Prognosen sind 2025 wegen Donald Trumps Sprunghaftigkeit noch schwieriger als ohnehin. Gut möglich, dass seine Pläne am Kongress scheitern und an den Märkten die Liquidität knapp wird. Falls Musk sein Kürzungsprogramm voll umsetzt, droht ein deflationärer Schock.
Wird das Jahr 2025 für Europa besser? Bisher ist die deutsche Arbeitslosenquote zwar auf 6% gestiegen, aber eine Massenarbeitslosigkeit und Rezession sind ausgeblieben. Dies dürfte weniger mit der noch stabilen Gesamtkonjunktur zu tun haben als mit dem Bemühen deutscher Arbeitgeber, in der Hoffnung auf bessere Konjunkturzeiten und aus sozialer Rücksicht möglichst viele Arbeitnehmer möglichst lange zu beschäftigen. Bei vielen Firmen dürfte allerdings der Punkt erreicht sein, an dem sich der Umsatzrückgang (in zyklischen Branchen bis zu 20%) nicht mehr durch Kostensenkungen auffangen lässt und man 2025 nicht um grössere Entlassungen herumkommen wird.
Bezogen auf die Wirtschaft könnte das Jahr 2025 also überraschend schlecht werden, und dabei ist ein deutscher Exporteinbruch durch die angedrohten US-Importzölle von 10 bis 20% noch nicht einmal berücksichtigt. Der künftige Präsident Donald Trump scheint generell schrittweise Zollerhöhungen von 2 bis 5% pro Monat einführen zu wollen.
Konjunktur und Börse sind allerdings nicht dasselbe. 2009 war international abgesehen vom kurzen Covid-Einbruch 2020 das schlechteste Konjunkturjahr seit Jahrzehnten. 2009 war aber ein sehr gutes Börsenjahr, weil weltweit die Konjunkturpolitik mit bisher noch nie gekannten Staatsdefiziten erreichte, eine längere Rezession zu verhindern. 2025 sind Chancen wie 2009 möglich. Aber nur, wenn Notenbanken und Staaten die Wirtschaft stimulieren.
Unter den US-Regierungen Obama, Trump I. und Biden wurden ständig steigende, gigantische Staatsdefizite zur Konjunkturankurbelung eingesetzt. Man fragt sich, wie lange dies weiter möglich sein wird. Ohne derartige staatlichen Stützungsmassnahmen wäre die US-Konjunktur in den letzten Jahren wahrscheinlich fast so schlecht gelaufen wie im Rest der Welt. Es gibt keinen «American Exceptionalism».
Trump eilt der Ruf voraus, das Staatsdefizit noch einmal gewaltig zu erhöhen. Auf den zweiten Blick erscheint dies allerdings nicht so sicher wie die Börse heute vermutet. Zum einen sind Republikaner tendenziell nicht so ausgabefreudig wie die Demokraten und Trump könnte im Repräsentantenhaus angesichts der Mini-Mehrheit der Republikaner von zwei bis vier Stimmen Schwierigkeiten haben, allzu hohe Defizite durchzusetzen.
Aus dem monetären Blickwinkel kommt hinzu, dass die USA immer noch einen monetär restriktiven Bremskurs fahren. Der heutige Leitzins, der von der Notenbank gesteuert wird, liegt deutlich über dem sogenannten natürlichen Zins, bei dem weder bremsend noch stimulierend von der Notenbank eingriffen wird, und der bei knapp 3% gesehen wird. Wenn tatsächlich nur noch eine Zinssenkung 2025 stattfinden sollte, würde dies bedeuten, dass das Fed bremsend auf die Konjunktur einwirkt. Nach guten US-Arbeitsmarktzahlen, die neu geschaffenen Stellen im Dezember fielen um 100’000 höher aus als erwartet, dürfte sich die Notenbank in ihrer zuletzt falkenhaften Haltung bestätigt sehen. Tatsächlich bremst die US-Notenbank immer noch monatlich, indem sie ihre Notenbankbilanz reduziert (Verkauf von Anleihen beziehungsweise Nicht-Ersetzen von ausgelaufenen Anleihen).
