Eine riesige Metallkuppel, ein basilikaartiges Atrium oder eine Fassade ganz aus Glas: Es gibt Museen, die selbst Kunstwerke sind.
Ende 2021 wurde der private Ausstellungstempel von François Pinault im angesagten Pariser Hallenviertel eröffnet. Die Bourse de Commerce bespielt eine Getreidehalle aus dem 18. Jahrhundert und zeugt von fünf Jahrhunderten Geschichte und zahlreichen Metamorphosen. An ihrer Südfassade sind noch Reste des Palastes von Katharina von Medici zu sehen, der nach seiner Zerstörung in eine Getreidehalle umgewandelt wurde. Diese fiel schon damals durch ihre revolutionäre runde Form auf und wird seit 1812 von einer prächtigen Metallkuppel gekrönt – der ersten dieser Grösse weltweit.
Von 2017 bis 2021 wird der ikonische Rundbau durch den japanischen Stararchitekten Tadao Ando zu neuem Leben erweckt. Er entschied sich für einen Kreis im Kreis: Ein klarer, eleganter Betonzylinder verbindet alle Ausstellungsräume, organisiert die Besucherströme, bildet einen zentralen Ausstellungsraum und schafft von seinen Podesten und der Promenade aus eine Vielzahl neuer Blickwinkel auf ein Monument, das es zu entdecken oder wiederzuentdecken gilt.
Die Ausstellung «Corps et âmes», die am 5. März eröffnet wird, untersucht anhand von rund 100 Werken aus der Sammlung Pinault die Darstellung des Körpers in der zeitgenössischen Kunst. Von Auguste Rodin bis Duane Hanson, von Georg Baselitz bis Ana Mendieta, von David Hammons bis Marlene Dumas, von Arthur Jafa bis Ali Cherri erforschen rund vierzig Künstler in Malerei, Skulptur, Fotografie, Video und Zeichnung die Beziehungen zwischen Körper und Geist.
Doch ganz gleich, was gezeigt wird: Das Museum mit seiner 40 Meter hohen Kuppel, dem gigantischen Deckengemälde und den höchst lebendig wirkenden ausgestopften Tauben, die der italienische Objekt- und Installationskünstler Maurizio Cattelan auf die Balustrade direkt unter der Glaskuppel des Rundbaus gesetzt hat, ist eine Augenweide.
Bourse de Commerce – Pinault Collection, 2 Rue de Viarmes, 75001 Paris, Frankreich
Basel gilt als Architekturhauptstadt der Schweiz. Nirgendwo sonst reihen sich so viele Bauten weltberühmter Architekten aneinander, eingebettet in eine historisch gewachsene, jahrhundertealte Bausubstanz. Dazu gehören auch einige Museen, wie das 1936 vom deutschen Baumeister Paul Bonatz ganz im Stil der konservativen Moderne eröffnete Kunstmuseum oder die von Renzo Piano entworfene Fondation Beyeler in Riehen vor den Toren der Stadt.
Am spannendsten aber dürfte das direkt am Rhein errichtete Museum Tinguely sein, das vom Tessiner Architekten Mario Botta wie eine Festung an der verkehrsreichen Autobahn und an den Bahngleisen im Osten entworfen wurde und 1996 Eröffnung feierte. Hinter seiner Wärme ausstrahlenden Fassade aus rötlichen Steinplatten verbirgt sich die grösste Werksammlung von Jean Tinguely, einem der innovativsten und bedeutendsten Schweizer Künstler des 20. Jahrhunderts. Mario Botta hat ihm einen ungewöhnlichen Spielraum geschaffen: Allein in der riesigen zentralen Halle finden rund 20 von Tinguelys ikonischen Maschinenskulpturen Platz.
Eine architektonische Besonderheit stellt die dem Fluss zugewandte Seite des Gebäudes dar: Es handelt sich um einen verglasten, langgestreckten, erhöhten Baukörper, der das Erdgeschoss mit der Galerie im ersten Obergeschoss verbindet und einen grandiosen Blick auf den Rhein, den Uferstrand und die Kreuzung der Verkehrswege zu Wasser und zu Land bietet. Die sogenannte Barca prägt das Gebäude ebenso wie die für Botta typischen Rundungen, die Treppenhäuser und die grosszügige, hohe Fensterfront.
Die Sammlung umfasst Werke aus allen Schaffensphasen von Jean Tinguely. Zusammen mit temporären Leihgaben ermöglichen sie einen umfassenden Überblick über das Schaffen des Künstlers in einem Rahmen, der so verspielt und künstlerisch ist wie Tinguelys Werk selbst.
