Pkw sind deutlich grösser als früher. Das liegt auch am Wunsch nach mehr Platz oder an der Elektromobilität. Die wahren Treiber
dieser Entwicklung sind aber gesetzliche Sicherheitsanforderungen sowie Komfortwünsche der Kunden.
Wer heute zufällig einen aktuellen Fiat 500 neben einem Modell aus den 1950er Jahren parkiert sieht, erkennt sofort: Autos sind heute im Vergleich zu früher deutlich grösser. Dass sich dies auch aufs Gewicht auswirkt, leuchtet ein.
Bestes Beispiel ist der gute alte VW Golf, den es mittlerweile in der achten Modellgeneration gibt. Vergleicht man das Urmodell von 1974 mit dem heutigen Golf, hat sich das Gewicht mehr als verdoppelt. Wie kann es sein, dass in Zeiten von Effizienz und Nachhaltigkeit Fahrzeuge immer schwerer werden?
Die Kunden wollen es so: Der Wunsch bezüglich des Autos ähnelt immer mehr den Vorlieben beim Wohnraum. Der eigene Wagen soll als rollendes Wohnzimmer mit allem erdenklichen Komfort, Platz und jeder Menge Behaglichkeit ausgestattet sein. Ausserdem soll das Auto eine rollende Festung sein, die vor allem die Insassen und die Habseligkeiten gegen jedwede Unbill schützt. Allem voran gilt das Verlangen nach hoher Sicherheit möglichen Folgen von Unfällen, aber auch Diebstählen.
Entsprechend müssen die Autohersteller immer mehr Schutzvorrichtungen wie Knautschzonen, Stossfänger, Seitenstreben, Sicherheitsglas, aber auch Airbags mit ihren Zündungsmechanismen einbauen. Doch auch sie führen zu schwereren Fahrzeugen.
Chips und schwere Diesel bringen Pfunde
Auch ist die zunehmende Elektronik in den Autos ein Faktor beim Gewicht. Vieles davon, insbesondere Fahrassistenzsysteme der Gruppe ADAS (Advanced Driving Assistance Systems), ist mittlerweile gesetzlich vorgeschrieben. Auch das bringt zusätzliche Pfunde.
Bei den Autos mit Verbrennungsmotor ergab zudem die Einführung von Dieselantrieben eine weitere Gewichtszunahme. Dieselmotoren sind schwerer als Benziner, hinzu kommen hier immer mehr Nebenaggregate zur Abgasreinigung wie Katalysatoren, Harnstoff-Einspritzungen und Filter. Denn die Umwelt soll beim Betrieb genauso geschont werden wie bei Elektroautos ohne Abgase.
Schliesslich hat die Elektrifizierung der Fahrzeuge einen weiteren Gewichtssprung verursacht. Batterien sind schwerer als Treibstofftanks mit Inhalt, zumindest heute noch. Betrachtet man die Batterie-Elektroautos (BEV), liegt ihr Gewicht insbesondere aufgrund der Akkus fast 30 Prozent höher als bei Autos mit Verbrennungsmotor.
Und Akkus gibt es nicht nur in reinen Stromern, sondern auch in Hybridfahrzeugen. Gerade die Plug-in-Hybridautos, die sich sowohl mit Verbrennungsmotor als auch elektrisch fahren und auch an der Steckdose aufladen lassen, sorgen für überdurchschnittlich viel Zusatzgewicht. Es gibt in ihnen Verbrenner und E-Motor, dazu eine kleine Batterie sowie Komponenten wie Wechselstrom-Gleichstrom-Wandler, internes Ladegerät, Anschlussbuchse, dazu den Treibstofftank – einfach alles für zwei Antriebsarten.
Daraus ergibt sich, wie eine neue Studie des Marktforschungsunternehmens Jato Dynamics ermittelt hat, für Plug-in-Hybridautos in bestimmten Fahrzeugsegmenten sogar ein höheres Durchschnittsgewicht als für Batterie-Elektroautos. Was derzeit als die ideale Zwischenlösung für Kunden angepriesen wird, die Schritt für Schritt in die Elektromobilität einsteigen wollen, ist zwar praktisch und bequem, aber nicht nachhaltig. Am Zusatzgewicht wird sich auch nichts ändern, wenn in einigen Jahren synthetischer Treibstoff, also E-Fuel, für Autos in genügender Menge zur Verfügung stehen sollte.
Ein weiterer Faktor ist der Leistungszuwachs bei Fahrzeugen mit Elektroantrieb oder -unterstützung. Insbesondere BEV erzielen oft deutlich höhere Leistungs- und Drehmomentwerte als Verbrenner im gleichen Fahrzeugsegment. Dies bringt höhere Anforderungen an die Bremsanlage und die Antriebswellen. Mehrgewicht ist auch hier die Folge. Berechnet man hier jedoch das Gewicht pro PS, liegen die BEV deutlich besser als die Plug-in-Hybridautos. Noch schlechter als die Stecker-Hybride schneiden die reinen Hybridwagen ab, die den E-Motor und die Batterie nicht als alleinige Antriebsquelle nützen. Sie sind für die abrufbare Leistung deutlich zu schwer.
Leichtbau bringt manchmal auch geringere Kosten
Aber es gibt auch Lichtblicke. Die Hoffnung auf den Durchbruch bei der Batterietechnik und eine deutliche Verringerung von Gewicht und Grösse von Akkus nähren den Glauben an einen raschen Wandel vom Verbrenner zum Elektroauto. In diesem Zusammenhang fällt oft der Begriff Feststoffbatterie, die eine viel höhere Energiedichte ermöglichen und damit Platz und Gewicht einsparen würde. Wann aber dieser Durchbruch kommt, ist bei den Batterieexperten noch strittig.
So konzentriert sich die Arbeit an der Verringerung des Fahrzeuggewichts auf alles, was nicht direkt den Antrieb betrifft. Dazu gehört der Einsatz von hochfestem Stahl, der immer häufiger in den Karosserien verbaut wird und sogar weniger wiegt als Carbon-Verbundstoffe (CFK). Der positive Nebeneffekt: Hochfester Stahl ist deutlich günstiger herzustellen als CFK.
Weitere Einsparungen lassen sich durch moderne Kunstfasern bei Stoffbezügen und Plastikteilen im Interieur erzielen. Auch leichte Naturfasern kommen immer mehr zum Einsatz, etwa Flachs oder Kork. Das vergleichsweise schwere Leder hat als Innenraum-Bezugsstoff bald vollkommen ausgedient.
Und schliesslich gibt es auch in der Fahrzeugelektronik Fortschritte. Schwere – und teure – Kabelbäume zur Vernetzung der Chips mit dem Betriebssystem gibt es in den modernsten Fahrzeugen immer weniger, stattdessen kommen Bluetooth-Verbindungen oder kleine drahtlose Netzwerke zum Einsatz. Fahrzeuge fahren somit immer öfter in der Wolke – und damit fast so leicht wie auf Wolken.
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