Lara Gut-Behrami und Marco Odermatt absolvieren derzeit beide die beste Saison ihres Lebens. Doch wie gut sind sie im Vergleich mit den herausragenden Figuren der Skigeschichte?
Skirennsport ist ein einsamer Kampf gegen die Piste und die Uhr, kein Rennen ist mit dem anderen vergleichbar. Trotzdem reizen uns Vergleiche über Raum und Zeit hinweg. Wer ist die Beste in der Geschichte des Skisports? Wie gut sind Lara Gut-Behrami und Marco Odermatt gemessen an früheren Heldinnen und Helden? Wer hat die längste Siegesserie geschafft? Ein Blick in das Handbuch der Skistatistik.
Lara Gut-Behrami, die Älteste
Die Tessinerin wird fast 33-jährig sein, wenn sie Ende März die grosse Kristallkugel für den Triumph im Gesamtweltcup entgegennimmt. Sie bricht damit den Altersrekord der Frauen, steht aber auch für eine aussergewöhnlich lange Karriere. Erstmals im Weltcup auf dem Podest stand Gut-Behrami vor mehr als 16 Jahren, den ersten Sieg feierte sie 2008. Von den Athletinnen, die damals mit ihr am Start standen, ist heute keine einzige mehr aktiv.
Eine extrem kurze Karriere hatte die Österreicherin Petra Kronberger. Im Dezember 1989 siegte sie als 19-Jährige erstmals, und am Ende jenes Winters gewann sie gleich den Gesamtweltcup. Im Winter darauf wurde sie zur ersten Athletin, die in allen fünf Disziplinen triumphierte. In drei Saisons gewann sie dreimal den Gesamtweltcup, wurde Olympiasiegerin und Weltmeisterin. Im Dezember 1992, mitten im Winter also, sagte sie, es fehle ihre die Motivation. Da war sie erst 23-jährig – und trat zurück.
Ingemar Stenmark, Seriensieger
Der Schwede gewann in den 1970er und 1980er Jahren derart oft, dass man dachte, seine Rekorde wären für die Ewigkeit. Doch dann kamen andere Wunderkinder. Marco Odermatt ist gerade dabei, eine Bestleistung von Ingemar Stenmark anzugreifen: 14 Siege in Folge im Riesenslalom. Odermatt steht derzeit bei 12, und weil das Rennen von Kranjska Gora abgesagt wurde, kann er den Rekord erst im kommenden Winter egalisieren.
Stenmark war ein reiner Techniker, seine 86 Siege resultierten alle aus Riesenslaloms (46) und Slaloms (40). Dass er den Gesamtweltcup nur dreimal gewann, hängt damit zusammen, dass zu seiner Zeit nur die besten drei Resultate pro Disziplin für die Gesamtwertung zählten. 1978/79 gewann er zum Beispiel 13 Rennen, konnte sich dafür aber nur 150 Punkte gutschreiben lassen und beendete den Winter im 5. Rang.
Marco Odermatt, Dominator
In einer Hinsicht hat Odermatt bereits mit Stenmark gleichgezogen: Er schaffte in der Saison 2022/23 ebenfalls 13 Siege, hat diese Marke nun bereits wieder erreicht und kann sein Total bis Ende Saison noch auf 16 erhöhen. Der Nidwaldner zählt mit 26 Jahren bereits zu den herausragenden Figuren des alpinen Skirennsports. Mit 2042 Punkten hält er den Rekord der Männer, den er bis Ende Winter noch auf 2302 Punkte verbessern kann.
Das hängt vor allem mit Odermatts fast unglaublicher Konstanz auf höchstem Niveau zusammen. In diesem Winter startete er bisher zu 23 Rennen und beendete 20 davon mit einem Podestplatz. Das entspricht einer Erfolgsquote von 87 Prozent. 57 Prozent der Rennen (13) gewann er. In allen drei Disziplinen, die er bestreitet, ist er derzeit die Nummer 1 der Welt.
Tina Maze, Perpetuum mobile
Den absoluten Rekord als Punktesammlerin hält Tina Maze, die 2012/13 auf ein Total von 2414 Zählern kam. Die Slowenin bestritt sämtliche Disziplinen und in jener Saison insgesamt 35 Rennen. Dabei erreichte sie 11 Siege und total 24 Podestplätze.
Mit zunehmender Dauer der Saison wirkte Maze wie eine angeschlagene Boxerin, sass nach ihren Läufen jeweils bleich im Schnee und konnte kaum die Hand zur Geste des Triumphs recken. Doch dann stand sie wieder auf und machte sich für das nächste Topresultat bereit. Zwischendurch wurde sie noch schnell Weltmeisterin im Super-G. Kürzlich sagte sie in einem Interview mit der NZZ, es wäre damals noch mehr dringelegen, schliesslich seien einige Rennen ausgefallen.