Museum Tinguely, Paul-Sacher-Anlage 2, 4002 Basel
Die grösste Stadt des Baskenlandes war von hässlichen Werften geprägt, das Hafenviertel Abandoibarra galt als unattraktive industrielle Lunge der Stadt, Bilbao selbst als graue Industriemetropole. Dann kam 1997 das Guggenheim-Museum und machte Bilbao schlagartig zu einem Kulturzentrum. Der Guggenheim-Effekt beschert der knapp 350 000 Einwohner zählenden Stadt inzwischen weit über eine Million Besucher pro Jahr, die den von Frank Gehry erbauten Kunsttempel sowie die davor und darin ausgestellten Kunstwerke sehen wollen.
Das Museum steht am Westufer des Flusses Nervión und gilt als Meisterwerk des Dekonstruktivismus – obwohl sich Gehry selbst gar nicht als dekonstruktivistischer Architekt betrachtet. Doch das charakteristische Erscheinungsbild des glänzenden Gebäudes mit seiner fragmentierten Anordnung nicht geradliniger Volumen wurde sofort zum Symbol dieser Bewegung.
Jedenfalls war die komplexe und kühne Architektur des Gebäudes damals sehr ungewöhnlich für eine grosse, öffentlich finanzierte Kultureinrichtung. Ihr Zauber beruht auf der für Gehry so typischen geschwungenen, wie leicht skizzierten Architektur und der Aussenhülle aus schimmernden Titanplatten. Vom Fluss aus betrachtet, wirkt das Museum wie ein riesiges Schiff im Hafen, während die silbrigen Platten, aus denen die Konstruktion besteht, an die Schuppen eines sich windenden Fisches erinnern.
Die Sammlung des Museums umfasst die Bestände der Solomon R. Guggenheim Foundation, die bedeutende Werke der amerikanischen und europäischen Avantgarde enthält, darunter Hauptwerke von Pop-Art, Minimal Art, Arte povera, Konzeptkunst und des abstrakten Expressionismus. Noch bis zum 16. März sind Videos, Fotografien, Skulpturen und Installationen des Hawaiianers Paul Pfeiffer zu sehen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie Bilder unsere Wahrnehmung und Erfahrung prägen.
Museo Guggenheim, Abandoibarra Etorb., 2, Abando, 48009 Bilbao, Spanien
Ein weiteres prominentes Beispiel des Dekonstruktivismus ist der 2001 eröffnete Erweiterungsbau des Jüdischen Museums in Berlin von Daniel Libeskind. Die Zickzackform des aus Titanzink errichteten Gebäudes schafft bewusst verstörende Räume, die laut Libeskind von der «Auslöschung und Leere» des jüdischen Lebens in Berlin nach dem Holocaust geprägt sind.
Die unruhig wirkenden Linien, unterirdischen Achsen, schrägen Wände und unklimatisierten Betonschächte sollen nicht nur als Hülle für ein Museum dienen, sondern selbst deutsch-jüdische Geschichte erzählen. Tatsächlich besuchten bereits vor der Eröffnung des Museums im Herbst 2001 rund 350 000 Menschen das einzigartige Bauwerk, das bis heute zahlreiche Besucher aus dem In- und Ausland fasziniert. Es lässt viele Interpretationen zu: Die einen erinnert es an einen zerbrochenen Davidstern, die anderen an einen Blitz, bei vielen hinterlässt es ein Gefühl der Unsicherheit oder Orientierungslosigkeit. Dies gilt insbesondere für den sogenannten Holocaust-Turm – ein frei stehendes Gebäudefragment, das unterirdisch mit dem Libeskind-Bau verbunden ist und nur durch einen schmalen Schlitz im Betonschacht Tageslicht erhält.
Auf über 3500 Quadratmetern bietet die Dauerausstellung des Jüdischen Museums facettenreiche, vielstimmige und interaktive Einblicke in die jüdische Geschichte und Kultur in Deutschland sowie thematische Schwerpunkte: Was ist heilig im Judentum? Was passiert am Sabbat? Wie klingt das Judentum? Dazu gibt es wechselnde Ausstellungen wie jetzt gerade «Zugang zu Kafka»: 100 Jahre nach Franz Kafkas Tod öffnet das Jüdische Museum Berlin neue Türen zu seinem Werk. Manuskripte und Zeichnungen aus Franz Kafkas Nachlass treffen auf zeitgenössische Kunst, etwa von Maria Eichhorn, Martin Kippenberger, Maria Lassnig oder Hito Steyerl. Bis 4. Mai.
