Emmanuel Macron entzieht Amelie Oudéa-Castéra das wichtige Bildungsdossier. Die Politikerin erholt sich nicht vom Skandal um die Schulwahl für ihre Kinder.
Amélie Oudéa-Castéra war nur vier Wochen lang Bildungsministerin. Am Freitag übergab sie das Ressort an die ehemalige Justizministerin Nicole Belloubet. Neben Belloubet hat Emmanuel Macron weitere zwanzig weitere Personen – insbesondere Staatssekretäre – in die Regierung berufen, womit das neue Kabinett nun komplett ist.
Das wichtige politische Dossier der Bildung wird schon zum vierten Mal seit Emmanuel Macrons Wiederwahl im Frühjahr 2022 in andere Hände gegeben. Während Oudéa-Castéras direkter Vorgänger Gabriel Attal zum Premierminister befördert worden war, wird der 45-Jährigen das Dossier nach mehreren ungeschickten Handlungen entzogen. Oudéa-Castera bleibt jedoch Sportministerin und als solche verantwortlich für die Olympischen Spiele, die im Sommer in Paris stattfinden.
Die öffentliche Schule ist nichts für ihre Kinder
Oudéa-Castéra sorgte mit unbedachten Äusserungen über die öffentliche Schule für eine Empörung, die sie bis zu ihrem Amtsende am Freitag begleitet hat. Dass sie ihre Kinder in Privatschulen eingeschrieben hat, erklärte Oudéa-Castéra damit, dass in der öffentlichen Schule ständig Unterrichtsstunden ausgefallen seien.
Die Lehrergewerkschaften liefen Sturm, denn sie beklagen den Stundenausfall aufgrund des akuten Lehrermangels im Land bereits seit Jahren. Die Aussagen der nunmehr ehemaligen Ministerin seien ein Affront. Später kursierte in den Medien auch der Verdacht, Oudéa-Castéra habe bezüglich der Gründe für den Schulwechsel ihres ältesten Sohnes gelogen. Der Sohn hätte auf Wunsch der Eltern eine Klasse überspringen sollen, die Schule lehnte das ab.
Doch damit nicht genug: Oudéa-Castéra und ihr Mann schicken den Ältesten auf das streng katholische Collège Stanislas. Die Privatschule ist bekannt dafür, die künftige Pariser Elite auszubilden. Im letzten Jahr sorgte das Collège allerdings wiederholt für Schlagzeilen. Es ging um Vorwürfe des sexuellen Übergriffs, der Homophobie im Unterricht und teilweise überstrenger Strafen für die Schüler bei Verstössen gegen die Schulregeln. Die Regierung gab eine Untersuchung in Auftrag. Die Ergebnisse in Form eines Berichts wurden nicht veröffentlicht, sickerten allerdings Mitte Januar an französische Medien durch.
Oudéa-Castéra wurde vorgeworfen, dass sie den Bericht absichtlich zurückgehalten habe, was diese vehement bestritt. Die Politikerin hatte dennoch sämtliche Glaubwürdigkeit verloren und ging in dem Skandal langsam unter. Emmanuel Macron war zum Handeln gezwungen. Ganz fallen lassen wollte er die Politikerin aber offenbar nicht. Macron und Oudéa-Castéra kennen sich vom Studium an der Eliteuniversität ENA, die die Spitzenbeamten des Landes ausbildet. Vor allem aber wäre ein Wechsel im Sportministerium so kurz vor der Ausrichtung der Olympischen Spiele, die von Ende Juli bis Mitte September in Paris stattfinden, äusserst schwierig gewesen.
Bei öffentlichen Auftritten betonte die ehemalige Tennisspielerin wiederholt, dass sie im Sport zu Hause sei. Das Bildungsdossier, das besonderen Stellenwert geniesst, übernahm die Politikerin neu. Die Schule wird in Frankreich als Grundpfeiler der Republik und ihrer Werte und als Schmiede der Bürger Frankreichs angesehen. Ihr angeblicher Zerfall ist ein vielbesprochenes Problem, und Gegenmassnahmen sind eine politische Priorität der Regierung. Der zuständige Minister steht daher unter besonderer Beobachtung.
Die neue Ministerin kennt das Bildungswesen
Als Nachfolge für Oudéa-Castéra hat Macron nun Nicole Belloubet bestimmt. Die 68-Jährige ist zwar ausgebildete Juristin und diente von 2017 bis 2020 als Justizministerin, sie kennt sich aber auch im Bildungswesen aus. So lehrte sie als Professorin für öffentliches Recht an der Universität Sorbonne in Paris und war von 1997 bis 2005 Rektorin der Schulbehörden in Limoges und Toulouse.
Ihr Abgang als Rektorin verlief geräuschvoll. Belloubet kündigte ihre Stelle, weil sie mit einem geplanten Stellenabbau im Schulverwaltungsbezirk nicht einverstanden war. In den folgenden Jahren äusserte sich die ehemalige Sozialistin wiederholt kritisch über Sparmassnahmen und schlechte Bezahlung im Bildungswesen. In einem Artikel für eine Fachzeitschrift, der 2016 erschien, prangerte Belloubet ausserdem die Tendenz zur Privatisierung des Schulwesens an.
Auch zu Schuluniformen äusserte sie sich skeptisch. Diese sind jedoch ein zentraler Bestandteil der Agenda von Premierminister Gabriel Attal und Präsident Macron. Sie werde Emmanuel Macron gegenüber loyal bleiben, sagte sie dazu gegenüber französischen Medien. Das bedeute aber nicht, dass sie alles gutheisse, was die Regierung tue.
Die Lehrergewerkschaften begrüssten die Ernennung der 68-Jährigen. Sie kritisieren zwar die vielen Wechsel an der Spitze des Bildungsministeriums, begrüssen allerdings, dass Belloubet im Gegensatz zu einigen ihrer Vorgänger nicht fachfremd sei. Das Bildungsministerium habe ausserdem wieder eine Vollzeit-Chefin. Oudéa-Castéra galt als Teilzeitkraft.