Maze glaubt nicht, dass ihr Rekord für die Ewigkeit ist. Eine, die ihn überbieten könnte, ist Mikaela Shiffrin. Die Amerikanerin steht bereits in einigen Statistiken an der Spitze. So hat sie im Weltcup bisher 95 Siege errungen und damit den vermeintlich unantastbaren Stenmark deklassiert. Im Winter 2018/19 gelangen ihr 17 Siege. Sie fuhr damals 26 Rennen und beendete 21 davon auf dem Podest.
Johan Clarey, Raser
Wäre er mit dem Auto unterwegs gewesen, hätte er den Führerschein abgeben müssen. Am 19. Januar 2013 wurde der Franzose in Wengen mit 161,9 Kilometern pro Stunde geblitzt. Das ist die höchste je im Ski-Weltcup gemessene Geschwindigkeit. Der Haneggschuss am Lauberhorn wurde inzwischen modifiziert und mit einem Sprung versehen, so dass Clareys Rekord kaum je gebrochen werden dürfte.
Die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit erreichte der Österreicher Armin Assinger 1993 in Sierra Nevada mit 112,37 Kilometern pro Stunde. Die Strecke war quasi eine Autobahn, auf der die Athleten von oben bis unten in der Hocke blieben. Heute sind die technischen Anforderungen in Abfahrten deutlich höher und die Durchschnittstempi tiefer.
Dass es ganz ohne Kurven noch viel schneller geht, beweisen die Athletinnen und Athleten im Speed-Skifahren. Den Weltrekord hält der Franzose Simon Billy mit 255,500 Kilometern pro Stunde. Schnellste Frau der Welt ist eine Italienerin, Valentina Greggio, mit 247,083 Kilometern pro Stunde.
Franz Klammer, Überflieger
Der Österreicher ist der beste Abfahrer in der Geschichte des Weltcups. Er gewann insgesamt 25 Rennen in seiner Spezialdisziplin und blieb im Winter 1974/75 ungeschlagen. Seine Überlegenheit spiegelt sich auch im Vorsprung, den er 1975 am Lauberhorn herausfuhr: 3,54 Sekunden. Das ist die grösste Marge, die jemals gemessen wurde.
Klammer gewann auch als bisher einziger Athlet fünfmal die Disziplinenwertung in der Abfahrt. Zwei Schweizer kamen ihm am nächsten: Didier Cuche und Beat Feuz mit je vier kleinen Kugeln in der Königsdisziplin. Zum Trost entriss ihm Cuche 2012 mit seinem fünften Triumph auf der Streif den Rekord der meisten Abfahrtssiege im österreichischen Ski-Mekka Kitzbühel.
Österreich, Nummer 1
Das Duell der Nachbarländer Schweiz und Österreich belebt den Skizirkus seit Jahrzehnten, wobei in den meisten Statistiken die Österreicher vorne liegen. Sie errangen bei den Frauen wie bei den Männern am häufigsten den Sieg im Gesamtweltcup, je 17-mal. Und sie gewannen deutlich mehr Rennen: 860:566.
Erdrückend war die Überlegenheit um die Jahrtausendwende, als eine rot-weiss-rote Lawine alles platt walzte. Sinnbildlich dafür steht der Super-G der Männer vom 21. Dezember 1998 in Innsbruck. Er wurde am Patscherkofel ausgetragen, in einem Skigebiet, das Peter Schröcksnadel gehörte, dem allmächtigen Präsidenten des österreichischen Verbandes. Die Österreicher belegten die Ränge 1 bis 9. Gut eine Woche später dominierten sie die Abfahrt in Bormio mit den Rängen 1 bis 6.
Sieger beider Rennen war die Galionsfigur jener grossen österreichischen Generation: Hermann Maier. Die Schweizer Speed-Fahrer waren damals nur Statisten und holten wenig später den Altstar Pirmin Zurbriggen als Mentor für die Ski-WM in Vail. Er konnte nichts bewirken.
Didier Cuche, Methusalem
Der Neuenburger war 1999 Teil des blamierten Speed-Teams, ein Jahr zuvor hatte er an den Olympischen Spielen in Nagano noch Silber gewonnen. Cuche war damals eine Zukunftshoffnung mit einigen schönen Erfolgen, doch wirklich überragend wurde er erst in der zweiten Hälfte der Karriere.
Mit 32 gewann er 2007 erstmals eine Kristallkugel, in der Königsdisziplin Abfahrt. Bis zum Ende der Karriere 2012 liess er sich insgesamt sechs solche Trophäen überreichen, vier in der Abfahrt, je eine in Super-G und Riesenslalom. Cuche ist bis heute der älteste Athlet, der je im Weltcup siegte, 2012 mit 37 Jahren und 192 Tagen. Er schraubte den Rekord mehrfach nach oben, in den Top 20 der ältesten Sieger taucht 12-mal sein Name auf. Der älteste Mensch, der je im Weltcup auf dem Podest stand, war Johan Clarey mit 42 Jahren und 13 Tagen. Ausgerechnet in Kitzbühel, auf der brutalsten Abfahrtspiste der Welt.
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