Das Asset Management der Traditionsbank zeigt ein desolates Bild. Hinzu kommen Hinweise, dass auch Vontobel mit dem österreichischen Immobilienunternehmer René Benko geschäftet hat.
Der schlechte Lauf der Zürcher Traditionsbank Vontobel geht weiter. Die Bank hat 2023 die bereits tiefen Erwartungen der Finanzmärkte nicht erfüllen können und schwächelt bei fast allen wichtigen Kennzahlen. Der Gewinn nach Steuern geht auf 214 Millionen Franken zurück und liegt weit hinter dem Rekordjahr 2021 zurück (386 Millionen).
Die Anleger haben am Donnerstag enttäuscht auf die Jahreszahlen der Bank reagiert: Die Vontobel-Aktien haben in den ersten Handelsstunden rasch über 3 Prozent an Wert verloren.
Sparen, sparen und nochmals sparen
Die Bankspitze – seit kurzem gebildet vom Chefduo Christel Rendu de Lint und Georg Schubiger – reagiert scharf. Vontobel kündigt an, in den nächsten drei Jahren 100 Millionen Franken einzusparen. Das entspricht einem Zehntel der Gesamtkosten der Bank. Da die Mehrheit der Kosten im Bankgeschäft auf das Personal entfällt, dürfte grob geschätzt auch ein Zehntel der Belegschaft betroffen sein. Gegenwärtig beschäftigt Vontobel, auf Vollzeitbasis gerechnet, 2275 Personen.
Genaueres dazu, wie viele Jobs Vontobel abbauen wird und welche Bereiche bluten müssen, soll im späteren Verlauf des Jahres folgen. Der Finanzchef Thomas Heinzl deutet einzig an, dass Backoffice-Funktionen anteilsmässig stärker beitragen müssen als die Kundenberater. Man gehe zudem davon aus, dass ein Grossteil der Stellenstreichungen über natürliche Fluktuation erreicht werde. Sprich: Pensionierungen und freiwillige Abgänge, die nicht ersetzt werden.
Besonders schmerzen dürfte die Sparübung, weil Vontobel in den meisten Bereichen bereits 2023 die Kosten gesenkt hat.
Der einbeinige Stuhl
Das Malaise der Bank liegt im Kerngeschäft. Vontobel ruht traditionell auf zwei Pfeilern – einer davon ist in den letzten zwei Jahren aber sehr schwach geworden. (Ein kleineres drittes Geschäftsfeld, das digitale Dienstleistungen für Privatkunden umfasste, hat 2023 ebenfalls schlecht abgeschnitten und wird nun aufgelöst und auf die anderen Sparten verteilt.)
Der erste Pfeiler, auf dem das Gewicht der Bank zusehends lastet, ist das Geschäft mit vermögenden Privatkunden. Es hielt sich gut. Wie bei anderen Banken sprudelten die Zinseinnahmen; Vontobel hat zudem viele neue Kundenberater eingestellt, die in den kommenden Monaten mehr und mehr Gelder zur Bank holen dürften.
Dagegen befindet sich der zweite Pfeiler in einer Krise. Das Asset Management, also das Geschäft mit Profikunden wie Pensionskassen und anderen Banken, verzeichnet schon zum zweiten Jahr in Folge einbrechende Erträge: 2021 waren es noch 594 Millionen Franken, 2022 deren 457 Millionen. Jetzt ist die Sparte bei noch 384 Millionen angelangt.
Die Erklärungen der Vontobel-Spitze, weshalb die einstige Paradedisziplin schwächelt, wiederholen sich. Die Co-CEO Christel Rendu de Lint, die parallel die Verantwortung für das Asset Management trägt, spricht davon, dass die institutionellen Kunden 2023 weiterhin an der Seitenlinie standen. Das heisst: Sie investierten ihr Geld in günstige passive Indexfonds oder in Geldmarktfonds statt in die höherpreisigen, aktiv verwalteten Produkte von Vontobel. Insbesondere von Anlagen in Schwellenländern hielten sich die Kunden fern – genau in diesem Segment ist Vontobel traditionell stark gewesen.
Die Schwäche im Asset Management ist nicht allein die Schuld der Vontobel-Führung. Es ist von zahlreichen aktiven Asset-Managern zu vernehmen, dass 2023, wie schon 2022, ein schwieriges Jahr gewesen sei.
Immerhin sollen die Kunden gegen Jahresende generell wieder mutiger geworden sein, weil sie von den hohen Zinsen profitieren wollen und auf baldige Zinssenkungen, besonders in den USA, hoffen. Und es gibt Kundengruppen, die sehr viel Geld auf der Seite haben, das sie rasch anlegen können. Die Wende zum Guten könnte also sehr schnell erfolgen. Vontobel rechnet damit, dass allen voran ihre festverzinslichen Produkte 2024 besser laufen werden.
