Die grösste Hochschule des Landes gibt China die grosse Bühne. Die Veranstaltung zeigt, wie heikel Kooperationen mit der autoritären Supermacht sein können.
Es ist eine illustre Runde, die sich am Donnerstagnachmittag in der Aula der Universität Zürich die Ehre gibt. Im wichtigsten Raum der Hochschule findet ein «China Day» statt: Nach Angaben der Veranstalter handelt es sich um einen Networking-Event für Akademiker, Wirtschaftsführer und hohe chinesische Vertreter, die sich über ihre Erfahrungen im Reich der Mitte und in der globalen Geschäftswelt austauschen werden.
Auftreten werden unter anderem der chinesische Botschafter in der Schweiz, Wang Shiting, und der CEO von Huawei Switzerland, Michael Yang. Christian Schwarzenegger, der Prorektor der Universität, wird die Eröffnungsrede halten. Der Anlass ist ausgebucht. Anmelden kann man sich seit Tagen nicht mehr.
China, ein autoritärer Staat mit einem starken Interesse an westlicher Forschung, bekommt die grosse Bühne an der grössten Hochschule des Landes.
Die Universität indes beschwichtigt. Vernetzen sollen sich an dem Anlass vor allem Studentinnen und Studenten und Alumni eines Weiterbildungsstudiengangs der Hochschule, der sich European and Asian Business Management nennt (EABM). Sie können an dem Anlass Kontakte knüpfen mit Mentoren und Unternehmen, die ihnen vielleicht eine berufliche Zukunft bieten: Alle Teilnehmer des Studiengangs müssen ein mehrmonatiges Praktikum in einer Firma absolvieren oder ein Forschungsprojekt realisieren. Vier von fünf der bisherigen Absolventen des Weiterbildungsmasters sind Chinesen.
Der Prorektor Schwarzenegger sagt im Gespräch mit der NZZ, dass der Anlass Teil einer Serie sei. Vor zwei Jahren habe der gleiche Studiengang einen «Japan Day» durchgeführt, letztes Jahr einen «India Day», 2025 werde es einen «Vietnam Day» geben. Man sei dabei, das Programm zu diversifizieren. China sei einer von mehreren Schwerpunkten in Asien.
Fragen stellen sich trotzdem. Zum Beispiel folgende: Wird die Aula der Universität zur Plattform eines Regimes, das sein China-Bild in die Welt hinaustragen und kritische Einwände im Keim ersticken will? Macht sich die Universität Zürich damit zur willigen Komplizin von Pekings Propaganda?
Die Universität will einen Eklat verhindern
Der «China Day» weckt Erinnerungen an den letzten Auftritt eines chinesischen Botschafters an gleicher Stätte. Damals, 2018, kam es bei der anschliessenden Diskussionsrunde zu einem unrühmlichen Zwischenfall. Laut einer Recherche des Fernsehmagazins «10 vor 10» hatte der damalige Botschafter Taiwan als Teil von China bezeichnet. Studenten, die hierzu eine Frage stellen wollten, mussten feststellen, dass sie von einem Mann im Plenum gefilmt wurden – ein Einschüchterungsversuch aus der Entourage des Botschafters.
Das soll sich dieses Mal nicht wiederholen. Der Sicherheitsdienst der Hochschule werde vor Ort sein, Bild- und Tonaufnahmen aus dem Publikum seien verboten. Das werde man klar kommunizieren und falls nötig auch durchsetzen, sagt Schwarzenegger. «Die Universität Zürich ist ein Ort des offenen Austauschs.»
Zu einem solchen Austausch gehört für den Prorektor auch, dass der Schweizer Ableger des chinesischen Technologiekonzerns Huawei am «China Day» in der Aula ebenfalls auftreten darf. Das Unternehmen sieht sich seit Jahren mit Sicherheitsbedenken konfrontiert, vor allem aus den USA. Die Schweiz agierte hier lange zurückhaltend. Die amerikanische Regierung habe bisher keine Beweise vorgelegt für ihre Vorwürfe gegen Huawei, schrieb der Bundesrat in einer Antwort auf eine Interpellation aus dem Nationalrat im Frühling 2019.