Zum Jahresanfang 2024 hatten sehr viele Prognosen in den USA eine Rezession aufgrund der restriktiven Geldpolitik der US-Notenbank erwartet. Blickt man in der US-Geschichte zurück, gab es keine starke Notenbankbremsphase, die nicht zu einer Rezession geführt hätte. Die dann doch überraschend gute Konjunktur resultierte zwar hauptsächlich aus der extrem hohen Staatsneuverschuldung, aber zum Teil auch aus der Tatsache, dass unerwartet die Reverse Repos von weit über 2 Bio. $ auf zuletzt nur noch gut 100 Mrd. $ vermindert wurden, was in gleichem Umfang liquiditätserhöhend für das US-Finanzsystem wirkte. Diese zum Jahresanfang von allen Prognosen übersehene Möglichkeit führte dazu, dass die Bremspolitik der hohen Zinsen und der Fed-Bilanzverkürzung nicht wirkte. Jetzt, da die Reverse Repos aber gegen Null tendieren, fragt man sich, woher in Zukunft die liquiditätsmässige Unterstützung für Börse und Konjunktur in den USA kommen soll.
Die Tendenz könnte sich sogar umkehren. US-Finanzministerin Janet Yellen finanzierte in den vergangenen zwei Jahren den Staat hauptsächlich über kurzlaufende Titel (Treasury Bills) mit relativ hohen Zinsen. Dies war zwar teuer für den Staat, aber attraktiv für die Geldmarktfonds. Attraktiv deswegen, weil kurzfristige Anleihen gekauft werden und keine Reverse-Repo-Aktionen mit der US-Notenbank getätigt werden.
Sollten nun aber die kurzfristigen Zinsen fallen, ist es auch denkbar, dass die Geldmarktfonds wieder von Treasury Bills auf Reverse-Repo-Aktionen mit der Zentralbank umschwenken. Bei solchen Aktionen würde sich die US-Liquidität sogar verschlechtern, da die Geldmarktfondsbeträge aus dem US-Finanzsystem hin zur Notenbank verschwinden würden. Eine Abkehr von Yellens Strategie der Verschuldung in den kurzfristigen Titeln würde wahrscheinlich liquiditätsverschlechternd für den US-Kapitalmarkt wirken. Auffällig ist, dass sich die Finanzierungsbedingungen in den USA zuletzt deutlich verschlechtert haben.
Aus monetärer Sicht ist demnach eine doppelte Belastung möglich. Einmal im Hinblick auf das Treasury-Verhalten und andererseits für den Fall, dass die Zinsen nur noch um 0,25 Prozentpunkte herabgesetzt werden, und zwar frühestens im März. An den Aktienbörsen ist zweifellos noch immer ein wesentlich stärkerer Zinsrückgang eingepreist. In den USA ist es damit unwahrscheinlich, dass es ähnlich wie 2009 zu einer weiterhin sehr positiven Börsenentwicklung kommen wird. Dafür sind die Aktienbewertungen und die Zinsen zu hoch.
Die Unsicherheit bei der richtigen Börsenprognose 2025 ist diesmal noch grösser als in den ohnehin schon schwierigen letzten Jahren. Hauptgrund ist Trump mit der Sprunghaftigkeit seiner Aktionen. Andererseits sind die erwarteten Konjunkturmassnahmen in Sachen zu erwartender Inflation diametral entgegengesetzt. Die erwarteten Zölle und die scharfe Begrenzung der Immigration wirken inflationär, während von der verstärkten Anwendung von künstlicher Intelligenz disinflationäre Produktivitätsfortschritte erwartet werden.
Noch deflationärer wäre der Einfluss von Elon Musk, wenn er wirklich sein Versprechen umsetzt und die Kosten im US-Staatsapparat durch drastische Verminderung der Bürokratie um nicht weniger als 2 Bio. $ kürzt, was 29% der gesamten staatlichen Bundesausgaben der letzten zwölf Monate per November bedeuten würde. Dies wären 7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Solche Einsparungen würden einen negativen deflationären Konjunkturschock für die USA auslösen. Das bisherige Konzept zur US-Konjunkturstimulierung wäre dann nicht mehr gegeben.
