.
Im Weltraum läuft es besser
An anderen Fronten kämpft Musk derzeit mit mehr Glück. X hat seit Trumps Wahl als «zensurfreie» Plattform für Amerikas Rechte neuen Schwung erhalten. Manche Unternehmen, welche X nach Musks Übernahme 2022 unter grossem Wirbel verlassen hatten, bringen ihre Werbebudgets zurück.
Musks Raumfahrtunternehmen Starlink und SpaceX sind derweil so wichtig für die amerikanischen Weltraumpläne wie nie zuvor. Doch anders als Tesla werden diese Unternehmen nicht an der Börse gehandelt. Von einer höheren Bewertung profitieren daher Musk und ein kleiner Kreis an professionellen oder sehr wohlhabenden Investoren – und nicht der Kleinanleger, der sich mit Tesla-Aktien die Finger verbrannt hat.