Experten raten vom Kraftausdauertraining im Fitnessstudio ab – und empfehlen stattdessen Übungen mit schweren Gewichten und wenigen Wiederholungen.
Acht bis zwölf Wiederholungen, zwei bis drei Sätze: So lautet die bewährte Formel, die Einsteigerinnen in Fitnesscentern weltweit lernen, um ihre Muskeln wachsen zu sehen. Man spricht auch vom Hypertrophietraining: Ziel ist es, das Gewebe zu einer Anpassung zu zwingen, indem man es fordert.
Zu Beginn sind die Erfolge meist gross. Auch bei eisern eingehaltenem Trainingsplan steht man aber irgendwann an einem Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht. Anstrengung und Körper haben sich einander angepasst. Um über das Plateau hinauszukommen, braucht es neue Trainingsreize.
Brennende, ermüdende Muskeln
Eine Möglichkeit der Variation ist, die Anzahl Wiederholungen zu steigern, auf über 25 Wiederholungen pro Satz. Man spricht von Kraftausdauertraining. Ganz trennscharf ist die Definition aber nicht.
Gommaar D’Hulst ist Sportwissenschafter an der ETH Zürich und Gründer von «wod_science», einer Plattform, die sich der Wissenschaftsvermittlung im Bereich Fitness und Sporternährung verschrieben hat. Er sagt, die Belastung beim Kraftausdauertraining liege typischerweise bei 30 bis 50 Prozent der Maximalkraft, des One Repetition Max (1RM), und damit klar tiefer als beim klassischen Hypertrophietraining, das bei rund 80 Prozent des 1RM ansetze.
Studien hätten gezeigt, dass alle Repetitionszahlen zum Muskelwachstum führten. Also auch Kraftausdauer. Als typischen Sport, der Kraftausdauer fördert wie auch benötigt, nennt D’Hulst Crossfit, das er selbst betreibt. Zum Kraftausdauertraining im Studio würde er hingegen nicht raten. «25 Repetitionen pro Übung zu machen, dreimal hintereinander, das ist sehr hart, und dabei entsteht viel Laktat», sagt D’Hulst. Sprich: Die Muskeln brennen und ermüden. Besser sei es, klassisches Hypertrophietraining mit Ausdauer zu kombinieren.
Auch Jan Seiler, Kraftrainingsexperte beim Bundesamt für Sport, macht ein Fragezeichen beim Kraftausdauertraining. Es gehe dabei ja darum, eine Ermüdungsresistenz aufzubauen beziehungsweise eine Kraft über eine bestimmte Zeit zu halten. «Die Frage ist, ob das die richtige Methode dafür ist.» Kraftausdauer werde am besten durch die Ausübung des Zielsports selbst trainiert. Das Training im Studio zu diesem Zweck sei nicht effizient.
Verbesserte Koordination
Ganz anders fällt Seilers Bewertung des Maximalkrafttrainings aus, bei dem die Repetitionszahl stark reduziert wird. Gelingt es, die Maximalkraft zu steigern, fördere das indirekt auch die Kraftausdauer, so Seiler.
D’Hulst wie auch Seiler nennen als weiteren Vorteil die Verbesserung der neuromuskulären Koordination. Das ist die Fähigkeit, möglichst alle motorischen Einheiten gleichzeitig zu aktivieren. Es ist ein wesentlicher Faktor bei der Maximalkraft. Ein anderer ist die Muskelmasse, sie steht in einer Korrelation zur Muskelkraft. Masse allein ist aber nicht gleichbedeutend mit Kraft, wie beide Experten feststellen.
Bestimmt wird die Maximalkraft in der Praxis oft als das Gewicht, das einmal gedrückt oder gehoben werden kann. «Das ist die geläufige Definition», so D’Hulst. In der Wissenschaft wird anders gemessen. Es gibt die isokinetische Maximalkraftmessung, wobei maximal gegen eine sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegende Barriere gedrückt wird. So kann in jedem Winkel der Bewegung die Maximalkraft gemessen werden.
