Die Schweizer werden bald über die einheitliche Finanzierung von Gesundheitsleistungen abstimmen. Die Reform sei ein Meilenstein für fortschrittliche Versorgungsmodelle, sagt Felix Huber vom Ärztenetzwerk Medix.
Was hat der Einzelne von der Gesundheitsreform, über die wir am 24. November abstimmen werden? Das dürften sich zahlreiche Prämienzahler fragen. Die Vorlage zur einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (Efas) ist komplex, die Wirkungen sind nicht einfach zu verstehen.
Doch Felix Huber ist überzeugt, dass die Reform für die Prämienzahler spürbar werden wird. Er ist Präsident des Medix-Ärztenetzwerks und gehört zu den Pionieren von fortschrittlichen Versorgungsmodellen in der Schweiz. Huber sagt: «Dank Efas werden gute Versicherungsmodelle höhere Prämienrabatte an die Versicherten weitergeben können.» Künftig seien Rabatte von 25 Prozent auf die Standardprämien möglich statt wie bisher 15 bis 20 Prozent. So erhielten die Versicherten neue Sparmöglichkeiten.
Hausärzte mit Budgetverantwortung
Ein «gutes Modell», das ist für Huber jenes von Medix. Das vor über 20 Jahren gegründete Netzwerk vereinigt mittlerweile rund 900 Ärzte mit über 500 000 Patienten und ist damit der grösste Anbieter von hausärztlich koordinierter Versorgung in der Schweiz. In diesem Versorgungsmodell sind die Hausärzte (die zum Teil in Gruppenpraxen arbeiten) die erste Anlaufstelle und Vertrauensperson für die Patienten. Solche «Managed Care»-Modelle haben derzeit 23 von 39 Schweizer Krankenversicherern im Angebot.
Die Hausärzte steuern die Versorgung der Patienten – und sie übernehmen dabei Budgetverantwortung. Sie entscheiden, ob allenfalls ein Spezialist konsultiert werden muss oder gar ein Spitalaufenthalt nötig ist. Weil die Medix-Ärzte dabei auch die Kosten im Blick hätten, würden sie «nicht aus jedem Bagatellfall einen Geschäftsfall machen», wie das sonst im Gesundheitswesen häufig passiere, sagt Huber. Das Resultat seien eine bessere Behandlungsqualität und um 20 bis 25 Prozent tiefere Kosten, wie Studien belegen würden. Das deckt sich mit anderen Einschätzungen, gemäss denen bis zu 30 Prozent der Behandlungen im Gesundheitswesen überflüssig sind und ohne Qualitätseinbussen vermieden werden könnten.
Der einzelne Medix-Arzt verdient nicht mehr, wenn er einem Patienten eine Untersuchung verwehrt. Die Ärzte erhalten stattdessen einen jährlichen Bonus von rund 10 Prozent, wenn sie breit gefasste Qualitätsziele erreichen und das Ärztenetzwerk als Ganzes Einsparungen erzielt.
Ein wichtiger Kanal ist laut Huber, dass man Untersuchungen nur anordnet, wenn es nötig ist, und dann an den richtigen Spezialisten überweist. Chronisch Kranke würden möglichst langfristig begleitet. Auch achte man konsequent darauf, Generika statt Originalpräparate zu verschreiben. Zudem müssten dank einer sorgfältigen Betreuung die Patienten um 10 Prozent weniger häufig ins Spital eingewiesen werden.
Wie Efas die Anreize ändert
Hier kommt die Efas-Reform ins Spiel. Bis jetzt bezahlen die Kantone 55 Prozent eines stationären Spitalaufenthalts, 45 Prozent tragen die Krankenkassen. Wenn ein Spitalaufenthalt vermieden wird, kommt also die Hälfte der Einsparung den Kantonen zugute. Im Gegensatz dazu gehen ambulante Leistungen zu 100 Prozent zulasten der Krankenkassen.
Mit Efas soll ein einheitlicher Finanzierungsschlüssel für ambulante und stationäre Leistungen eingeführt werden (73,1 Prozent Krankenversicherer und 26,9 Prozent Kantone). Bei einem vermiedenen Spitalaufenthalt würde also ein grösserer Teil der Einsparung bei den Krankenkassen anfallen. «Die Einsparungen, die wir in der hausärztlich koordinierten Versorgung schon heute erzielen, könnten wir künftig in Form von höheren Prämienrabatten an die Versicherten weitergeben», sagt Huber.
So könnten sich fortschrittliche Versicherungsmodelle auch stärker von anderen abheben. Bis jetzt sind laut Schätzungen nur 25 Prozent aller Prämienzahler in der Schweiz in einem Hausarzt- oder HMO-Modell versichert, bei dem die Ärzte Budgetverantwortung tragen und einen entsprechenden Vertrag mit den Krankenversicherern haben. Beim Rest gibt es keine solchen Anreize. Rund ein Viertel der Bevölkerung hat das Standardmodell mit freier Arztwahl und ohne Prämienrabatt. Daneben gibt es unter den alternativen Versicherungsmodellen Telmed-Angebote (zwingende Erstkonsultation per Telefon) sowie Hausarzt- und HMO-Modelle, bei denen die Anbieter aber keine Budgetverantwortung tragen.
Geringe Sichtbarkeit für die Versicherten
Oft wissen die Versicherten gar nicht, ob sie in einem Modell mit oder ohne koordinierte Versorgung sind. «Dass das bis jetzt zu wenig sichtbar ist, stellt ein grosses Problem dar», räumt Huber ein. Wer sich beispielsweise auf dem Prämienrechner des Bundes informieren will, ob er auf das kommende Jahr die Krankenkasse wechseln soll, kann als Versicherungsmodelle nur «Standard», «Hausarzt», «HMO» oder «Weitere» unterscheiden.
Eine Differenzierung nach «koordiniert» oder «nicht koordiniert» ist nicht möglich. Meist lässt sich diese Information nur indirekt aus den Namen der einzelnen Angebote der Krankenversicherer ablesen. Die koordinierten Modelle verstecken sich allerdings oft hinter kryptischen Bezeichnungen wie «Benefit plus». Das bietet den Versicherten kaum Orientierungshilfe.
Huber fordert vom zuständigen Bundesamt für Gesundheit, dass es die Art des Versicherungsmodells klar sichtbar macht: «Es soll draufstehen, was drin ist.» Gleichzeitig hofft er auf die Gesundheitsreform. «Efas ist ein Meilenstein für die hausärztlich koordinierte Versorgung», sagt er. Mit der Reform würden die fortschrittlichen Versicherungsmodelle für die Versicherten automatisch attraktiver. Denn sie könnten mit höheren Prämienrabatten locken.