Der UBS-Chef und der Swissmem-Präsident sprechen im Interview über die Folgen der Fusion für den Finanz- und Werkplatz.
Herr Hirzel, die UBS schluckt die Credit Suisse. Was ändert das für die Firmen, die Sie vertreten?
Martin Hirzel: Es war ein Standortvorteil für den Werkplatz Schweiz, zwei international tätige Grossbanken vor Ort zu haben. Dieser Wettbewerb hat zu unseren Gunsten funktioniert. Viele Unternehmen hatten eine langjährige, gute Beziehung mit der Credit Suisse, die sogar oft als die unternehmerischere Bank wahrgenommen wurde. Ich würde sagen, bisher hat sich noch nicht viel geändert, aber stimmungsmässig hat der Wegfall der Credit Suisse bei den Schweizer Industriefirmen zu Verunsicherung geführt. Wir sind jetzt einer Grossbank de facto stärker ausgeliefert, und Abhängigkeiten mögen wir grundsätzlich nicht.
Ist es denn so wichtig, eine Hausbank zu haben, die einen durch gute und schlechte Zeiten begleitet? Manche Patrons sind doch stolz darauf, nicht von Bankkrediten abhängig zu sein.
Hirzel: Das stimmt, KMU sind oft sehr konservativ finanziert. Aber wir sind eine stark exportorientierte Industrie. Exportfinanzierungen sind eine sehr wichtige Dienstleistung. Zudem haben viele Firmen bei ihrer Bank ungedeckte Betriebskredite, und wenn sie ein anderes Unternehmen kaufen oder Kapital aufnehmen wollen, brauchen sie die Dienstleistungen ihrer Bank.
Herr Ermotti, wird die UBS jetzt auch zu einer Unternehmerbank, wie die CS eine war?
Sergio Ermotti: Tatsache ist, dass die UBS schon vor der Akquisition der CS in der Schweiz einen grösseren Marktanteil im Geschäft mit Schweizer KMU hatte als die Credit Suisse. Im dritten Quartal 2023 hatten wir 15 Prozent, und kombiniert mit der CS kamen wir auf 29 Prozent. Wir haben also auch jetzt bei weitem keine marktbeherrschende Stellung. Die Konkurrenz durch Kantonalbanken und ausländische Banken ist sehr stark. Die CS hatte sicher gute Produkte und kompetente Leute. Aber der Slogan, unternehmerisch zu sein, ist in den letzten Jahren mehr zum Problem für die CS geworden, als er Vorteil war. Unternehmerisch und unbürokratisch hin oder her: Banking ist kein Silicon Valley, ist nicht Biotech und auch nicht soziale Netzwerke. Das Kerngeschäft von Banken ist es, Risiken zu handhaben und im Griff zu behalten. Dazu gehört, ab und zu Verluste zu absorbieren. Aber man muss dabei solide Regeln und Fakten beachten und darf sich nicht einfach von Instinkten leiten lassen.
Sie glauben also, dass eine unverantwortliche Risikokultur zum Niedergang der CS geführt hat. Haben da deren Manager und Mitarbeiter noch eine Zukunft bei der UBS?
Ermotti: Die meisten Mitarbeiter der CS sind gute und professionelle Leute, die für die Kunden und die Bank erfolgreich sein wollen. Sie werden bei der UBS keine Probleme haben. Das Thema Risikokultur wird angegangen, es gelten die Prozesse des UBS-Risikomanagements. Wer sich da nicht anpasst, hat keinen Platz. Aber sehen Sie, diese kulturellen Fragen sind ein Top-down-Thema. Die strategische Orientierung und die Risikokultur entwickeln sich ganz oben, die Fehlleistungen kamen auch bei der CS nicht von unten.
Im Resultat fühlt sich die neue UBS nun dem Schweizer Werkplatz stärker verpflichtet als die alte?
Ermotti: Wir waren und sind die grösste Bank der Schweiz. Die Kombination der zwei Banken wird es uns ermöglichen, noch bessere Dienstleistungen zu offerieren. Wir nehmen das Beste von beiden, werden also auch unser Engagement in der Handelsfinanzierung intensivieren. Das ist ein Win-win; eins plus eins kann auch mehr als zwei ergeben.
Eins plus eins könnte auch anderthalb sein, wenn man etwa bei den Kreditlinien nicht das verdoppelte Risiko eingehen will. Sind Schweizer Firmen nun gezwungen, neue Bankverbindungen einzugehen?