Doch nun scheint der Wind gedreht zu haben. «Es muss verhindert werden, dass unser Land als Sicherheitslücke mitten in Europa betrachtet wird», schreibt die Landesregierung in einem Bericht von Mitte Dezember. Gemeint sind Risiken, die von Huawei ausgehen könnten, zum Beispiel bei einem Cyberangriff auf das Mobilnetz 5G – eine Technologie, in der der chinesische Telekomanbieter und Swisscom- und Sunrise-Partner Huawei führend ist.
Daher will der Bundesrat künftig «die Beschaffung, die Einrichtung und den Betrieb von Ausrüstungen verbieten können, die von Lieferanten stammen, die als problematisch für die Sicherheit unseres Landes gelten». Möglich machen soll ein solches Verbot eine neue Bestimmung im Fernmeldegesetz.
In seiner China-Strategie für die Jahre 2021 bis 2024 findet der Bund ebenfalls deutliche Worte. Dort heisst es unter anderem: «Auch in der Schweiz ist der steigende Einfluss Chinas spürbar. Dieser reicht von herkömmlichem politischem Lobbying bis hin zu Spionageaktivitäten auf Schweizer Boden.» Und: «Konkrete Herausforderungen betreffen den hiesigen Wirtschafts- und Forschungsstandort, der aufgrund seines technologischen Know-hows und der Fertigung hochwertiger Produkte Ziel von Industrie- und Wirtschaftsspionage sein kann.»
Zum Thema Huawei sagt Christian Schwarzenegger von der Universität Zürich: «Wir haben das auf dem Radar.» Weiter verweist der Prorektor auf Richtlinien der Universität, die genau festhielten, was bei Kooperationen mit oder Forschungsreisen nach China zu beachten sei. Eine hauseigene Exportkontrollstelle sei im Aufbau. Das Ziel sei eine ähnliche Einrichtung wie jene an der benachbarten ETH, die schon länger mit Partnerfirmen wie Huawei zusammenarbeite. Schwarzenegger macht auch darauf aufmerksam, dass ein Management-Studiengang wie der EABM der Universität Zürich hier weniger exponiert sei als technologielastige Bereiche wie zum Beispiel Drohnenforschung.
«Akademische Achse China–Schweiz»
Interessant ist auch die Geschichte des Studiengangs, um den es hier geht. Den Weiterbildungsmaster gibt es seit 2016. Damals arbeitete die Universität Zürich gemäss NZZ-Recherche mit einer privaten chinesischen Partnerschule zusammen, die sich später Xinrui Business School nennen sollte und auch über einen Standort im Kanton Zürich verfügte, und zwar am Sitz des Swiss-Sino Innovation Center in Dübendorf. Xinrui heisst so viel wie «neue Schweiz».
Grundlage der Zusammenarbeit der beiden Hochschulen war eine Vereinbarung, die drei Jahre zuvor im Beisein des damaligen Bundesrats Ueli Maurer und des früheren chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang unterzeichnet wurde. China befand sich zu der Zeit an einem Wendepunkt. Xi Jinping war frisch zum Präsidenten gewählt worden, und noch deutete wenig darauf hin, dass er das Land immer stärker kontrollieren und von der Aussenwelt abschotten würde. Im Gegenteil, die Zeichen standen auf Offenheit und Zusammenarbeit. In China selbst und auch im Ausland setzte man grosse Hoffnungen auf Xi.
So auch die Universität Zürich. Bei der feierlichen Eröffnung des Studiengangs in Zürich 2016 war der chinesische Botschafter ebenfalls zugegen. Die Kommunikationsabteilung der Universität bezeichnete das Projekt gar als «akademische Achse China–Schweiz».
Fünf Jahre später allerdings wurde die Zusammenarbeit stillschweigend begraben. Seit Ende 2021 ist auf der Website des Studiengangs kein Hinweis mehr auf die frühere Partnerschule zu finden, seither ist die Universität Zürich allein für das Programm verantwortlich.
Was war geschehen?
Kommunistisches Gedankengut
Schauen wir uns die Xinrui Business School etwas genauer an. Interessant ist, welche Fächer die chinesische Hochschule im Angebot hatte. «Rotes Unternehmertum» zum Beispiel: «Unserer Meinung nach ist der beste Weg, Unternehmertum zu lernen, die unternehmerische Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas systematisch zu studieren», heisst es auf der chinesischen Website der Business School.
