Friedrich Engels nannte den Bauernkrieg den «grossartigsten Revolutionsversuch des deutschen Volkes». Der Historiker Gerd Schwerhoff zeigt, wie widersprüchlich der Aufstand war, der 1525 seinen Höhepunkt erreichte.
Ausgerechnet ein Regenbogen! Hätte Gott am Morgen des 15. Mai 1525 den etwa achttausend aufständischen Bauern vor dem thüringischen Frankenhausen nicht ein anderes Zeichen schicken können als gerade jenes, das auf ihren Fahnen prangte? Für ihr spirituelles Oberhaupt Thomas Müntzer stand der Regenbogen für den ewigen Bund Gottes mit seinem auserwählten Volk. Umgehend deutete der Mühlhausener Reformator und Apokalyptiker das Phänomen am Himmel als Ankündigung des Sieges der Bauern über das angreifende Fürstenheer.
Das war offensichtlich ein Missverständnis. Nur Stunden später war das Gros der Aufständischen niedergemetzelt und Müntzer in Gefangenschaft gesetzt, in Erwartung von Folter und Hinrichtung. Die Schlacht bei Frankenhausen endete wie alle anderen im Deutschen Bauernkrieg höchst einseitig. Es war das blutige Ende eines Aufstandes, den die Forschung seit dem Historiker Peter Blickle als «Revolution des gemeinen Mannes» apostrophiert.
Vor fünfhundert Jahren erfassten die Unruhen in wenigen Wochen weite Teile des Reiches, darunter Elsass, Schwaben, Franken, Thüringen sowie Tirol und Salzburg. Mehr als siebzigtausend Menschen, fast ausschliesslich Bauern, liessen ihr Leben im Kampf gegen den Adel, gegen den sie sich erhoben hatten, um für Menschenrechte und die Abschaffung der Leibeigenschaft zu kämpfen.
Was die Bauern wollten
Nach der Lektüre von Gerd Schwerhoffs Gesamtschau zum Bauernkrieg muss man sagen: Dass die militärischen Konfrontationen im Bauernkrieg ein ums andere Mal in Massakern endeten, hatte viele Gründe. Einige liegen auf der Hand, andere sind umso überraschender. Zu Ersteren gehörte das Fehlen von Reiterei und Artillerie aufseiten der Bauern. Zu Letzteren der von Schwerhoff mit zahlreichen Beispielen belegte Umstand, dass viele Bauern von anderen Aufständischen unter Drohungen zum Mitmachen gezwungen worden waren und sich entsprechend halbherzig auf den Schlachtfeldern wiederfanden.
Vor allem aber, so der Dresdner Historiker, hätten die Bauern gar keine «Revolution» angestrebt, wie die Forschung lange behauptete – zumal in der DDR. Vielmehr hätten sie ihre Ziele, darunter die freie Pfarrerwahl, die Abschaffung des Kirchenzehnten und der Leibeigenschaft sowie die Freigabe von Jagd und Fischerei, überwiegend durch Verhandlungen erreichen wollen. Thomas Müntzer sei mit seiner konfrontativen endzeitlichen Siegesgewissheit eine Ausnahme gewesen. Schwerhoff schreibt ihm auch nur eine regionale Bedeutung zu.
Als Beleg für seine These von den pragmatisch-realistischen Zielsetzungen der Bauern verweist Schwerhoff darauf, dass die Aufständischen eher zurückhaltend vorgegangen seien. Eine zunächst verblüffende Behauptung, wenn man an die rund tausend von den Bauern gestürmten, geplünderten und oftmals zerstörten Klöster und Burgen denkt. Doch habe sich die Gewalt der Protestierer eben primär gegen Sachen, selten gegen Personen gerichtet.
Der Tod des Grafen
Die «Bluttat von Weinsberg», bei welcher der Graf Ludwig von Helfenstein und seine Begleiter unter dem fröhlichen Spiel des Pfeifers Melchior Nonnenmacher «durch die Spiesse» gejagt und getötet wurden, sei ein Einzelfall gewesen, schreibt Schwerhoff: «Sie wiederholte sich nirgendwo, vielmehr legten die aufständischen Bauern jenseits des Schlachtfelds eine bemerkenswerte Zurückhaltung beim Einsatz eindeutiger physischer Gewalt an den Tag.»
