Im Jackpot von Swisslos liegen rekordverdächtige 56,5 Millionen Franken. Kann zufälliges Glück glücklich machen?
Heinrich «Heini» Sutter ist der populärste Lottomillionär im Land, vielleicht auch deshalb, weil es ihn nicht wirklich gibt. Er ist der Goldküstentyp, er trägt Schnauz und weisse Schuhe, und er hinterlässt in seinem Leben ganz generell einen grossen Fussabdruck. Er besitzt einen Eames Lounge Chair und mehrere Sportwagen, eine Villa mit Swimmingpool und Billardtisch. Er hat gerne einen weissen Pullover über den Schultern und ein Foulard um den Hals. Heini Sutter ist der Lottomillionär aus der Swisslos-Werbung, eine Kunstfigur.
Heini Sutter soll die Leute dazu bringen, Lotto zu spielen. In diesen Tagen, da der Jackpot steigt und steigt, grinst er auf dem Facebook-Account von Swisslos mit erhobenem Daumen in die Kamera: «Das gab es schon lange nicht mehr!» Am Samstag liegen 56,5 Millionen Franken bereit – so viel hat in der Schweiz noch nie jemand im Lotto gewonnen. Vor allem aber ist Heini Sutter eine schweizerische Projektion.
Zufälliges Glück muss Unglück bedeuten
Das Versprechen in diesem Land heisst: Jeder und jede kann reich werden – aber durch Arbeit oder Erbschaft, nicht durch Zufall. Der Lottomillionär ist die subversive Gegenfigur dazu, zum Glück gekommen durch die unwahrscheinlichste Wahrscheinlichkeit.
Vielleicht auch deshalb wärmen die Medien immer dann, wenn der Jackpot wächst, eine Geschichte aus dem Jahr 1979 neu auf: von Werner Bruni, dem ersten Schweizer Lottokönig. Ein Hilfsarbeiter wird Millionär, lässt sich einen Wohnblock mit scheinbar garantierter Rendite aufschwatzen und geht sechs Jahre später Konkurs. Neulich hat der Lottoberater von Swisslos zwar in einem Interview mit der NZZ gesagt: «Bei einem von fünf Millionären geht es lätz – bei vier von fünfen wird es was.» Aber die Statistik scheint nicht stark genug zu sein, um die öffentliche Meinung zu ändern, die Moral von Brunis Geschichte ist stärker: Zufälliges Glück muss Unglück bedeuten.
Das hat alles System
Heini Sutter arbeitet in den Werbeclips dagegen an. «Das ist eine Berufung: Lottomillionär», verkündet er. Am Morgen stehe er früh auf, mache Fingerübungen – zum Zmittag komme er kaum, es reiche nur für einen kurzen Businesslunch: Zahlen- statt Buchstabensuppe. «Bei jeder Tätigkeit, die ich mache, suche ich Zahlen», sagt Heini Sutter, «das Brainstormen beschäftigt mich den ganzen Tag.»
Sein Büro ist voller mathematischer Formeln, aus Börsenseiten destilliert er die Lottozahlen des Tages. Natürlich, manchmal tippt er daneben, aber «das stresst den Heini Sutter noch lange nicht»: «Das sind die Momente, wo man Charakter beweisen kann.» Er malt die Zahlen dann auf den Terrassenboden und hüpft darauf herum. Die Werbeclips sind grossartig, und die Message verkündet Heini Sutter gleich selbst: «Es wirkt so zufällig, aber wenn man genau hinschaut, hat das alles System.»
Das Know-how gibt er in einem nächsten Clip an seinen Sohn weiter: «Wir alten Lottohasen spielen keine Zahlen, wir lassen die Zahlen fliegen.» Und als der Sohn ihm seinen Lottozettel zeigt, mit einem symmetrisch angekreuzten Muster an Zahlen, erklärt der Vater: «Ich hab dir doch gesagt – keine Müsterli. Da machst du vielleicht einen fetten Gewinn, aber den teilst du mit dreihundert anderen Vögeln.»
Heini Sutter ist der Lottomillionär, der hart an der Systematisierung des zufälligen Glücks arbeitet. Ein schweizerischer Held. Ungebrochen ist aber auch er nicht: In den Werbeclips, die von seinem grossen Gewinn erzählen, stolziert er zuerst durch seine Villa, um schliesslich am Abend mit einem Gläschen Champagner vor dem offenen Feuer zu sitzen – allein.