Hirzel: Ich bin sehr dankbar für das Versprechen von Sergio Ermotti gegenüber dem Werkplatz Schweiz und den KMU. Den Beweis erbringen kann die Bank, wenn es nächstes Jahr dem Werkplatz voraussichtlich schlechtergeht. Der Auftragseingang ist leider stark rückläufig in der Schweizer Tech-Industrie, und wahrscheinlich werden einige Firmen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
Wobei Banken nicht überlebensfähige Firmen auch nicht endlos stützen können.
Hirzel: Wir verlangen keine Wohltätigkeit von der UBS.
Ermotti: Klar, die Wirtschaftslage ist zentral, und Unternehmen müssen fit bleiben. Aber wenn eine zukunftsträchtige Firma in eine schwierige Situation gerät, wollen wir im Rahmen des Möglichen sicher helfen. Zudem sind es meist die Banken, die weniger exponiert sind, die zuerst die Geduld verlieren und in einem Bankenkonsortium opportunistisch Vetokonditionen diktieren. Ich war dabei in der Finanzkrise, und da hat sich ganz genau gezeigt, was passiert und welcher Vorteil es ist, eine grosse einheimische Hausbank zu haben.
Sehen Sie das auch so, Herr Hirzel, braucht der Werkplatz Schweiz eine schweizerische Grossbank?
Hirzel: Es ist auf jeden Fall von Vorteil. Die schweizerische Tech-Industrie ist international aufgestellt. Wir beschäftigen im Ausland doppelt so viele Mitarbeitende wie in der Schweiz. Ohne internationale Aufstellung hätten viele Unternehmen keine Chance – also brauchen sie auch eine Bank, die ebenfalls international aufgestellt ist.
HSBC, BNP Paribas oder eine Citi sind auch international aufgestellt und können Unternehmen begleiten.
Ermotti: Moment mal: Die Schweiz hat eine international erfolgreiche Ernährungsindustrie, eine gute Pharmaindustrie . . .
Hirzel: . . . sagen Sie noch: eine international sehr erfolgreiche Tech-Industrie . . .
Ermotti: . . . und Tech-Industrie – alles, was Sie wollen. Aber für den Finanzplatz, der übrigens in der Schweiz ganze vierzig Prozent der Unternehmenssteuern bezahlt, da sehen Sie keine Notwendigkeit, ein international erfolgreiches Schweizer Unternehmen zu haben? Bloss lokale Player und ein paar Angebote aus dem Ausland? Ist das Ihre Vision? Wollen Sie als Schweiz ins Rütli-Reduit zurück?
Wieso sollen global tätige ausländische Firmen den Schweizer Kunden nicht auch gute Dienstleistungen anbieten können?
Ermotti: Ausländische Banken und die UBS sind komplementär. Wir begrüssen den Wettbewerb. Aber letztes Jahr haben die UBS, die CS und ihre Mitarbeiter zusammen 2,3 Milliarden Franken Steuern bezahlt. Damit hätten Sie die zweite Gotthardröhre finanziert. Das sollten sich jene Leute einmal vor Augen halten, die davon sprechen, sie wollten die Steuerzahler schützen. Und übrigens wird die Schweiz in Finanzfragen auch nur zur G-20 eingeladen, weil wir eine Grossbank haben.
Hirzel: Unsere mittelgrossen und grossen Unternehmen haben traditionell auch Beziehungen zu ausländischen Banken. Aber in einem Abschwung möchten wir nicht abhängig sein von ausländischen Instituten.
Schweizer Banken sind doch längst nicht mehr in allen Märkten präsent.
Ermotti: Unsere kombinierten Handelsnetzwerke decken weltweit 167 Länder ab. Wir haben mehr als 2300 Korrespondenzbanken. Man muss nicht überall physisch präsent sein, das käme viel zu teuer. Banken sind gleichzeitig gegenseitig Kunden und Konkurrenten und in den Finanzmärkten oft auch Gegenparteien.
Wegen dieser Vernetztheit sind Banken wie die UBS dann «too big to fail», zu gross, um unterzugehen. Die UBS konnte die CS retten. Aber wenn die UBS in Schwierigkeiten geriete, stünde keine andere schweizerische Grossbank mehr bereit. Haben da die Stimmen nicht recht, die vor den Risiken einer Monsterbank warnen?
