Kein Land ist für den Industrieriesen ABB wichtiger als Amerika. Doch wegen Deepseek könnte der Bedarf nach Datenzentren abkühlen. Und Trump stoppt Subventionen für die Energiewende.
Ohne die USA wäre ABB nur BB. Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Markt des Schweizer Industriekonzerns. Sie steuern allein fast einen Drittel zum Umsatz bei und sind sein verlässlichster Wachstumstreiber.
Da kommt es ungelegen, dass diese Dynamik plötzlich nicht mehr gesichert erscheint. Wenn gleichzeitig Donald Trump schwere Geschütze auffährt und China die Gesetze des KI-Booms infrage stellt, können stabile Ertragspfeiler wackeln.
Im Fokus steht die Nachfrage nach ABB-Produkten für die Energiewende und für den Bau von Datenzentren. Beides betrifft die mit Abstand grösste und am besten laufende Sparte von ABB: das Geschäft mit der Elektrifizierung. Dazu zählen Schalter, Transformatoren und Ausrüstung zum Strommanagement. Wenn die Welt immer elektrischer wird, braucht sie diese Sachen. Das gilt auch für die weltgrösste Volkswirtschaft.
Der Schub kommt aus den USA
Es geht um viel: Um 8 Prozent steigerte ABB im vergangenen Jahr den Umsatz in den USA, so viel wie nirgendwo sonst auf der Welt. Ohne diese knapp 9 Milliarden Dollar wären manche Rekordzahlen für 2024, die ABB am Donnerstag präsentierte, nicht zustande gekommen. Das schlecht laufende Europageschäft, das unter der darbenden Industrie leidet, hätte dann ein viel grösseres Gewicht. Insgesamt wuchs der Konzernumsatz nur leicht um 2 Prozent auf 32,9 Milliarden Dollar.
Hingegen vermag künstliche Intelligenz sogar die dröge Welt von Schaltern und Transformatoren zu elektrisieren. KI benötigt Rechenleistung, und in der westlichen Welt spielt sich der Hype um den Neubau von Datenzentren stark in den USA ab. Doch seit das chinesische Startup Deepseek vor wenigen Tagen für sich reklamiert hat, KI-Berechnungen mit weniger Aufwand anstellen zu können, steht die Branche kopf. Braucht es bald viel weniger Hardware?
Immerhin 15 Prozent aller Aufträge erhielt die Elektrifizierungssparte von ABB im vergangenen Jahr für die Ausrüstung von Datenzentren. 2023 waren es 12 Prozent, 2022 erst 8 Prozent gewesen. Deepseek habe für Unsicherheit im Markt gesorgt, räumt ABB-CEO Morten Wierod im Gespräch mit der Presse ein. Aber Kunden hätten ihm versichert, dass Investitionspläne für Rechenzentren nicht tangiert seien. Zumindest jene Pläne, die bereits beschlossen wurden.
Wie viele neue Rechenzentren braucht es noch?
Branchenweit dürften die Aufträge für 2025 schon in den Büchern stehen, heisst es auch in einer neuen Analyse der Grossbank UBS. Doch in den Folgejahren könnte sich das Wachstum reduzieren und von 2026 bis 2028 nicht mehr jährlich 10 bis 15 Prozent betragen, wie zuvor angenommen – sondern weniger als 10 Prozent. Schliesslich seien Anwendungen für generative KI für bis zur Hälfte des Bedarfs an neuen Rechenzentren verantwortlich.
ABB dürfte das spüren. Der Konzern erwirtschaftet laut UBS rund 7 Prozent seines Umsatzes mit Ausrüstung für Datenzentren. Das mache umgerechnet rund 2,2 Milliarden Euro aus – eine ähnliche Grössenordnung wie beim deutschen Konkurrenten Siemens. Noch stärker betroffen ist Schneider Electric. Die Franzosen bieten zusätzlich Ausrüstung für Serverräume an. Datenzentren steuern dort knapp 8 Milliarden Euro oder 21 Prozent zum Umsatz bei, so die UBS.
Das beunruhigt auch die Börse: Schneider-Aktien büssten am Montag und Dienstag nach den Deepseek-Neuigkeiten 16 Prozent an Wert ein. Valoren von ABB (–7 Prozent) und Siemens (–4 Prozent) kamen besser davon. Es war eine kalte Dusche nach einem langen Höhenflug der Aktien, der von der wachsenden Nachfrage nach Elektroausrüstung getrieben wurde. Denn die Modernisierung und der Ausbau der Strominfrastruktur waren schon ein grosses Thema, bevor KI in den Fokus der Öffentlichkeit rückte.
Trump will Bidens Subventionen stoppen
Das liegt am Megatrend der Energiewende, die auch in den USA vorangetrieben wurde. Doch direkt nach seiner Amtseinführung schränkte Donald Trump in der vergangenen Woche die Subventionierung von Projekten aus Joe Bidens Klimaagenda ein. Dessen «Green New Deal» ist dem neuen Präsidenten ein Dorn im Auge – er bezeichnete ihn als «Green New Scam». Nun hat Trump angeordnet, die Auszahlung von jenen Krediten aus Bidens «Inflation Reduction Act» (IRA) zu stoppen, die erneuerbare Energien fördern. Gleiches gilt für ähnlich geartete Infrastrukturprojekte.
Typisch für Trumps Anweisungen ist, dass grosse Verwirrung darüber herrscht, welche Summen betroffen sind. Eindeutig ins Visier genommen ist die Subventionierung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Hier stehen bis zu 6 Milliarden Dollar auf dem Spiel, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berechnete. Bei Programmen für saubere Energien sind laut Reuters noch 11 Milliarden Dollar nicht ausgezahlt.
Die «Financial Times» schreibt nach einer Analyse, dass es sogar um potenzielle Kredite des Energieministeriums im Umfang von rund 330 Milliarden Dollar gehen könnte. Die Behörden sollen alle Förderungen, die noch nicht ausgezahlt wurden, auf den Prüfstand stellen. Abgelehnt wird, was die Produktion und Nutzung fossiler Brennstoffe benachteiligt. Bauprojekte wie Brücke oder Strassen sind nicht betroffen.
Auch Erdgas strömt nicht ohne Strom
ABB-Chef Morten Wierod bleibt allerdings gelassen. Vertreter von Stromversorgern hätten ihm versichert, an ihren Investitionen festzuhalten, auch bei der Solarenergie. Das Verhältnis von Kosten zu Ertrag sei einfach zu attraktiv. Und bei Ladestationen ziehe die Nachfrage von grossen Unternehmenskunden an, so Wierod. Zum Beispiel von Detailhandelsketten, die ihren Kunden Ladeplätze vor den Geschäften bieten wollen.
Sogar Trumps Hinwendung zu fossilen Brennstoffen, insbesondere zu Erdgas, hat aus Sicht des CEO etwas Gutes. Auch bei Gaskraftwerken, Förderanlagen und Pipelines werde Elektrotechnik benötigt. Der seit August amtierende Chef ist nicht bereit, sich den Optimismus nehmen zu lassen. Die Aussichten für das USA-Geschäft seien positiv. Und an politische Unsicherheit, wie sie mit einem Präsidenten Trump daherkommt, habe man sich inzwischen gewöhnt.