Jüdisches Museum, Lindenstrasse 9–14, 10969 Berlin, Deutschland
Nach fünfjähriger Bauzeit wurde vor knapp zwei Jahren das von Renzo Piano entworfene Istanbul Modern eröffnet, das das alte Museum in einem ehemaligen Zolllager der Regierung am Bosporusufer ersetzt. Durch das visionäre Design des italienischen Stararchitekten erhielt es eine neue Identität und entwickelte sich schnell zu einem Wahrzeichen der Stadt und zu einem Fixpunkt der internationalen Kunstszene.
Die zeitgenössische Architektur mit grossen Fensterfronten und viel strahlendem Weiss fügt sich überraschend harmonisch zwischen die historischen Gebäude aus osmanischer Zeit in einem der faszinierendsten Viertel der Stadt, genau dort, wo der Bosporus und das Goldene Horn zusammentreffen. Der Entwurf von Renzo Piano erinnert an einen Schiffsrumpf mit einer schuppigen, aber glitzernden Fassade: Dreidimensionale Metallpaneele spielen mit dem Licht auf der Wasseroberfläche und verleihen dem Gebäude ein je nach Sonnenstand wechselndes Erscheinungsbild.
Im weitgehend transparenten Erdgeschoss befindet sich die Museumsbibliothek mit Shop und Café. Von hier aus führt eine zentrale Treppe zu den wechselnden Ausstellungsbereichen in den Obergeschossen sowie zum Restaurant mit weitläufigem Aussenbereich und beeindruckender Dachterrasse mit 360-Grad-Rundblick über Istanbul und Umgebung.
Die Sammlung des Museums umfasst Werke von 1945 bis zur Gegenwart und veranschaulicht den internationalen Einfluss auf die türkische Kunstwelt. Bis zum 9. Februar ist eine beeindruckende Ausstellung von Olafur Eliasson zu sehen, bis Ende Mai läuft eine Werkschau des Istanbuler Fotografen Izzet Keribar.
Istanbul Modern, Kilicali Pasa, Tophane Iskele Cd. No:1/1, 34433 Beyoglu/Istanbul, Türkei
Alle Wege führen nach Rom, so das bekannte Sprichwort. Es gibt aber auch viele ganz besondere Gründe, die Ewige Stadt zu besuchen. Einer davon ist das Museum MAXXI, ein ebenso grosses wie grossartiges architektonisches Werk von Zaha Hadid, die der Stadt der Antike einen einzigartigen Tempel für zeitgenössische Kunst beschert hat.
Das Museo Nazionale delle Arti del XXI Secolo, kurz MAXXI, das im Mai 2010 nördlich der Piazza del Popolo im bürgerlichen Stadtteil Flaminio eröffnet wurde, bringt ungewohnt innovative und fliessende Formen in die von Tempeln, Theatern und Thermen geprägte Stadt. Tatsächlich steht der avantgardistische MAXXI-Komplex mit seinen geschwungenen Wänden, ineinander- und übereinandergeschobenen Betonbahnen, verschachtelten Ebenen, Durchblicken und hohen Glasflächen wie ein Bauwerk von einem anderen Stern auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne zwischen eleganten Mietshäusern aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Ist der Komplex von aussen kühl und verschlossen, öffnet sich im Inneren ein helles Foyer mit einer Treppe, deren schwarzes Geländer sich wie eine Schlange nach oben windet. Von jedem Punkt aus ergeben sich andere Perspektiven, andere Windungen, andere Auf- und Abgänge. Sich zu orientieren, ist schwierig, fast unmöglich. Aber das macht nichts. Man geht durch die Räume, vorbei an über 300 Werken zeitgenössischer Kunst, darunter Arbeiten von Anish Kapoor, Mario Merz und Gerhard Richter. Dazu beherbergt das Museum das erste Architekturmuseum Italiens mit den Archiven von Carlo Scarpa, Aldo Rossi, Pierluigi Nervi und vielen anderen zeitgenössischen Architekten.
Regelmässig finden Sonderausstellungen statt, derzeit unter anderem die Couture-Ausstellung Memorabile Ipermoda, eine Genussreise zum 60. Geburtstag von Nutella, und die Architekturausstellung Architettura instabile – Diller Scofidio + Renfro.
