Von Ketten umrahmt und von vielen getragen: Die «Falabella»-Tasche von Stella McCartney ist zurück. Was macht sie so erfolgreich?
Das Wort «Falabella» gleicht einem Persönlichkeitstest. Wenn man es hört, denkt man an ein kleines Pferd? Stellt man sich eine kunstvolle Pastaform vor? Oder wird man blitzartig in die frühen zehner Jahre zurückversetzt, als eine rechteckige Kunstledertasche mit ratterndem Kettenhenkel von gefühlt jeder Schulter hing?
Als die «Falabella Bag» von Stella McCartney 2009 erstmals lanciert wurde – benannt nach der liebsten Ponyrasse der britischen Designerin –, war sie eine kleine Frechheit: eine Tasche aus Kunstleder, die in allen anderen Belangen wie eine gewöhnliche Handtasche einer Luxusmarke daherkam. Sie wurde in Italien hergestellt, in gediegenen Boutiquen verkauft und kostete um die 1000 Franken.
Sie bestand aber aus Polyester, das wie Wildleder aussah. McCartneys vegane Version einer It-Bag kam an: Kate Moss und Rihanna trugen sie genauso wie Teenager und ihre Mütter. Verschwand die «Falabella» zwischendurch ein wenig in der Versenkung, dann vor allem, weil sie an Übersättigung litt. Dreiste Kopien von günstigeren Marken wie Steve Madden, gegen die Stella McCartney später gerichtlich vorging, trugen dazu bei.
Ein etwas anderes Comeback
Und nun? Begegnet man ihr wieder zuhauf: im Tram, in der Warteschlange beim städtischen Beck und auf Tiktok in Kombination mit den ebenfalls erneut aufgetauchten Wedge-Sneakers von Isabel Marant. Auf der Secondhand-Plattform Vinted wuchs die Anzahl globaler Suchanfragen für die Tasche 2024 im Vergleich zum Vorjahr um einen Drittel, wie das Unternehmen auf Anfrage bekanntgibt. Die «Falabella» sei bei Stella McCartney der Bestseller, sagt auch das Schweizer Warenhaus Bongénie auf Anfrage. Besonders in Schwarz und Grau sei die Tasche «sehr beliebt».
Es ist verlockend, von einem Comeback der «Falabella» zu sprechen und sie damit zusammen mit Luxustaschen wie der «Saddle Bag» von Dior oder der «City Bag» von Balenciaga in einen Topf zu werfen: zwei Exemplare aus den nuller Jahren, die Jahre später neu aufgelegt und stark vermarktet wurden.
Tatsächlich hat auch die «Falabella» eine eigenständige, ohne Logo sofort erkennbare Form, die nicht einfach eine Kopie erfolgreicher Taschen ist und die mit ihrer Lockerheit und Grösse den aktuellen Zeitgeist anspricht. Doch die «Falabella» war nie weg. Sie wurde immer vermarktet und stets in neuen Versionen lanciert: Es gibt sie mit Nieten oder Fransen oder Strass, als Bucket-Bag, mit Leoprint, gesteppt oder zerknittert, flauschig oder in Handygrösse.
Keine Angst vor Peta
Eine Erklärung für den Erfolg könnte der Preis sein. Bezahlt man für eine mittelgrosse «Le City» derzeit 2490 Franken und für eine «Saddle Bag» 3800 Franken, kostet eine neue «Falabella» 1125 Franken. Secondhand gibt es sie in gutem Zustand bereits ab 400 Franken. In einer von regelmässigen Preissteigerungen geprägten Post-Corona-Luxuswelt ist das eine Ausnahme. Auch Taschen aus nichtledernen Materialien wie Nylon oder Canvas sind bei anderen Luxuslabels erst ab etwa 1500 Franken zu haben.
Stella McCartney mag zwar die «Heritage», die Tradition von alteingesessenen Luxuslabels, fehlen (abgesehen von ihrem persönlichen Stammbaum als Tochter von Paul McCartney). Doch die Designerin hat sich genau das zunutze gemacht und sich seit der Gründung ihres Labels 2001 geschickt als Rebellin innerhalb eines traditionellen Systems positioniert. Sie ist Tierschützerin und nutzt für ihre Produkte konsequent kein Leder, keinen Pelz und keine Federn. Sie arbeitet mit Peta zusammen, statt die Organisation mit einem Faible für dramatische Catwalk-Protestaktionen wie die meisten anderen Modelabels zu fürchten. Vom Luxuskonzern LVMH hat sie ihre Marke zwar kürzlich gelöst, als Beraterin für Nachhaltigkeit bleibt Stella McCartney der Gruppe aber erhalten.
Ist das schon «vintage»?
Ihr Fokus auf nichttierische Materialien kam nicht immer gut an. Gerade die «Falabella» mit ihrem für Polyester hohen Preis wurde bei ihrer Lancierung in Onlineforen heiss diskutiert. Inzwischen experimentiert McCartney auch mit Alternativen ohne Erdöl wie «Vegea», das die Nebenerzeugnisse von Weingütern nutzt, und mit rezykliertem Polyester.
Gleichzeitig haben Taschen wie die «Shopping Bag» des New Yorker Labels Telfar – bekannt geworden als «Bushwick Birkin» – Kunstleder salonfähiger gemacht. Und so berichten Trägerinnen in Internetforen mittlerweile davon, wie einfach zu reinigen die «Falabella» sei. Im Gegensatz zu billigerem Kunstleder fange sie auch nach mehreren Jahren nicht zu blättern an.
Auf Tiktok hingegen wird ihre Laptop-freundliche Grösse gefeiert, wie verschieden sie sich tragen lässt – und wie sehr sie an die frühen zehner Jahre erinnert. Eine Userin nennt ihr Denim-Exemplar gar enthusiastisch (und fälschlicherweise) «vintage». Dass die «Falabella» die erste vegane It-Bag war, scheint dort nicht ins Gewicht zu fallen. Genau das ist wohl ihre grösste Stärke: dass sie eine It-Bag ist, sieht man ihr an, dass sie vegan ist, eher weniger.