Die Kriminalserie «Testo» mit Kida Ramadan ist kein neues «4 Blocks».
Das Verdrängte kehrt wieder. Ist der Zeitgeist auf woke, feministisch und liberal gestellt, darf zünftige, das heisst konservative Männlichkeit in den Medien bestaunt werden. Natürlich mit jenem wohligen Schauer, der sich einstellt, wenn ebensolche Männlichkeit als depraviert und kriminell dargestellt wird. Doppelter Genuss: Maskulinität am Bildschirm geniessen und sich gleichzeitig sicher fühlen als Bewohner der korrekten bürgerlichen Mitte.
Aus dieser Logik erklärt sich die fulminante Karriere von Kida Ramadan. Charismatischer Alpha-Typ, schauspielerisches Originalgenie, ein Künstler, der den Bildschirm mit Energie aufladen kann, einfach nur dadurch, dass er in Erscheinung tritt. Mit der Serie «4 Blocks», in der er einen libanesischen Gangsterboss in Berlin spielte, keimte Hoffnung auf im «Tatort»-betäubten Fernsehdeutschland: Jenseits hölzerner Dialoge, bemüht konstruierter Plots und der ewiggleichen Spielkulissen könnte es tatsächlich so etwas wie schlüssige Genreunterhaltung made in Germany geben.
Das Gesicht zur misslichen Lage
Ramadan personifizierte diese Hoffnung streckenweise im Alleingang. Draufgängertum, kombiniert mit Witz und einer so intuitiv wie präzise eingemengten Dosis Sensibilität: Mit so einem konnte man rasante Fernsehunterhaltung schaffen. Und es war ja auch Bedarf an filmisch verwertbaren «Babos» aus der deutschen Hauptstadt. Die Wirklichkeit machte vor, was jenseits neubürgerlich-genderempfindsamer Hoffnungen Sache ist: Die Kriminalität steigt an, organisierte Verbrecherbanden kontrollieren ganze Stadtteile, der cis-heteronormative Tatmensch ist eben nicht historisch ausgemustert, sondern geht in Berlin eifrig seinen Geschäften nach.
Entsprechend erwies sich Kida Ramadan als Aktivposten des öffentlichrechtlichen Fernsehens. Man bewies Gespür für die aktuelle, sich zuspitzende Lage und bebilderte sie mit einem plausiblen Gesicht. Und weil er sehr gut spielte und auch noch Drehbuchideen hatte, freute man sich in deutschen Redaktionsstuben über eine auf Jahre zu bewirtschaftende Ressource.
Die Rechnung ist bei «Testo», der sieben Kurzfolgen à knapp 20 Minuten umfassenden ARD-Kriminalserie, nicht aufgegangen. Vier Gangster auf Freigang, keiner will zurück in den Knast. Deshalb Bankraub mit Geiselnahme. Die Sache läuft aus dem Ruder. Tote, Panik, Chaos.
Die Darsteller sind exzellent, allen voran Ramadan, der den Chef der Truppe als abgeklärten Profiganoven spielt. Ein bisschen Mafia-Don, ein bisschen Junge von der Strasse: Dieser Schauspieler schlägt eigentlich immer dieselben Töne an, dies aber so suggestiv, dass man nicht aufhören kann, ihm zuzuschauen. Man kennt das von Robert De Niro und Al Pacino: dieses nur geringfügig variierte Darstellungsprofil, in dem sich ein bestimmter Typus zur Chiffre verdichtet. Näher als mit Ramadan ist Deutschland einem Schauspieler wie De Niro schon lange nicht mehr gekommen.
Faszinierend auch Veysel Gelin als Hitzkopf mit Impulskontrollstörung. So ein Part kann schnell in Gewaltschmiere entgleisen, aber Gelin mengt seiner lodernden Wut immer wieder Nuancen von Trotz, Verletztheit und Sehnsucht bei. Frederick Lau ist auf vertrackte Weise verzweifelt: Sein Mackertum mischt er mit moralischen Bedenken auf, die Gewaltbereitschaft mit Skrupel. So legt er die Rolle des kriminellen Mannes als zugleich Beschädigter und Täter an. Ebenfalls exzellent: Ruby O. Fee als Bankangestellte, die in sich ähnlich viel Wut hat wie ihre Peiniger. Kathrin Angerer in der Rolle des Zufallsopfers, dessen nervöse Empfindsamkeit alles nur noch schlimmer macht.
Kuriose Ideen
Warum ist die Rechnung bei «Testo» also nicht aufgegangen? Weil noch so gute Darsteller nicht ohne dramaturgische Richtspur auskommen. Gangster brüllen herum, schüchtern Geiseln ein. Die Polizei versucht cool zu bleiben, der vom Leben zerbeulte Star-Ermittler (Ronald Zehrfeld) taucht auf, aus ähnlich hartem Holz geschnitten wie seine Gegenspieler. Das alles ist nicht abendfüllend, auch dann nicht, wenn man ein paar kuriose Ideen hineintupft wie jene, dass Geiselnehmer Familienangehörige und Sexarbeiterinnen heranzitieren als Teil ihres Forderungskatalogs. Nicht überall, wo exzentrischer Einfall draufsteht, ist auch Tarantino drin. Sonst, wie gesagt, Gebrüll und Entgleisung. Wer hier Authentizität sieht, verwechselt einen Mangel an inszenatorischer Durcharbeitung mit improvisatorischem Laisser-faire.
Von Kida Ramadan wünscht man sich in Zukunft eine unkonventionelle Rollenwahl. Einen Ermittler zum Beispiel. Einen Anwalt. Einen in die Klemme geratenen Arzt. Nur keinen brütenden Gangster-Babo mehr.