Eine parlamentarische Untersuchungskommission muss aufklären, was in den vergangenen Jahren falsch gelaufen ist.
Angefangen hat alles mit einem Zeitungsartikel: Im Frühling 2023 berichtete der «Sonntags-Blick» von fragwürdigen Zuständen im Polizeikorps der Stadt Bülach.
Insider erhoben in dem Artikel schwere Vorwürfe gegen ihre Vorgesetzten: Es war von Chefs die Rede, die ihre Untergebenen anschrien und abkanzelten, von einem Klima der Angst – und von der Sorge, dass die Stadtpolizei Bülach gänzlich auseinanderfallen würde, wenn sich nicht bald etwas änderte.
Doch fürs Erste änderte sich – nichts. Ein Jahr nach den Anschuldigungen im «Sonntags-Blick» kam ein offizieller Bericht sogar zu dem Schluss: Die Vorwürfe der Einsatzkräfte seien überzeichnet, die Arbeitsbedingungen bei der Polizei besser als kolportiert.
Gleichwohl verliessen in jener Zeit 7 von 21 Mitarbeitenden das Korps. Im Oktober 2024 gaben schliesslich der Polizeichef und sein Stellvertreter ihren Rücktritt bekannt – anscheinend aus freien Stücken. Zuvor hatten Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen den Stellvertreter im Raum gestanden.
Die Stadtpolizei Bülach ist für neun Gemeinden mit insgesamt 60 000 Einwohnern zuständig. Und nun hat sie bis auf weiteres keine Führung mehr.
Mit der Frage, wie es so weit hat kommen können, muss sich demnächst eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) beschäftigen. Dies hat der Gemeinderat von Bülach an seiner jüngsten Sitzung mit einem deutlichen Votum von 18 zu 7 Stimmen beschlossen.
Politiker seien Wählern Antworten schuldig
Es ist das erste Mal, dass in der Stadt Bülach eine PUK eingesetzt wird – und es ist ein Erfolg für Romaine Rogenmoser (SVP), die dort schon seit 12 Jahren politisiert. Rogenmoser wird in der PUK zwar keinen Einsitz haben, aber sie ist Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission (GPK). Als solche hat sie sich vehement dafür eingesetzt, dass die Vorgänge der vergangenen Jahre von einer PUK aufgeklärt werden.
Die Stadtregierung habe sich bei früheren Nachfragen von Parlamentariern nur wenig auskunftsfreudig gezeigt und den Anschein zu erwecken versucht, dass alles in Ordnung sei. «Aber jetzt muss umfassende Klarheit geschaffen werden», sagt Rogenmoser auf Anfrage der NZZ.
Das seien die Politiker ihren Wählerinnen und Wählern schuldig.
Rogenmoser macht jedoch auch klar, dass sie sich von der Arbeit einer Parlamentarischen Untersuchungskommission mehr verspricht als eine blosse Aufarbeitung der Vergangenheit: «Dass vieles schiefgelaufen ist, das wissen wir bereits. Jetzt wollen wir erfahren, wie das hat passieren können und wer die Verantwortung dafür trägt.»
Danach müsse man sicherstellen, dass die Exekutive ihrer Sorgfaltspflicht nachkomme, die Verwaltung fortan strenger beobachte und bei Missständen schneller handle.
Brisanter Rücktritt kurz vor der Abstimmung
Damit die fünfköpfige PUK ihre Arbeit aufnehmen kann, hat der Gemeinderat ein Budget von 100 000 Franken genehmigt. Neben den Sitzungsgeldern für die Mitglieder ist auch Geld für einen Berater vorgesehen, der die Parlamentarierinnen und Parlamentarier in juristischen Formfragen unterstützen wird, aber inhaltlich keine Voten abgeben darf.
Das Gremium muss sich auf viel Arbeit einstellen.
Neben der Affäre um das Polizeikorps haben jüngst die Abgänge des langjährigen Stadtschreibers und seiner Stellvertreterin für Aufregung gesorgt. Die beiden haben Ende Januar gemeinsam ihren Rücktritt bekanntgegeben. Der Stadtschreiber Christian Mühlethaler war zuvor 22 Jahre für die Stadt Bülach tätig.
Als Grund nannten er und seine Stellvertreterin Franziska Lee laut den Tamedia-Zeitungen «unterschiedliche Vorstellungen über die strategische Ausrichtung der Stadtverwaltung». Somit ist in Bülach neben der Polizei auch die Stadtverwaltung ohne Führung – eine heikle Ausgangslage für eine Stadt mit immerhin 25 000 Einwohnern.
Brisant ist an den Abgängen des Stadtschreibers und seiner Stellvertreterin aber noch etwas anderes: Die Kündigung erfolgte just in der Woche vor der gemeinderätlichen Abstimmung darüber, ob eine PUK die Personalführung der Stadt untersuchen solle.
Der Stadtpräsident scheut den Aufwand
Dass Abgänge wie jener des Stadtschreibers Mühlethaler Fragen aufwürfen, könne er gut verstehen, sagt der Bülacher Stadtpräsident Mark Eberli (EVP) am Telefon zur NZZ: «Ich begrüsse es, wenn das Parlament Klarheit schaffen will, und bin sicher, dass der Stadtrat die PUK bei ihrer Arbeit unterstützen wird.»
Dass die Gemeinderäte auf der Suche nach Antworten aber gleich zu ihrem mächtigsten Instrument griffen – einer parlamentarischen Untersuchungskommission –, das erscheine ihm etwas stark, sagt Eberli. «Solche Kommissionen erwecken den Anschein, dass dramatische Missstände vorliegen. Aber das ist meines Wissens bei uns nicht der Fall.»
Stadtpräsident Eberli hätte es bevorzugt, wenn die Parlamentarier das Gespräch mit ihm und dem Stadtrat gesucht hätten und man gemeinsam nach einer unkomplizierteren Lösung hätte suchen können. Denn eine PUK bedeute für alle Beteiligten vor allem eines: noch mehr Aufwand.
«Aber wenn es das Parlament so will, dann machen wir das natürlich», sagt Eberli. Er habe schliesslich nichts zu verbergen.