Ermotti: Der Begriff Monsterbank wurde von Journalisten kreiert, die auf viele Klicks aus sind. Dieses Konzept hat meiner Meinung nach nichts zu tun mit dem, was wir als Bank und für die Schweiz sind. Kennen Sie «Iron Giant», den Film von dem Eisenmann aus dem All? Wenn wir ein fremdartiges Wesen sind, dann sind wir der Iron Giant. Ein Geschöpf, das in dem Film zuerst als Bedrohung empfunden wird, bis man versteht, dass es doch eine positive Kraft ist.
Trotzdem: Wenn die UBS einmal in Schwierigkeiten geraten sollte, hätte die Schweiz ein grosses Problem.
Ermotti: Das glaube ich nicht. Die CS existiert nicht mehr. Wir konnten die CS objektiv beurteilen. Die Bank hätte eine 44-prozentige Kernkapitalquote gehabt, wenn man alle Wandelanleihen gezogen hätte. Man hätte die CS liquidieren können, ohne einen Franken Verlust für die Kunden und die Steuerzahler. Das kann ich Ihnen versichern.
Die Übernahme der UBS war Ihrer Ansicht nach einfach die bessere Lösung?
Ermotti: Was für eine Frage! Eine Grossbank zu liquidieren, obwohl eine private Lösung zur Verfügung steht, nur um zu bestätigen, dass «too big to fail» funktioniert, wäre doch reiner Masochismus gewesen. Der Reputationsverlust für den Finanzplatz wäre viel grösser ausgefallen. Man hat nicht gewusst, was für Schockwirkungen dies ausgelöst hätte, und sicher wären viel mehr Arbeitsplätze verlorengegangen.
Herr Hirzel, haben die Probleme der CS den Blick des Werkplatzes und seiner Unternehmen auf den Finanzplatz verändert?
Hirzel: Wir brauchen beides, eine starke Industrie und starke, international tätige Banken. Die Schweiz und unsere Produkte stehen für Verlässlichkeit und Qualität. Da hat der Niedergang der CS der Reputation sicher nicht geholfen. Ich komme gerade von einer Reise aus China zurück. Ich wurde öfters gefragt, ob wir noch verlässlich und neutral seien.
Ermotti: Die CS-Krise war sicher kein schönes Kapitel in der Geschichte des Finanzplatzes, und ich möchte nochmals betonen, dass sich niemand den Untergang der CS gewünscht hat und erst recht nicht die Art und Weise, wie er passiert ist. Aber ich wüsste kein anderes Land, das fähig wäre, eine solche Krise in 72 Stunden so zu meistern, wie die Schweiz das geschafft hat. Man muss auch das Positive sehen. Man hatte eine schweizerische Bank, die alle Regulatoren weltweit für stark genug hielten, um Teil der Lösung zu sein. Und der Bund war zusammen mit der Nationalbank fähig, die Liquiditätslücke zu füllen. Die UBS hat nach wenigen Monaten alles zurückgezahlt.
Was für Lehren sollte die Schweiz Ihrer Ansicht nach aus dem Untergang der CS ziehen?
Ermotti: Gut, gibt es die parlamentarische Untersuchungskommission. Schauen wir, zu welchen Schlüssen sie kommt. Meiner Ansicht nach war die Krise der CS ein vom Rest der Branche losgelöstes Ereignis, das sich über Jahre entwickelt hat. Man wollte das Problem in der Schweiz einfach nicht wahrhaben, obwohl es die Märkte gut verstanden haben.
Die Regulatoren fühlten sich offenbar ausserstande, darauf mit Härte zu reagieren.
Ermotti: Wenn man eine Krise wie diejenige der CS oder von einigen kleineren Banken in den USA verhindern will, braucht es eine Regulierung, die sicherstellt, dass Risiken angemessen gehandhabt werden. Wenn wir in der Schweiz regelmässig die Resultate der Stresstests veröffentlicht hätten, wären die Probleme der CS wahrscheinlich früher offenkundig geworden. Und die Aufsichtsbehörden müssen sinnvollere Parameter erhalten, die es ihnen erlauben, rechtzeitig einzugreifen. Niemand will, dass Banken Gewinne machen, aber Gewinne sind ein guter Indikator.
Hirzel: Also wir haben ein Interesse daran, dass die UBS eine profitable Bank ist und bleibt.
Ermotti: Es gibt nichts Schlimmeres als eine Bank, die kein Geld verdient. Wenn eine Bank statt Gewinne nur Verluste erzielt und mit Reputationsproblemen kämpft, dann müssen das nicht nur die Kapitalmärkte erkennen und angehen, sondern auch die Aufsichtsbehörden. Aber sehen Sie, in vielen Fällen geht es nicht nur um Kompetenzen, sondern um Glaubwürdigkeit. Wir haben ein sehr grosses Interesse an einer starken Finma. «Stark» bedeutet nicht mehr Regulierung, sondern gezielte Optimierungen der Rahmenbedingungen und kluge Regeln und Köpfe.
