Die grossen Baumärkte und Warenhäuser liefern wichtige Hinweise darauf, wie es um die amerikanische Wirtschaft bestellt ist. Einigen ihrer Kunden geht es schlecht – anderen gar nicht.
Ökonomen wissen es und die Unternehmer sowieso: Auch wenn auf der Welt vieles schiefläuft, hält der amerikanische Konsument die globale Wirtschaft am Laufen. Seit 2020 brachen schwere Kriege und eine Pandemie aus, eine Inflationswelle rollte über den Westen hinweg, und die Lieferketten wurden vielerorts arg strapaziert. Die Europäer und die Chinesen begannen deswegen, ihr Geld zusammenzuhalten. Doch viele Amerikaner lassen sich nicht beirren und kaufen einfach weiter ein.
Dieses alltägliche Wunder des Kapitalismus findet in den Läden von Target, Home Depot und Lowe’s statt: Hier besorgen sich die Amerikaner ihre Rasenmäher, Küchenwaagen, ihre Gartenerde, ihr Hundespielzeug, ihre Waschmaschinen und natürlich die lebensgrossen Plastikskelette, die an Halloween in jedem zweiten Vorgarten herumhängen. Kurz: Hier wird so ziemlich alles verkauft, was die Amerikaner mögen, aber was sie nicht unbedingt zum Überleben brauchen.
Verwirrende Umfragen
Deswegen sind die drei Einzelhändler, die am Dienstag und am Mittwoch ihre Quartalszahlen präsentiert haben, ein ausgezeichneter Fiebermesser, um den Gesundheitszustand des amerikanischen Konsumenten zu überprüfen.
Andere Daten haben jüngst ein widersprüchliches Bild geliefert: Seit Monaten zeigen sich die Amerikaner in Umfragen enorm pessimistisch, was die wirtschaftliche Lage ihres Landes und ihre eigenen Zukunftsaussichten angeht. Sie erwarten stark steigende Preise und oftmals eine Rezession. Der von der Trump-Regierung losgetretene Zollstreit hat diesen Pessimismus noch verstärkt.
Wenn sie im Laden stehen, scheinen die Amerikaner aber zuverlässig zu vergessen, wie schlecht sie sich eigentlich fühlen. Sie kaufen weiter ein, als wäre nichts gewesen. Ökonomen und die Zentralbanker des Fed fragen sich zusehends, ob sie die Konsumentenumfragen überhaupt noch beachten sollen.
Daher also der Blick auf die Detailhändler – ganz besonders, seit Walmart am vergangenen Donnerstag breitflächige Preiserhöhungen angekündigt hat, um auf Trumps Zölle zu reagieren. Der Präsident antwortete mit einer verärgerten Nachricht auf seiner Online-Plattform Truth Social: Walmart solle zusammen mit China die Zölle «fressen» («EAT THE TARIFFS») und nicht die Kunden damit belasten.
Trumps Nervosität ist verständlich. Er wurde gewählt dank dem Versprechen, die Inflation zu senken. Walmart ist mit Abstand der stärkste Einzelhändler in den USA und könnte es der Konkurrenz ermöglichen, im Windschatten die Preise zu erhöhen, ohne öffentliche Kritik dafür einstecken zu müssen.
Keine breiten Preiserhöhungen
Die Konkurrenten ziehen aber nicht nach; oder sie hängen das zumindest nicht an die grosse Glocke. Die Chefs der riesigen Heimwerkermärkte Home Depot und Lowe’s sowie jene von Target – ein etwas günstigerer, amerikanischer Coop City – sagen unisono, dass sie breitflächige Preiserhöhungen vermeiden wollten.
«Wir werden keine Marktanteile herschenken», kündigte der Chef von Lowe’s Marvin Ellison gegenüber Investoren an. «Es ist sehr wichtig, dass wir wettbewerbsfähige Preise haben.» Man habe viele Hebel, um den Zöllen zu begegnen, sagte Brian Cornell, der Chef von Target. «Preisanpassungen sind das allerletzte Mittel.»
Die grossen Einzelhändler versuchen, dem Kostendruck mit internen Effizienz- oder Sparprogrammen zu begegnen und ihre digitalen Verkaufskanäle weiter zu stärken; in diesem Feld haben die Giganten Walmart und Amazon derzeit die Nase vorn.
Alle sprechen zudem mehr oder weniger blumig von den starken Beziehungen zu ihren Lieferanten, die ihnen jetzt zugutekämen. Sprich: Die Grossunternehmen versuchen, den Kostendruck entlang der Wertschöpfungskette weiterzugeben. In vielen Fällen sind es nämlich ihre Zulieferer, die Bauteile, Materialien oder fertige Produkte aus dem Ausland importieren, nicht Lowe’s oder Home Depot selbst.