Zukauf im Bereich Privatanlagen
Offen bleibt dennoch die schon lange gärende Frage, ob Vontobel für die neue Anlagewelt grundsätzlich richtig aufgestellt ist. Können die aktiv betreuten Produkte, auf die sich die Bank spezialisiert, wieder so profitabel werden, wie sie es bis 2021 waren? Die passiven Fonds verschwinden nicht, und Investitionen in öffentlich gehandelte Unternehmen erhalten von Privatmarktanlagen Konkurrenz.
Das Asset Management von Vontobel hat jedenfalls 2023 nicht bloss Kundengelder verloren, gleichzeitig sank die Bruttomarge von 0,37 auf 0,36 Prozent.
Die Bank hat darauf reagiert, indem sie eine Minderheit an der Londoner Investmentgesellschaft Ancala kauft. Im dritten Quartal soll der Kauf abgeschlossen werden. Wie viel Vontobel zahlt und welchen Anteil an Ancala man dafür erhält, ist nicht bekannt. Vontobel hat aber den Effekt auf die eigene Kapitalisierung dargelegt; basierend darauf dürfte der Kaufpreis bei etwas mehr als 30 Millionen Franken liegen.
Ancala ist spezialisiert darauf, in privat gehaltene Infrastrukturbauten zu investieren: Flughäfen, Strassen, Bahnlinien und dergleichen. Auch wegen der Dekarbonisierung der Wirtschaft wird dieser Anlageklasse eine gute Zukunft vorhergesagt; es muss viel gebaut werden in den kommenden Jahren.
Neue Führung, höhere Boni
Nicht förderlich ist die Unruhe im Umfeld der Bankspitze. Erst vor wenigen Monaten und nach langer Suche hatte Vontobel die neuen Co-CEO vorgestellt, die den abgetretenen Langzeitchef Zeno Staub ersetzen: Christel Rendu de Lint, die bisherige Chefin des Asset-Managements, und Georg Schubiger, der bisher das Geschäft mit vermögenden Privatkunden leitete.
Die Doppelspitze kam im Markt nicht besonders gut an. Viele sehen darin einen faulen Kompromiss, der niemanden zufriedenstellt. Rendu de Lint und Schubiger erhielten gleichwohl den «benefit of the doubt», schliesslich verfügen sie in ihren jeweiligen Sparten über viel Erfahrung.
Fragen aufgeworfen hat allerdings, dass die Vontobel-Geschäftsleitung für 2023 einen deutlich höheren Bonus in bar erhalten soll: 2,9 Millionen Franken nach 1,6 Millionen im Vorjahr, und das trotz Gewinnrückgang. Zwar umfasst die Geschäftsleitung nun fünf statt nur vier Personen, dennoch ist die starke Steigerung unverständlich.
Die Bankspitze verwies gegenüber Medien darauf, dass die Boni der Geschäftsleitung vom Vergütungsausschuss des Verwaltungsrat festgelegt und von der Generalversammlung bestätigt werden müssen. Die ausbezahlten Beträge mögen weiterhin niedriger liegen als bei manch anderer Bank. Dennoch hat sich Vontobel für diese Lohnerhöhung einen sehr schlechten Zeitpunkt ausgesucht.
Die Benko-Connection
Die Unruhe verstärkt, dass offenbar auch die Bank Vontobel mit dem gescheiterten österreichischen Immobilienkönig René Benko in Verbindung steht.
Der NZZ liegen Unterlagen aus dem Insolvenzantrag der Signa Prime Selection AG vor, einer der Hauptfirmen von Benko. Sie zeigen, dass Vontobel im Vermögensverzeichnis eingereiht ist, mit einer Bankverbindlichkeit über etwas mehr als 25 Millionen Euro. Sprich: Signa schuldet entweder Vontobel Geld; oder Vontobel wird stellvertretend für einen Signa-Gläubiger aufgeführt.
Auch der «Tages-Anzeiger» hat an diesem Donnerstag über mehrere finanzielle Verbindungen zwischen Vontobel und der Signa-Gruppe respektive René Benko berichtet. Zum einen soll Vontobel den Kauf des ikonischen Chrysler Building mit 10 Millionen Euro mitfinanziert haben, diese Forderung anschliessend aber zediert haben.
Zum zweiten berichtet die Zeitung von einer Forderung über 30 Millionen Euro, welche die Bank Vontobel gegenüber der Signa Prime Holding Ende August 2023 geltend gemacht habe.
Zum dritten soll auch die Laura Privatstiftung – benannt nach René Benkos Tochter – im Juni 2023 Ausstände von 10 Millionen Euro gegenüber Vontobel gehabt haben.
Die NZZ konnte diese Informationen bisher nicht eigenständig verifizieren. Klar ist: Signa managte seine Finanzierung recht dynamisch. Manche Forderungen, die Mitte 2023 bestanden hatten, wurden womöglich zurückbezahlt; neue entstanden.
Vontobel äussert sich nicht zu ihrer Verbindung zu Benko. Die Bank schreibt einzig: «Wir haben im Zusammenhang mit den jüngsten Problemen im Immobiliensektor keine Abschreibungen vorgenommen. Aufgrund des hohen öffentlichen Interesses hätten wir dies sonst offengelegt.» Dasselbe sagte Finanzchef Heinzl am Donnerstagmorgen auch gegenüber den Medien.