Könnte man die Banken nicht regulatorisch in Ruhe lassen, wenn sie genug Eigenkapital vorhalten würden, so dass die Aktionäre die Verluste absorbieren?
Ermotti: Die CS hatte genug Eigenkapital. Es braucht nicht noch mehr teures Eigenkapital. Das zu behaupten, ist reiner Populismus. Mehr Kapital käme die gesamte Wirtschaft teuer zu stehen – fragen Sie Herrn Hirzel.
Hirzel: Alle regulatorischen Ideen, von denen ich bisher gehört habe, verteuern nur das Bankgeschäft, die Kredite und Hypotheken. Wir als Industrie wollen nicht für zusätzliche Bankenregulierung zahlen. Wir wünschen uns Banken, die etwas bodenständiger und bescheidener sind, aber das kann man nicht regulieren. Froh bin ich, dass die UBS mit Sergio Ermotti einen CEO hat, der wie ich ursprünglich eine Berufslehre gemacht hat. Das ist der bessere Garant für Bodenständigkeit.
Ermotti: Bei uns ist das nicht nur ein Werbeslogan. Wir sind eine Bank wie die Schweiz. Bodenständig, aber auch international ausgerichtet und erfolgreich.
Was sagen Sie zu Kritikern, die eine zu hohe Einwanderung beklagen und finden, es brauche weniger internationale Firmen in der Schweiz?
Hirzel: International aufgestellte Firmen haben dieses Land reich gemacht. Aber wir verstehen, dass das Thema Zuwanderung die Schweizer bewegt. Es gibt Lösungen, um die Zuwanderung zu minimieren. Wir müssen halt wieder länger und mehr arbeiten und Anreize schaffen, damit das auch geschieht.
Viele Schweizer wollen aber weniger lange arbeiten.
Hirzel: Dann brauchen wir mehr Ausländer und müssen mit den Folgen besser umgehen. Mehr in Infrastruktur investieren, verdichtet bauen, nicht auf der grünen Wiese, sondern hier in den Städten. Man brauchte bloss die Vorschriften zu liberalisieren. Und wir sollten auf Automatisierung und Digitalisierung setzen.
Ermotti: Ja, und zwar endlich auch beim Staat. Wenn der Staat irgendwo wirklich investieren sollte, ist es bei der Digitalisierung. Wie sollen wir die Produktivität erhöhen, wenn wir in der Schweiz immer bürokratischer werden? Dann arbeiten die Leute für die Bürokratie statt für die KMU und den Privatsektor.
Der Bundesrat will nun mit der EU ein Bilaterale-III-Paket verhandeln. Was halten Sie davon?
Hirzel: Die Politik hat jahrelang das Verhältnis zu unserem wichtigsten Handelspartner und grössten Kunden, der EU, schleifen lassen. Das war fahrlässig. Die Tech-Industrie braucht gleichberechtigten Marktzugang und leidet unter Fachkräftemangel. Gerade in technischen Berufen ist Nachwuchs in der Schweiz knapp. Wir sind angewiesen auf den europäischen Talentpool. Wir brauchen die besten Köpfe und die flinksten Hände und deswegen auch die Personenfreizügigkeit mit der EU. Swissmem unterstützt die Bilateralen III.
Ermotti: Wir müssen unbedingt eine Lösung finden, die dann auch vor dem Volk Bestand hat. Eine weitere Konfrontation mit der EU sollten wir uns nicht leisten. Wir werden sicher Konzessionen machen müssen, aber Brüssel muss auch anerkennen, dass wir kein EU-Mitglied sind. Auch für die Finanzbranche ist die Personenfreizügigkeit absolut zentral, auch wenn wir das einheimische Arbeitskräftepotenzial noch besser nutzen und die Produktivität weiter steigern wollen.
Die Schweiz ist wieder einmal mittendrin im geopolitischen Kräftemessen. Wie sehen Sie das, läuft die Schweiz Gefahr, zwischen die Fronten zu geraten?
Hirzel: Das Umfeld hat sich eindeutig verschlechtert. Die Schweiz als offene Volkswirtschaft war einer der grössten Profiteure von Globalisierung und Freihandel. Wenn wieder die Macht des Stärkeren gilt, verliert die Schweiz. Ich glaube, statt moralisierend aufzutreten, sollten wir agil und pragmatisch bleiben.
