Der Abgang des genialen Investors bedeutet das Ende einer Ära. Sein Nachfolger Greg Abel kann Buffetts Vermächtnis nur noch verwalten.
Die Ankündigung, vor der sich viele fürchteten, ist da: Warren Buffett tritt Ende Jahr als Chef von Berkshire Hathaway zurück. Der erfolgreichste Investor der Welt übergibt das Zepter an Greg Abel, der ihm Anfang 2026 als CEO nachfolgen soll. Das verkündete der 94-jährige, gebrechlich wirkende Buffett am Samstag an der Jahresversammlung der Investmentfirma in Omaha, Nebraska.
Der Abgang ist mehr als ein Führungswechsel, er bedeutet das Ende einer Ära für die ganze Finanzwelt. Kein Investor hat sich in den letzten sechs Jahrzehnten mit solcher Standhaftigkeit und Konstanz gegen den Mainstream und wirtschaftliche Wirren durchgesetzt. Buffett hat dabei für seine Aktionäre seit Mitte der sechziger Jahre eine Performance von über 5 Millionen Prozent erbracht, das entspricht einem jährlichen Zugewinn von fast 20 Prozent.
«Isaac Newton des Investierens»
Es ist aber nicht nur sein Gespür für das richtige Investment, das Buffett einzigartig macht; es sind gleichermassen seine Bescheidenheit und seine Bodenhaftung. Mit einem Vermögen von 154 Milliarden Dollar ist er gemäss «Forbes»-Liste der sechstreichste Mann der Welt. Er lässt sich dabei ein Jahresgehalt von 100 000 Dollar auszahlen, fährt ein Auto mit Jahrgang 2014 und lebt seit Jahrzehnten im selben Haus.
Selbst im hohen Alter traut sich Buffett, der Wirtschaftspolitik Trumps zu widersprechen – im Gegensatz zu vielen anderen «Leadern» aus den Konzernen. «Handel sollte keine Waffe sein», sagte er jüngst und wehrte sich gegen Trumps irrsinnigen Protektionismus. Für Buffett haben die USA den wirtschaftlichen Wettlauf bereits gewonnen. «Er repräsentiert alles, was am amerikanischen Kapitalismus und an Amerika gut ist», sagte der JP-Morgan-Chef Jamie Dimon über ihn.
Standhaftigkeit, enorme Erfahrung und akribisches Wissen machen Buffett aus: Während des Zweiten Weltkriegs, mit elf, kaufte er seine erste Aktie. Geschäftsberichte verschlingt er zu Tausenden, dabei merkt er sich jedes Detail. Niemand kann sich mit Buffett messen; er sei der «einflussreichste Investor aller Zeiten – der Isaac Newton des Investierens», sagt Howard Marks, ein Konkurrent.
Hinzu kommen tugendhafte Lebensführung und Altruismus. Über Jahrzehnte hielt sich Buffett skandalfrei. Nach dem Tod will er sein gesamtes Vermögen für wohltätige Zwecke weggeben. Das verleiht ihm messianische Qualitäten. So verwundert wenig, dass Zigtausende jedes Jahr in fast religiösem Eifer an die Jahresversammlung von Berkshire Hathaway reisen, um den Verlautbarungen des «Orakels von Omaha» zu lauschen.
Abel: Tim Cook macht es vor
Buffett ist nicht nur Investor, sondern auch ein Retter. Kraft seiner Glaubwürdigkeit und seiner finanziellen Ressourcen kommt er havarierten Unternehmen zu Hilfe, als Geldgeber der letzten Hoffnung: Während der Finanzkrise 2008 half er, die amerikanischen Grossbanken Goldman Sachs und Bank of America zu stabilisieren. In der Schweiz rettete er den Rückversicherer Swiss Re vor dem Abgrund – und schlug ansehnlichen Profit daraus.
Einen Messias ersetzen kann niemand. Somit steht Buffetts Nachfolger Greg Abel vor einer unlösbaren Aufgabe. Abel ist ein solider Handwerker und hat als langjähriger Chef von Berkshires Energiegeschäft an der Seite Buffetts gelernt. Doch Statur und Autorität seines Meisters zu erreichen, ist unmöglich.
Aber Abel könnte dem Apple-Chef Tim Cook nacheifern: Dieser schaffte es, auch nach Steve Jobs das Unternehmen erfolgreich weiterzuführen. So kann auch Abel das bestehende Anlageportfolio weiter verwalten – dass er aber die Klarsicht hat, wie Buffett während der Dotcom-Blase gegen den Mainstream zu wetten und auf IT-Aktien zu verzichten, um einen Crash zu umgehen, darf bezweifelt werden.
Denn einen solchen scheint Buffett zu erwarten. In Vorausahnung des Zoll-Chaos hat Berkshire die grösste Aktienposition Apple abgebaut. Damit ist man fast schadlos durch die Börsenturbulenzen gekommen. Doch nun sitzt Abel auf einem Cash-Bestand von 350 Milliarden Dollar – und muss in einem unsicheren Umfeld Anlagemöglichkeiten finden, auch um aus dem Schatten Buffetts zu treten. Mehr Druck geht nicht.