Nichts wie weg aus China
Schwierig zu vergleichen ist daher auch, wie stark sie sich bereits von China entkoppelt haben. Alle grossen Einzelhändler haben spätestens 2017 oder 2018 damit begonnen, nachdem Trump erstmals einen Handelsstreit mit China angefangen hatte. Das hilft ihnen heute, den Schock durch Trumps neue Zölle zu verringern.
Home Depot, der grösste Baumarkt der USA, sieht sich in einer starken Position. Mit einer Marktkapitalisierung von 370 Milliarden Dollar überragt das Unternehmen an der Börse selbst die Schweizer Schwergewichte Nestlé und Roche. Und das in erster Linie damit, dass man in Nordamerika Grills, Schaufeln und Mörtel verkauft.
Home Depot ist stolz auf seine Lieferketten: Mehr als die Hälfte der Produkte stamme bereits aus den USA, sagte der CEO Ted Decker am Dienstag. Er kündigte an, dass man in Zukunft aus keinem Land ausser den USA mehr als 10 Prozent seiner Produkte beziehen wolle. Bei Lowe’s soll die Quote bei etwa 20 Prozent liegen. Target bezieht derzeit noch 30 Prozent seiner Waren aus China und will diesen Anteil im laufenden Jahr auf unter einen Viertel reduzieren. 2017 seien es noch 60 Prozent gewesen, sagte der Einkaufschef von Target Rick Gomez. Als Standorte nimmt Target vor allem andere Länder in Asien in den Fokus, will aber auch in den USA mehr herstellen.
Keine Grossprojekte, viel Gartenarbeit
Die drei Unternehmen sprechen jeweils andere Kundengruppen an. Home Depot strotzt vor Zuversicht, weil die grosse Mehrheit seiner Kunden Hausbesitzer sind. Diese haben davon profitiert, dass die Häuserpreise seit Jahren angestiegen sind, und verfügen in der Regel über sichere Jobs und steigende Löhne. Anzeichen für eine Rezession in den USA sieht Decker nicht mehr: «Das haben wir hinter uns.» Mehr Probleme machte im vergangenen Quartal noch der aussergewöhnlich kalte Februar, auch für den Konkurrenten Lowe’s. «Wenn die Sonne scheint, läuft unser Geschäft viel besser», so bringt es der Lowe’s-Chef Marvin Ellison auf den Punkt.
Home Depot und Lowe’s machen derweil die hohen Zinssätze zu schaffen; für die im Land beliebten 30-jährigen Hypotheken bewegen sie sich nahe an der 7-Prozent-Marke. Für die Heimwerkermärkte heisst das: Die Kunden geben zwar Geld aus, um ihren Garten zu verschönern und einen neuen Grill zu kaufen, aber nur wenige packen grosse Umbauprojekte in ihren Küchen oder Bädern an. Dafür nehmen sie nämlich oft Kredite auf, die aber noch immer sehr teuer sind.
Home Depot sieht eine aufgestaute Nachfrage von 50 Milliarden Dollar für solche Projekte. Lowe’s vermeldet ein starkes Geschäft mit Haushaltsgeräten wie Kühlschränken oder Waschmaschinen, sieht aber ebenfalls Zurückhaltung bei Grossprojekten. Bis sich die Zinssituation verbessert, versucht man die Kunden mit Aktionen wie «Mulch Madness» bei der Stange zu halten (5 Säcke Mulch für 10 Dollar!).
Target kämpft mit Boykott
Target steckt dagegen in einer schwierigeren Lage und kündigt schrumpfende Verkäufe für 2025 an. Die Zölle und die wirtschaftliche Unsicherheit, welche die Kunden verspüren, werden als Gründe genannt. Target ist in den USA für seine Festtagsdekorationen und seine saisonalen Kollektionen beliebt, aber auch bei Schnäppchenjägern, die sensibel auf höhere Preise reagieren.
Hinzu kam im Frühjahr ein Boykott durch linke Kunden, weil Target kürzlich seine Diversity-Ziele zusammengestrichen hat – nachdem man sich über Jahre als Vorreiter in diesem Feld positioniert hatte. Das hat vermutlich das in den USA wichtige Valentinstagsgeschäft getroffen.
Die Amerikaner denken bei ihren Einkäufen also sehr wohl an die Zölle und die Probleme, die der Handelsstreit mit sich bringen könnte. Aber diese sind bei weitem nicht der einzige Grund dafür, warum sie im Laden zuschlagen oder nicht.