Die Xinrui Business School kann dem Einflussbereich der Kommunistischen Partei Chinas in der Schweiz zugeordnet werden. Das ist einer vielbeachteten Studie zu entnehmen, die der Politologe Ralph Weber von der Universität Basel 2020 erarbeitet hat. Mehrere Personen, die im Vorstand der Schule sassen, haben Verbindungen zur Chinese Association of Science and Technology Switzerland. Laut Weber hat diese Organisation ein erklärtes Ziel: die chinesische Botschaft in ihren Bemühungen zu unterstützen, chinesische Studenten und Forscher für die Zwecke des Parteistaats zu mobilisieren und allenfalls zur Heimkehr zu bewegen, damit sie ihrem Land dienen.
Eines dieser Vorstandsmitglieder, der Arzt und Forscher Feng Jianhua, steht noch zwei weiteren chinesischen Vereinen in der Schweiz vor: dem erwähnten Sino-Swiss Innovation Center in Dübendorf und einer Dachorganisation chinesischer Vereine in der Schweiz. Mit solchen Verbänden versucht die Kommunistische Partei, die chinesische Diaspora auf Linie zu halten und Beziehungen zur Schweizer Forschung, Bildung, Politik und Kultur zu knüpfen. Laut Weber verschafft sich die Partei so Zugang zu Entscheidungsträgern und bereitet den Weg für Propaganda und zum Teil auch für Spionage.
Dem internationalen chinesischen Radiosender CRI hat Feng 2018 Folgendes gesagt: «Wir müssen den beruflichen und technischen Vorsprung der Schweizer Forschenden voll ausschöpfen und die Innovationsressourcen der Schweiz optimal nutzen.» Eine Anfrage der NZZ zu seinen Verbindungen zu Peking liess Feng unbeantwortet.
Ein weiterer Vorstand der Xinrui Business School ist der Unternehmer Wang Tianke. Auch bei ihm gibt es Hinweise dafür, dass er für die Ziele Pekings in der Schweiz arbeitet. In einer staatlichen Zeitschrift für Überseechinesen steht, er habe im Sommer 2023 eine kulturelle Veranstaltung für chinesische Kinder und Jugendliche in der Schweiz organisiert und gesagt: «Ich hoffe, dass es in Zukunft mehr Aktivitäten wie diese geben wird, damit mehr Kinder die Gelegenheit haben, in den Schoss ihres Heimatlandes zurückzukehren.» Auch Wang antwortete nicht auf eine Anfrage der NZZ zu seinen Tätigkeiten für die Partei.
Propaganda in der Aula
Und die Universität Zürich? War sie sich bewusst, mit wem sie sich eingelassen hatte für ihren Weiterbildungsmaster?
Christian Schwarzenegger findet: ja. Man habe die Exponenten der späteren Xinrui Business School damals genau überprüft, bevor man den Vertrag für den Studiengang unterzeichnet habe. Die Zusammenarbeit sei deswegen beendet worden, da die chinesische Partnerschule die ausgemachte internationale Akkreditierung nicht habe vorlegen können, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre. Der Prorektor sagt aber auch: «Wir haben die Studie von Herrn Weber mit Interesse gelesen – bis dahin war nicht bekannt, wo chinesische Parteifunktionäre in der Schweiz überall aktiv sind.» Und: Natürlich hätte man umgehend reagiert, wenn Mitarbeiter der Xinrui Business School die akademische Freiheit beeinträchtigt hätten.
Und der «China Day» in der Aula der Universität Zürich? Ist es wirklich nur ein Networking-Anlass für chinesische und andere Studenten eines Weiterbildungsmasters, der künftige Manager fit machen will für die internationale Geschäftswelt in Europa und in Asien?
Für den Politologen Ralph Weber zeigt die Veranstaltung, dass Schweizer Universitäten sich weiterhin in einem schwierigen Umfeld bewegen, wenn es um China geht. Aus Sicht der chinesischen Botschaft gehe es darum, ein positives Image von China und den Beziehungen Chinas zur Schweiz zu projizieren. «Letztlich geht es auch um Propaganda», sagt Weber.
Ein Skandal sei diese Veranstaltung an sich nicht. Das seien einzelne chinesische Einflussversuche selten. «Die Wirkung entfaltet sich schleichend und über die Zeit.»