Darüber hinaus würde es zu einer völlig überraschenden Hausse bei den Kursen der amerikanischen Staatsanleihen kommen. Auch der Dollar würde sicherlich noch einmal stark anziehen, wenn Musk seine Ankündigung wahr macht. Solche Entwicklungen wären klar stark negativ für US-Aktien.
Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass Musk die angekündigten Einsparungen in voller Höhe und schnell durchsetzen kann. Die Nettozinszahlungen auf Staatsanleihen und die sogenannten «Entitlements», darunter staatliche Gesundheitsprogramme wie MediCare, machten zuletzt schon 95% der gesamten Staatseinnahmen aus. Zwar wachsen die US-Staatseinnahmen zurzeit um knapp 10% zum Vorjahr, was einem Drittel der angestrebten Musk-Einsparungen entspricht, aber ein zu radikales Vorgehen von Musk würde die US-Konsumenten schwer belasten und dadurch auch die Konjunktur drücken.
Im Positiven wie im Negativen sind die Aussichten für US-Anleihen und US-Aktien in diesem Jahr mit weit mehr Unsicherheit belastet als schon üblicherweise. Bei Anleihen ist es allerdings schwer vorstellbar, dass der Zins von zuletzt bis knapp 4,8% für zehnjährige Staatsanleihen noch deutlich steigt. Aktien dürften nur selektiv Potenzial haben, da die Bewertung von US-Titeln im historischen Vergleich sehr hoch ist. In dieser Situation weichen unsichere Anleger auch auf Gold aus.
Andererseits fragt man sich, ob ein Szenario mit schwacher Konjunktur, aber starker Börse wie 2008/09 auf Europa und speziell Deutschland zutreffen könnte. Auf der einen Seite sind Aktien in Europa mit dem 13-fachen Gewinn mehr als 40% billiger als in den USA. Auf der anderen Seite dürften die schon heute niedrigeren Zinsen stärker zurückgenommen werden als in den USA, im Hinblick auf die in Europa schlechtere Konjunktur.
Haupthoffnung für die europäischen Börsenoptimisten ist ein möglicher Wegfall der deutschen Schuldenbremse. Das wichtigste Konjunkturland in Europa hätte einen gewaltigen Schuldenhebel. Deutschland könnte die bestehende Verschuldung verdoppeln und wäre dann erst auf dem Niveau Frankreichs, bei rund 120% Schulden im Verhältnis zum BIP. Deutschland könnte im positiven Fall seine marode Infrastruktur (auch im digitalen Bereich) erheblich verbessern. Der frühere EZB-Präsident Draghi hat kürzlich vorgeschlagen, dass Europa 800 Mrd. € Gemeinschaftsschulden aufnehmen sollte, entsprechend 5% des europäischen BIP, um Europa in den Bereichen Rüstung und Infrastruktur voranzubringen.
Solche Massnahmen wie eine Explosion der deutschen Staatsverschuldung und die Umsetzung der Draghi-Pläne wären nur möglich, wenn es endgültig zu einem unumkehrbaren Versinken Deutschlands im europäischen Schuldensumpf käme. Dann gäbe es eine Fiskalunion, bei der die Deutschen nicht nur wie bisher für EU-Schulden, sondern auch für die Schulden aller EU-Länder gemeinsam haften würde, was entsprechend höhere Zinsen für Deutschland bedeuten würde.
Sollte es angefangen mit der Aufgabe der Schuldenbremse bis zu den Draghi-Plänen zu einer neuen europäischen Schuldenwelle kommen, wäre ein Börsenaufschwung in Europa möglich. Dies würde eine bedeutende Outperformance Europas gegenüber den USA bedeuten, erstmals seit der Finanzkrise und dann wahrscheinlich in längerem, grösserem Ausmass. Kurzfristig gab es bereits eine Outperformance Europas im vierten Quartal 2022 nach dem Wegfall der europäischen Negativzinsen.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.
Jens Ehrhardt
Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.