Die UBS setzt auf die USA und auch auf Asien. Ist das nicht gefährlich, bei den geopolitischen Rivalitäten?
Ermotti: Wir sind zu klein, um ein wichtiger Faktor zu sein. Aber wir müssen uns an alle Sanktionen halten. Das ist nicht einfach. Aber wir als kleine Schweiz machen in der Implementierung mehr als viele andere, auch als die Vereinigten Staaten.
Aus den USA kommt gleichwohl Kritik.
Ermotti: Man muss unterscheiden zwischen den Wortmeldungen diverser Interessengruppen und jenen der Politik. Nicht alles, was aus Amerika kommt, ist die Stimme der Regierung.
Hirzel: Wir müssen auch nicht Everybody’s Darling sein. Es ist nicht verwerflich, sich für die Interessen des eigenen Landes zu engagieren und mit allen Ländern im Austausch und Dialog zu bleiben. Wir sollten uns absichern und Freihandelsabkommen auch mit Ländern abschliessen, die vielleicht nicht die besten Freunde der USA sind, aber mit denen wir «friendshoring» betreiben können.
Ist denn die Neutralität noch ein Geschäftsvorteil?
Hirzel: Unsere Wettbewerbsvorteile waren immer primär die Verlässlichkeit, die Qualität, Präzision, Hightech, unsere internationale Aufstellung und Präsenz. Und dann vielleicht auch, dass wir uns nicht anmassen, uns in jeden Konflikt einzumischen und es besser zu wissen.
Und für den Finanzplatz, wie wichtig ist da die Neutralität?
Ermotti: Als Staatsbürger denke ich, auch die Neutralität sollte man modernisieren. Die Verhältnisse sind heute anders als noch im Zweiten Weltkrieg. Aber dass wir in der Schweiz auf Augenhöhe spielen können mit den grössten Finanzinstituten weltweit, ohne eine geopolitische Macht zu sein, das ist sicher ein Vorteil.
Sergio Ermotti – der Banker
Der 1960 geborene Schweizer, der im April 2023 als CEO zurückgeholt wurde, um die Integration der Credit Suisse in die UBS erfolgreich zu bewerkstelligen, hat das Bankgeschäft von der Pike auf gelernt. Sergio Ermotti machte in seiner Heimatstadt Lugano eine Banklehre, bevor er nach Zürich zog, um für die amerikanische Citibank und später Merrill Lynch als Händler und Investmentbanker zu arbeiten. Für Merrill Lynch wechselte er dann nach London und New York und übernahm verschiedene Führungspositionen. 2005 ging er nach Mailand zu Unicredit, wo er als stellvertretender CEO das internationale Corporate und Investment Banking und später auch die Vermögensverwaltung leitete. 2011 wechselte Ermotti zur UBS, die er ab September jenes Jahres bis 2020 als CEO und Vorsitzender der Geschäftsleitung zusammen mit dem Verwaltungsratspräsidenten Axel Weber redimensionierte und neu positionierte. Nun soll Ermotti sicherstellen, dass die einzige verbliebene internationale Schweizer Grossbank ein Erfolg wird.
Martin Hirzel – der Industrielle
Der 1970 geborene Präsident des Schweizerischen Verbands der Schweizer Tech-Industrie (Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sowie verwandte Technologiebranchen, Swissmem) hat in Zürich eine kaufmännische Lehre absolviert, bevor er an der ZHAW Betriebswirtschaft studierte. Danach sammelte er in verschiedenen Industriefirmen breite internationale Erfahrung. Für den Rieter-Konzern baute er ab dem Jahr 2000 von Schanghai aus das Textilmaschinengeschäft in China auf und führte ab 2005 das Autozuliefergeschäft. 2007 wechselte Hirzel nach Brasilien, von wo aus er die Autosparte in Lateinamerika, im Nahen Osten und in Afrika leitete. 2011 kehrte er in die Schweiz zurück, um als CEO bis 2019 die an die Börse gebrachte Autoneum zu leiten. Seit seiner Wahl zum Swissmem-Präsidenten Anfang 2021 wirkt Hirzel mit viel Enthusiasmus als eine führende Stimme der exportorientierten schweizerischen Industrie und der KMU. Hirzel ist zudem Verwaltungsrat der Bucher Industries und der Dätwyler Holding sowie von drei privat gehaltenen KMU.