Um der Komplexität und Dynamik der damaligen Ereignisse gerecht zu werden, aber auch um die Entscheidungsspielräume der Beteiligten auszuloten, rekonstruiert Schwerhoff auf über siebenhundert gut lesbaren Seiten akribisch und Region für Region die Ereignisgeschichte – in grösstmöglicher Distanz gegenüber anachronistischen Aktualisierungen und ohne den Aufstand pathetisch zu verklären.
Schwerhoffs Fokus auf die Ereignisse wirkt am Anfang etwas ermüdend: noch ein «Bauernhaufen», noch ein brennendes Kloster. Die Erzählung wird dann aber schnell umso fesselnder. Warum? Weil jeder der wie aus dem Nichts entstandenen «Haufen» von Aufständischen seine eigene Geschichte und sein eigenes Schicksal hatte. Und weil die an den Ereignissen orientierte Darstellung zeigt, dass der Bauernkrieg erheblich vielgestaltiger und widersprüchlicher war als lange angenommen.
Einige der Protestgemeinschaften fielen rasch in sich zusammen. Andere vereinigten sich mit anderen, wuchsen auf bis zu zwölftausend Mann an. Einige waren in einem kleinen Kreis aktiv. Andere, wie die Bauern im Odenwald-Neckartal, waren sehr mobil. Die Entscheidungen ihrer Anführer, die oft Vertreter der dörflichen Eliten waren, Bürgermeister oder Schreiber, unterschieden sich ebenso wie die Reaktionen der Herrschenden. Selbst eine berüchtigte Figur wie der «Bauernschlächter» Georg Truchsess von Waldburg, der oberste Feldhauptmann des Schwäbischen Bundes, konnte mit einem Bauernhaufen pragmatisch einen Vertrag schliessen, um danach einen anderen zu massakrieren.
Luthers Rat
Bleibt die Frage, warum es 1525 überhaupt zu dieser Massenbewegung gekommen ist. Lag es an Missernten, am Bevölkerungswachstum oder am Niedergang des niederen Adels, der immer höhere Abgaben forderte? Solche Faktoren mögen alle eine Rolle gespielt haben, so Schwerhoff. Entscheidend allerdings sei die wenige Jahre vorher ausgebrochene Reformation gewesen.
Und zwar mit ihrer Berufung aufs Evangelium und ihrer Kritik am Klerus. Die Aufständischen bezeichneten sich selbst als «Christliche Vereinigung». In den «Zwölf Artikeln» von Memmingen, in denen sie ihre Forderungen zusammenfassten, nahmen die Bauern ausdrücklich auf Reformatoren wie Martin Luther, Philipp Melanchthon oder Ulrich Zwingli Bezug.
Die Tragik der Aufständischen war freilich, dass sie beim Protest gegen eine in ihren Augen parasitär lebende Geistlichkeit keine Verbündeten fanden. Nicht bei den Fürsten, auch wenn diese im Einzelfall Sympathien und Verständnis hatten. Und schon gar nicht bei Martin Luther. Denn anders als sein ehemaliger Anhänger Thomas Müntzer wollte der Wittenberger Reformator die von ihm propagierte «Freiheit eines Christenmenschen» rein spirituell verstanden wissen.
Für die Bauern und einfachen Bürger, die vom Adel grundlegende Freiheitsrechte forderten, brachte Luther wenig bis kein Verständnis auf. Nach der Bluttat von Weinsberg hatte er für die Fürsten den Rat bereit, man solle die Bauern «zerschmeissen (. . .) wie man einen tollen Hund erschlagen muss». So geschah es dann auch.
Gerd Schwerhoff: Der Bauernkrieg. Geschichte einer wilden Handlung. Verlag C. H. Beck, München 2024. 720 S., Fr. 49.90.