Maximalkraft wird nicht etwa durch Einzelrepetitionen trainiert, sondern über tiefe Repetitionszahlen. Sonst fehle das Volumen, sagt Seiler. «Wenn man 4 Mal 6 Wiederholungen macht, ergibt das 24. 24 Mal eine einzige zu machen, wäre eine extreme Belastung und aufgrund der Pausen nicht effizient.»
Im Maximalkrafttraining sind drei Minuten Pause zwischen den Sätzen das Mindeste, besser sind fünf. Wer in Supersets trainiere, also zwischen verschiedenen Übungen wechsle, um die Pausen zu verkürzen, trainiere weniger effektiv, weil das neuronale System zusätzlich belastet werde, so Seiler. Er empfiehlt in diesem Fall, wenigstens Ober- und Unterkörperübungen zu kombinieren. Ausserdem solle man das Training immer im möglichst erholten Zustand antreten. Nach langem Ausdauertraining sei Maximalkrafttraining nicht effektiv.
Seiler rät im Kraftsport generell, komplexe Übungen zu favorisieren sowie solche, die den Muskel über die ganze Länge trainierten. Das heisst zum Beispiel, Kniebeugen der Beinpresse vorzuziehen.
Das sei beim Maximalkrafttraining aber nicht immer möglich. Etwa bei Profiradsportlern, deren Beine weit mehr drücken können, als der Rumpf trägt. Der Sicherheit ist im Umgang mit schweren Gewichten immer Priorität einzuräumen. Wer zum ersten Mal vom konventionellen Hypertrophietraining zur Maximalkraft wechselt, sollte sich über eine progressive Belastungssteigerung langsam herantasten. Empfohlen ist auch, sich kompetent begleiten zu lassen.
Tipps für ein effizientes Krafttraining
Trainingshäufigkeit: Kraftsport kann relativ einfach sein. Das ist das wichtigste Ergebnis einer kanadischen Metastudie aus dem Jahr 2023. So ist die Trainingshäufigkeit der bestimmende Faktor für das Muskelwachstum, wobei sich zwei Trainingseinheiten pro Woche als klar effektiver herausstellten als eine. Und ein drittes Krafttraining pro Woche brachte gemäss der Metastudie nur noch minimale Vorteile. Man müsse sich über Trainingsprogramme also nicht zu sehr den Kopf zerbrechen, folgern die Studienautoren. Der Wermutstropfen: Die Erkenntnis ist auf Hobbysportlerinnen und Freizeitsportler ohne grosse Ambitionen beschränkt.
Trainingspartner: Selbst wenn man die Übungen gelegentlich variiert, bleibt Kraftsport monoton und eine Pflichtübung. Ein Trainingspartner oder eine Trainingspartnerin können helfen, die Motivation zu erhalten und die Zeit zwischen den Sätzen für einen Schwatz zu nutzen. Ausserdem ist Feedback von aussen manchmal sinnvoller als eine Selbsteinschätzung über Können und Grenzen. Vor allem aber erhöht das Training zu zweit bei Übungen wie Bankdrücken und Kniebeugen die Sicherheit. Denn bei diesen Übungen kann ein Muskelversagen schwerwiegende Folgen haben. Das Trainieren zu zweit erlaubt es, kontrolliert ans Limit zu gehen und komplexen Übungen mit freien Gewichten gegenüber Übungen an der Maschine den Vorzug zu geben.
Proteinzufuhr: Ohne Proteine kein Muskelaufbau, so weit, so einfach. Die Versorgung des Körpers mit Eiweiss ist für Trainingsfortschritte und deren Erhalt essenziell. Wie viel Proteinzufuhr aber ist genug? Bei diesem Thema driften die Meinungen auseinander. Im Bodybuilding werden 2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht und mehr empfohlen. Für den Breitensport ist das zu viel. Jüngere Empfehlungen raten zu 1,4 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Zu beachten ist bei der Einnahme, dass der Körper nur 30 bis 40 Gramm aufs Mal absorbieren kann. Zur Ernährungsplanung gehört deshalb, die Proteinaufnahme vorausschauend über den Tag zu verteilen.