Im Frühling 2026 will die SVP einen Sitz im Zürcher Stadtrat zurückgewinnen. Der Fraktionschef im Parlament hat schon eine Idee, mit wem.
Die Stadtzürcher SVP hat ein schwieriges Wochenende hinter sich. Mit fast einer Woche Verspätung hat die Stadt Zürich am Samstag die Wahlresultate für den fünfköpfigen Bezirksrat publiziert, und da zeigte sich: Der bisherige SVP-Bezirksrat Jedidjah Bollag, seit 2021 im Amt, hat seine Wiederwahl verpasst.
Bollag erreichte zwar das absolute Mehr, schied aber als Überzähliger aus. Das Rennen machte stattdessen ein Neuer, ein politischer No-Name: der Parteilose Daniel Kauf.
Für die SVP ist das Resultat bitter, weil die Bezirksratswahlen in den letzten Jahren ein Selbstläufer für die Kandidaten waren. Bisher bestimmten die Parteien jeweils im Vorfeld, wer das Amt erhalten sollte. Anschliessend hiess die Interparteiliche Konferenz des Bezirks Zürich, in der alle grösseren Parteien vertreten sind, die Kandidaten gut. Doch diesmal brachte sich Daniel Kauf ins Spiel. Und plötzlich war die Ausgangslage schlecht für die SVP.
Für Jedidjah Bollag ist klar, weshalb er abgewählt wurde: «Mit dem SVP-Label hat man es schwer in der Stadt Zürich», sagt er auf Anfrage. Anders als in früheren Jahren gab es mehr Kandidaten für den Bezirksrat als Sitze. Deshalb fanden keine stillen Wahlen statt, sondern die Wählerinnen und Wähler mussten Stimmzettel ausfüllen.
«Viele Leute dachten sich wohl: Den von der SVP wähle ich nicht.» Er habe gerne im Bezirksrat gewirkt, sagt Bollag, und bedaure deshalb seine Abwahl. Lohnrelevant ist sie nicht für ihn. Er ist Anwalt mit eigener Kanzlei, sein Amt im Aufsichtsgremium übte er in Teilzeit aus.
Drei Sitze weniger bei den Wahlen 2022
Gegenüber der NZZ erklärte der städtische SVP-Co-Präsident Ueli Bamert ernüchtert, man werde das Resultat nun analysieren. Klar ist: Der SVP ergeht es in Zürich wie in vielen anderen Städten. Sie schwächelt. Bei den Stadtzürcher Wahlen vor drei Jahren verlor die Partei drei Sitze im Parlament und erzielte das schlechteste Ergebnis seit dreissig Jahren. Die beiden Stadtratskandidaten Stephan Iten und Roland Scheck hatten keine Chance.
Wenig später trat in der Stadt eine neue Hoffnungsträgerin in Erscheinung: Camille Lothe wurde zur Präsidentin der Stadtpartei gewählt. Als junge Frau mit Migrationshintergrund – sie ist französisch-schweizerische Doppelbürgerin – sollte Lothe die Partei wieder auf Kurs bringen.
Doch schon nach zwei Jahren gab sie das Amt wieder ab. Dies mit der Begründung, es lasse sich nicht mit ihrer Arbeit als Journalistin beim «Nebelspalter» vereinbaren. Seither führen die Kantonsräte Ueli Bamert und Susanne Brunner das SVP-Präsidium gemeinsam.
Letzten Herbst war es Brunner, die die Partei ins Gespräch brachte. Sie hatte die Anti-Genderstern-Initiative lanciert, die im November an der Urne abgelehnt wurde. Mit Blick auf ihre politische Tätigkeit in Zürich sagte Brunner in der NZZ: «In der Stadt Zürich SVP-Politik zu machen, ist das härteste Trainingslager, das man sich vorstellen kann.»
Der SVP «eins ans Bein geben»
Das sehen in der Partei viele so. Als SVP-Mitglied in der Stadt Zürich müsse man mit Ablehnung leben, sagt Jedidjah Bollag. Er bedauert aber, dass dies so pauschal geschehe. «Ich bin überzeugter SVPler, habe aber immer sachlich politisiert und konnte mit allen gut zusammenarbeiten.»
Der Bezirksrat ist strenggenommen keine politische Behörde. Er hat die Oberaufsicht über die Stadt Zürich inne. Bollag sagt denn auch, im Vorfeld der Wahlen sei nie über politische Positionen diskutiert worden. Auch von der Interparteilichen Konferenz sei er empfohlen worden. Zudem habe er bei Parlamentswahlen stets überdurchschnittlich viele Panaschierstimmen erhalten. Bollag war vor 15 Jahren knapp ein Jahr lang im Stadtparlament.
Bollag glaubt, dass der Anti-SVP-Reflex in der Stadt in den letzten Jahren zugenommen hat. Mit ein Grund sei wohl, dass die SVP auf nationaler und kantonaler Ebene zahlreiche Abstimmungen gewonnen habe. «Jetzt wollen uns die Linken in den Städten noch mehr in die Ecke stellen, damit wir möglichst nicht am politischen Prozess teilnehmen.»
Der SVP-Fraktionschef im Stadtparlament, Samuel Balsiger, sieht noch einen weiteren möglichen Grund, warum Bollag die Wiederwahl verpasste: «Er hat einen jüdischen Namen, was ihn wohl bei einigen Linken unwählbar macht.» Eine These, die Bollag allerdings nicht stützt.
Ein weiterer Aspekt dürfte die tiefe Stimmbeteiligung gewesen sein, sagt Balsiger. «Vor allem aber ging es darum, der SVP eins ans Bein zu geben.»
Als negativen Vorboten für die Wahlen im Frühling 2026 will Balsiger das Resultat nicht deuten. Vielmehr macht er ein interessantes Gedankenspiel: Balsiger sieht Jedidjah Bollag, obwohl erst gerade als Bezirksrat abgewählt, als potenziellen SVP-Kandidaten für die Stadtratswahlen. «GLP, SP, FDP und SVP empfahlen, Bollag in den Bezirksrat zu wählen. Dort hätte er auch den Stadtrat beaufsichtigt. Er hat also das Gütesiegel der Mehrheitsparteien», sagt Balsiger.
Seine Partei werde «auf jeden Fall» eine Kandidatin oder einen Kandidaten stellen. Die SVP hat dafür eine Findungskommission eingesetzt. Würde die SVP wieder in den Stadtrat gewählt, wäre das eine Sensation. Seit 35 Jahren ist sie nicht mehr in der Exekutive vertreten.
Bollag selbst sagt, er wolle eine Kandidatur für ein politisches Amt nicht ausschliessen. Fürs Erste bleibe er aber einfaches SVP-Mitglied.