MAXXI – Museo Nazionale delle Arti del XXI Secolo, Via Guido Reni, 4a, 00196 Roma RM, Italien
«Das Kunsthaus steht im Licht des Bodensees. Sein Körper ist aus Glasplatten, Stahl und einer Steinmasse aus gegossenem Beton gebaut, die im Innern des Hauses Struktur und Raum bildet. Von aussen betrachtet wirkt das Gebäude wie ein Leuchtkörper. Es nimmt das wechselnde Licht des Himmels, das Dunstlicht des Sees in sich auf, strahlt Licht und Farbe zurück und lässt, je nach Blickwinkel, Tageszeit und Witterung etwas von seinem Innenleben erahnen» – so beschreibt Peter Zumthor seinen Entwurf für das 1997 eröffnete Kunsthaus. Bereits ein Jahr später erhielt der Schweizer Architekt und Pritzker-Preis-Träger für das Kunsthaus Bregenz den Mies van der Rohe Award for European Architecture. Damit zählt das KUB zu den weltweit bedeutendsten Museumsbauten zeitgenössischer Architektur.
Ein besonderer Blickfang ist natürlich die Glasfassade des Kunsthauses, die dem massigen Baukörper eine überraschende Leichtigkeit verleiht. Sie besteht aus 712 geätzten Glasscheiben und ist nicht nur wesentlicher Bestandteil der Lichtführung, sondern fungiert auch als Wetterhaut, die das wechselnde Tageslicht aufnimmt und gefiltert weiterleitet. Die Fassade ist selbsttragend und statisch unabhängig vom eigentlichen Gebäude. Sie umhüllt den frei stehenden Betonbau wie eine doppelte Hülle. Zwischen Aussen- und Innenverglasung befindet sich ein begehbarer Raum, der die Wartung der Fassade ermöglicht und mit Scheinwerfern ausgestattet ist, die das Kunsthaus nachts beleuchten.
Inzwischen ist das KUB längst zu einem Wahrzeichen von Bregenz geworden, ständig wechselnde Ausstellungen herausragender zeitgenössischer Kunst ziehen Besucher aus aller Welt an. Aber auch Künstlerinnen und Künstler lieben das Museum mit seiner einzigartigen Architektur und der Möglichkeit, ein ganzes Haus mit eigens geschaffenen Werken zu bespielen. Ab 1. Februar zeigt der nigerianische Künstler Precious Okoyomon seine Arbeiten, die sich scheinbar mühelos zwischen Kunst, Poesie und Performance bewegen.
Kunsthaus Bregenz, Karl-Tizian-Platz, 6900 Bregenz, Österreich
Eine Altstadt mit weiss getünchten Holzhäusern, ein Hafen, ein Fischmarkt und Strände – die Insel Odderöya, die vor dem Städtchen Kristiansand im südnorwegischen Schärengarten schwimmt, hat einen schillernden Neuzugang zu bieten: das Kunstsilo, untergebracht in einem 1935 erbauten Getreidesilo, das sich von einem baufälligen Schandfleck zu einem der innovativsten Kunstzentren entwickelt hat und eine der weltweit grössten Sammlungen nordischer Moderne beherbergt. Interessanterweise stammt das Industriegebäude im Stil des nordischen Funktionalismus etwa aus der gleichen Zeit wie die Kunst, die hier ausgestellt wird.
Drei Designstudios (Mestres Wage mit Büros in Oslo und Barcelona sowie BAX und Mendoza Partida aus Barcelona) haben das hoch aufragende Gebäude so umgebaut, dass die ursprüngliche Architektur von 1935 erhalten blieb. Das Innere des 37 Meter hohen Gebäudes wurde ausgehöhlt, um ein basilikaartiges Atrium zu schaffen, das sich bis in eine Höhe von 21 Metern erstreckt.
Um das Atrium herum befinden sich 25 Galerien auf drei Etagen und 3300 Quadratmetern, in denen Werke von mehr als 300 Künstlern aus Finnland, Dänemark, Island, Schweden und Norwegen aus den Jahren 1910 bis 1990 zu sehen sind. Aufgrund der unterschiedlichen Proportionen, Strukturen und Materialien – einige Böden sind aus Eichenholz, andere aus Beton – gleicht keine der Galerien der anderen, doch eint sie eine reduzierte Ästhetik, die die Architekten als «neutrale Architektur» bezeichnen und die darauf abzielt, die Kunstwerke in den Mittelpunkt zu stellen.
Das Herzstück des Museums, die Tangen-Sammlung, umfasst mehr als 5000 nordische Werke, die von dem in Kristiansand geborenen Nicolai Tangen gestiftet wurden. Darüber hinaus bietet das Museum digitale Erlebnisse, Konzerte, Workshops und eine stilvolle Panoramabar auf dem Dach mit weitem Blick über die Fjorde. Von einem gläsernen Raum ganz oben kann man Kristiansand überblicken, und nachts wird das Museum selbst zu einem wunderschönen Leuchtturm.
Kunstsilo, Sjölystveien 8, 4610 Kristiansand, Norwegen