Die Armee veranstaltet Picknicks, bei denen über die Opposition geschimpft wird, und Mitarbeiter aus Ministerien sind für den Wahlkampf engagiert. Dafür wird die konservative Partei Polens mit einer hohen Strafe belegt, was sie bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr entscheidend schwächen könnte.
Polens Zentrale Wahlkommission hat am Donnerstagabend die ehemalige Regierungspartei «Recht und Gerechtigkeit» (PiS) in bisher unbekannter Härte für die Verletzung der Wahlkampf-Regeln bestraft. Die PiS muss eine Strafe von umgerechnet 2,4 Millionen Franken bezahlen und verliert staatliche Subventionen in fünffacher Höhe.
Wahlgeschenke aus dem Justizministerium
Die Wahlkommission hat die Finanzrechnung der PiS zum Parlamentswahlkampf im Herbst 2023 wegen grosser Unregelmässigkeiten abgelehnt. Beanstandet wurde, dass Gelder und personelle Ressourcen aus drei Ministerien für den Wahlkampf eingesetzt worden waren. Die PiS hatte damals noch Regierungsverantwortung inne.
Dabei wurde offenbar besonders im Justizministerium eine regelrechte schwarze Wahlkampfkasse geschaffen, über die Wahlspots und Wahlgeschenke finanziert wurden. So gab es etwa Familien-Picknick-Veranstaltungen der Armee, die zu einem Frontalangriff auf den damaligen Oppositionsführer Tusk verkamen. Ein Wahlkampfspot des umstrittenem PiS-Justizministers Zbigniew Ziobro wurde direkt vom Ministerium finanziert.
Die Entscheidung betreffe nur die Spitze des Eisbergs, teilten die beiden liberalen Initiatoren der Prüfung mit. «Die Finanzrechnung ist abgelehnt, jetzt warten Staatsanwaltschaft, Gerichte und Gefängnis. Diebstahl muss bestraft werden», kommentierte der heutige EU-Parlamentarier Dariusz Jonski auf der Plattform X. Der heutige Regierungschef Donald Tusk frohlockte ebendort, die PiS (die Abkürzung steht für Recht und Gerechtigkeit) würde nun «den wahren Sinn von Recht und Gerechtigkeit erfahren».
Inzwischen hat die PiS die Regierungsverantwortung zwar an Tusks Koalition abgeben müssen. Doch hatte sie 2023 bei den Parlamentswahlen die meisten Stimmen gewonnen, was ihr hohe staatliche Subventionen für die Parteiarbeit sicherte. In Polen finanziert der Staat die politischen Parteien grosszügig, solange sie die Mittel ehrlich einsetzen. Fünfmal jedoch musste das Zentrale Wahlkomitee seit 2002 Parteien mit Abzügen bestrafen. Im Vergleich mit den Vergehen, die nun der PiS angelastet werden, handelte es sich dabei jeweils um Lappalien, die Strafen fielen deutlich geringer aus.
Die PiS, die von 2015 bis 2023 allein regiert hatte, droht angesichts des Urteils der Wahlkommission Subventionen zu verlieren. Laut Berechnungen polnischer Medien stehen umgerechnet bis zu 20 Millionen Franken auf dem Spiel. Die PiS würde diese Mittel dringend für den Präsidentschaftswahlkampf im kommenden Jahr brauchen.
Die PiS wittert Rache
Der PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski hat seine zumeist eher betagten Anhänger bereits vor einigen Wochen dazu aufgerufen, die Partei notfalls mit Spenden zu unterstützen. Zuerst aber will die PiS Berufung gegen das Urteil der Zentralen Wahlkommission einlegen und das Verfahren notfalls bis ans Oberste Gericht ziehen. In der dort zuständigen Kammer geben von der PiS eingesetzte Richter den Ton an.
Der Entscheid der Zentralen Wahlkommission sei «politisch», kritisierte der PiS-Fraktionschef Mariusz Blaszczak am Donnerstagabend. Tusk habe in Polen ein «weissrussisches Regime» eingeführt, um «die Opposition zu knebeln», erklärte er. Mit ähnlich drastischen Vergleichen argumentieren die von PiS kontrollierten, heute privaten Medien wie TV Republika, ein spendenfinanzierter Privatsender, bei dem viele TV-Stars des einst PiS-dominierten Staatsfernsehens TVP untergekommen sind.
Laut PiS handelt es sich bei der Ablehnung des Wahlkampf-Finanzberichts um politische Rache von Tusks Bürgerkoalition. Dagegen spricht indes die Tatsache, dass die Mitglieder der Wahlkommission zumeist zu PiS-Regierungszeiten dorthin delegiert wurden. «Parteien werden aus öffentlichen Geldern finanziert; die Kontrolle der Öffentlichkeit über ehrliche Wahlkampfausgaben stellt keine Rache dar, sondern ist mit dem Kampf gegen Doping im Sport zu vergleichen», argumentierte der Parlamentspräsident Szymon Holownia von Tusks Koalitionspartner «Dritter Weg».
Eine finanziell geschwächte, zahlenmässig aber sehr starke Oppositionspartei wie die PiS ist für die Mitte-links-Koalition von Donald Tusk allerdings zweifellos ein schwächerer Gegner beim entscheidenden Kampf um die Nachfolge von Staatspräsident Andrzej Duda. Duda blockiert derzeit die wichtigen Reforminitiativen der Tusk-Regierung, die nach acht Jahren Staatsumbau durch die PiS versucht, die illiberalen Strukturen rückgängig zu machen. Die Wahl zum polnischen Staatspräsidenten findet im Mai 2025 statt.








