Das Design des Helmes rief in der Öffentlichkeit Häme hervor. Doch dahinter steht die Frage nach der Zukunft des Radsports.
Seit Jahren tüfteln Radsportteams an ihrer Ausrüstung, reizen die Grenzen des Regelwerks des internationalen Radsportverbandes, der UCI, aus. Und für manche inzwischen auch die des guten Geschmacks.
«H. R. Giger muss diesen Helm gestaltet haben», schrieb ein Nutzer diese Woche in den sozialen Netzwerken. Er meinte damit den neuen Helm des Radsportteams Visma – Lease a Bike. Er spielte damit auf die Ähnlichkeit des Helmes mit den langgezogenen Köpfen von Gigers Aliens aus den Oscar-prämierten Filmen an.
Dieser Helm, der «Giro Aerohead 2.0», soll besonders aerodynamisch sein und hat deswegen eine aussergewöhnliche Form. Diese Woche kam er beim Zeitfahren am Etappenrennen Tirreno–Adriatico erstmals zum Einsatz. Seither mokieren sich zahlreiche Radsportfans.
Der «Aerohead 2.0» ist zum Spottobjekt, aber auch zum Symbol für eine wichtige Debatte im Radsport geworden. Denn hinter den Spässen im Internet steht eine ernste Frage: Soll sportliche Leistung oder Hightech-Ausrüstung im Zeitfahren über die nötigen Hundertstel zum Sieg entscheiden?
Von Darth Vader bis zu den Beatles
Für viele Radsportfans ist klar, dass ein Helm in erster Linie der Sicherheit der Fahrer und nicht ihrer Geschwindigkeit dienen sollte. So eiferten sie auf verschiedenen Plattformen um den besten Witz zum neuen Helm.
Ein Nutzer schrieb in Anlehnung an die Teamfarbe von Visma, die Beatles hätten diesen Helm bereits vor Jahrzehnten in ihrem Lied «Yellow Submarine» besungen. Andere erstellten Memes mit Darth Vader oder der 1990er-Jahre-Komödie «Coneheads». Zu Deutsch: Kegelköpfe.
Ein Nutzer trieb das Ganze auf die Spitze und verglich den Helm mit einem Phallus.
Am Dienstag veröffentlichte die UCI eine Erklärung. Sie verzichtet darin auf Spott, doch sie geht in eine ähnliche Richtung wie die Reaktionen im Internet.
Die UCI schrieb: Die Ausrüstung müsse aus Komponenten bestehen, die ausschliesslich der Bekleidung oder der Sicherheit dienten. Profiteams würden für die Ausrüstung «immer radikalere Designs» entwickeln. In der Erklärung wird deutlich: Der «Aerohead 2.0» ist kein Einzelfall. Auch andere Teams verwenden immer ausgefallenere Helme.
Ein Beispiel dafür ist der Helm des amerikanischen Ausrüsters Specialized. Sein offizieller Name lautet «TT5». Besser bekannt ist er als der Helm mit der «Kopfsocke». Die «Kopfsocke» ist quasi eine Sturmhaube, die den Luftwiderstand im Gesicht der Fahrer verringern soll. Doch damit macht die UCI nun Schluss.
Ab dem 2. April ist der «TT5» nur noch ohne Kopfsocke zugelassen, da sie laut der UCI ein «nicht wesentliches Bauteil» des Helmes ist.
Anders im Fall des «Aerohead 2.0» von Visma. Die UCI schrieb in der Erklärung, der Helm verstosse «nicht direkt» gegen die bestehenden Regelungen. Er bleibt also zugelassen. Zumindest vorerst.
Sind Hightech-Helme eine Wettbewerbsverzerrung?
Hinter dem skurrilen Design des neuen Helmes steht eine praktische Überlegung. Weil die Halterungen für die Arme nach dem neuen Regelwerk im Zeitfahren höher montiert werden können, rücken sie näher zum Kopf der Fahrer. Die extravagante Form des Helmes soll die Lücke zwischen Kopf und Armen der Fahrer schliessen und den Luftwiderstand verringern. Im besten Fall verschafft der neue Helm seinen Trägern so die entscheidenden Sekunden.
Es steht der Vorwurf im Raum, dass Teams mit hohen Budgets wie Visma mit derartigen Hightech-Produkten einen Wettbewerbsvorteil erhielten.
Die UCI geht darauf ein und prüft nun, ob die bestehenden Regeln für das Design und die Verwendung der Helme im Zeitfahren ausreichen.
Das Team Visma befürchtet, der «Aerohead 2.0» könnte verboten werden, und fühlt sich ungerecht behandelt. Jeder Helm, den ein Radteam bei den grossen Wettbewerben verwendet, muss zuerst von der UCI geprüft werden. Die Argumentation von Visma ist simpel: Wenn die UCI ein Problem mit dem Design hat, hätte sie das vor der Genehmigung sagen müssen.
Doch es scheint, als ob die UCI sich der Vox populi in den sozialen Netzwerken annähere. Deren Tenor lautet: Die sportliche Leistung und nicht der Einfallsreichtum von Ingenieuren im Windkanal soll Etappen entscheiden.