Geschäft ausserhalb Bilanz denkbar
Es ist gut möglich, dass die Bank deshalb keine Abschreiber vorgenommen hat, weil allfällige Signa-Kredite gar nicht auf ihren eigenen Büchern liegen: Vontobel ist, etwa über ihre digitale Plattform cosmofounding, auch als Vermittlerin von Finanzierungen tätig. Das heisst: Selbst wenn im Signa-Prime-Insolvenzantrag der Name Vontobel aufscheint, kann jemand anderes der eigentliche Gläubiger sein.
Ob eine solche Vermittlungstätigkeit im Fall Benko die Reputation Vontobels belastet, hängt stark davon ob, was ihre Rolle war. Hat sie, wie ein Handelsplatz, einfach Kreditgeber und Kreditnehmer zusammengebracht? Dann kann man der Bank kaum einen Vorwurf machen.
Oder hat sie die Signa-Investments bei möglichen Abnehmern, etwa bei ihren eigenen Kunden, aktiv beworben? Das würde diese Kunden verärgern und könnte auf die Bank zurückfallen. Für Letzteres gibt es derzeit aber keine Hinweise.
Das Benko-Engagement von Vontobel ist nach aktuellen Wissensstand nicht vergleichbar mit demjenigen der Bank Julius Bär. Das betrifft sowohl die Grösse, die Art der Beziehung mit Benko als auch das damit in Kauf genommene Risiko anbelangt. Der Zürcher Konkurrent hat vor einer Woche 600 Millionen Franken abgeschrieben, weil er Signa hohe und schlecht besicherte Kredite gab. CEO Philipp Rickenbacher trat zurück.
Auch wenn die Risiken für Vontobel beschränkt erscheinen; dass sie nun zusammen mit anderen «Benko-Banken» erwähnt wird, kommt für die Bank zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt.
Auch Bank Pictet mit Gewinnrückgang
amü. Auch die Genfer Privatbank Pictet muss einen leichten Rückschlag verkraften. Sie hat 2023 ein Viertel weniger Konzerngewinn erzielt als im Vorjahr. Die Bank macht indes zwei Hauptgründe für den Gewinnrückgang auf noch 577 Millionen Franken aus, die nicht mit der eigentlichen Leistung der Bank zu tun haben. Erstens hat Pictet im Herbst 2023, als letzte Schweizer Bank, den Steuerstreit mit den USA mit einem Vergleich abgeschlossen. Sie bezahlte dem US-Justizministerium umgerechnet 107 Millionen Franken. Zweitens drücken Währungseffekte auf das Resultat.
«Wir sind mit unserem operativen Resultat zufrieden», sagt Renaud de Planta, der Senior Partner von Pictet. Das Ergebnis im zweiten Halbjahr möge optisch mittelmässig ausgefallen sein, unterliegend sei die Performance der Bank deutlich besser. Nebst dem DOJ-Vergleich falle als Sondereffekt besonders der starke Franken negativ ins Gewicht: «80 Prozent unserer Kundenvermögen sind im Ausland investiert, während 60 Prozent unserer Kosten in der Schweiz anfallen.»
Zudem fällt auf, dass Pictet im zweiten Halbjahr nur mehr rund 1 Milliarden Franken an Neugeld anziehen konnte; deutlich weniger als im ersten Halbjahr (15 Milliarden Franken). De Planta plädiert dafür, das Nettoneugeld in der kurzen Frist nicht zu sehr zu gewichten. Über das Gesamtjahr 2023, und mehr noch über die vergangenen fünf Jahre betrachtet, falle die Bilanz von Pictet sehr positiv aus.
2023 hätten wiederum alle vier Sparten positives Neugeld verzeichnet; die Bank sei also breit abgestützt unterwegs. Zudem sei die Neugeld-Entwicklung nur im Zusammenspiel mit der Profitabilität relevant. Insbesondere im Asset Management sei es mit Rabatten stets möglich, rasch zusätzliche Milliarden einzuspielen, was dann jedoch auf Kosten der Marge geschehe. Pictet weise in der längeren Frist eine Eigenkapitalrendite von über 20 Prozent aus, was deutlich über dem Branchenschnitt vergleichbarer Banken liege. «Aus meiner Sicht ist das wichtiger», so de Planta.
Pictet betreibt, im Grundsatz ähnlich wie Vontobel, sowohl das Privatkundengeschäft und das Asset Management. Letzteres litt auch bei Pictet unter dem schwachen Umfeld.
«Die ganze Branche befand sich in den vergangenen zwei Jahren in einer anspruchsvollen Phase», sagt Renaud de Planta. Die Branche habe unter den höheren Zinsen gelitten, die zu geringerem Risikoappetit führten. «Wir kämpften alle mit demselben Gegenwind, sehen seit dem vierten Quartal aber deutliche Anzeichen für eine Verbesserung am Markt.»