Kühne + Nagel und DSV sind den gleichen zyklischen Marktkräften ausgesetzt. Dennoch entwickeln sich die Aktien der beiden Transport- und Logistikkonzerne 2024 in gegenläufige Richtungen.
58 Prozentpunkte – so gross ist die Differenz in der Kursentwicklung der beiden weltweit führenden Transport- und Logistikkonzerne Kühne + Nagel und DSV seit Jahresbeginn.
DSV befindet sich auf Erfolgskurs, nicht zuletzt dank des im September vereinbarten Schenker-Deals. Mit der Übernahme sichert sich der dänische Konzern die Spitzenposition im globalen Wettbewerb und setzt den mit der Panalpina-Einverleibung 2019 beschleunigten Expansionskurs fort. Für die Logistiksparte der Deutschen Bahn zahlt DSV 14,3 Mrd. €.
Auch für Kühne + Nagel schien die Ausgangslage zu Jahresbeginn vielversprechend. Die Blockade im Roten Meer führte zu einem deutlichen Anstieg der Frachtraten. Die Seefracht, die 36% des Konzernumsatzes ausmacht, profitiert in der Regel von geopolitischen Spannungen.
Seit Ende August sind die Preise jedoch wieder unter Druck geraten, ebenso wie der Aktienkurs. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Schweizer Konzerns korreliert mit der Entwicklung der Seefrachtraten, was Raum für Bewertungskorrekturen offenbart
Denn die erwartete Anhebung der US-Zölle auf chinesische Importe und die Abschaffung der De-Minimis-Regelung in den USA werden 2025 die weltweite Nachfrage belasten, während das Angebot im Luft- und Seefrachtmarkt weiter zunimmt. Sollte sich die Lage im Roten Meer normalisieren und Schiffe die Region wieder uneingeschränkt passieren können, erwartet die Bank of America Seefrachtraten auf dem Niveau von 2019.
DSV verfolgt derweil eine klare Wachstumsstrategie: Mit einem Fokus auf Grosskunden will das Unternehmen seinen Marktanteil im fragmentierten Luft- und Seefrachtmarkt weiter ausbauen. Die Übernahme von Schenker, die voraussichtlich im zweiten Quartal 2025 abgeschlossen wird, dürfte das Gewinnwachstum zusätzlich ankurbeln. Besonders punkto Profitabilität hat DSV historisch betrachtet einen Vorteil gegenüber Kühne + Nagel.
Und während Kühne + Nagel für 2024 ein Umsatzwachstum von 3,6% erwartet, dürfte der Umsatz der Dänen um 9,2% steigen. Die vom Mehrheitsaktionär Klaus-Michael Kühne geforderte konservative Wachstumsstrategie wirkt bremsend. Grösse und Umfang des Angebots spielen in der Branche eine entscheidende Rolle, um in der fortschreitenden Marktkonsolidierung Anteile von kleineren Wettbewerbern zu gewinnen.
Trotzdem zeigt sich Vontobel-Analyst Michael Foeth optimistisch, dass Kühne+Nagel im Jahr 2025 an Dynamik gewinnen wird. Auch Analysten der Deutschen Bank halten die Aktien für überverkauft. Morningstar-Analyst Michael Field sieht es ähnlich: «Viele negative Erwartungen für 2025 sind bereits eingepreist. Die Aktien sind relativ attraktiv bewertet.»
Und vielleicht wiederholt sich die Geschichte: Kühne + Nagel will der künftigen Nummer eins wie nach der Panalpina-Übernahme Kunden und Mitarbeitende abwerben. Zusammen mit der Fokussierung auf das höhermargige KMU-Geschäft und weiter steigenden Konversionsraten soll dem zyklischen Gegenwind begegnet werden. Bis dahin bleibt aber DSV im Vorteil.