Trump hat befohlen, alles, was nach Diversität klingt, aus offiziellen Dokumenten zu tilgen. Deshalb will das Verteidigungsministerium nun mehr als 26 000 Fotos aus seinen Archiven löschen. Betroffen sind auch Aufnahmen des Flugzeugs, aus dem die Atombomben über Japan abgeworfen wurden.
Während man in den USA – zumindest in gewissen Kreisen – aufpassen musste, niemanden mit dem falschen Pronomen anzusprechen, hat der Wind nun gedreht. Jetzt kann es einem, vor allem als Beamter, zum Verhängnis werden, am falschen Ort Wörter wie «inklusiv» oder «transgender» zu verwenden. Denn Donald Trump hatte schon kurz nach seinem Amtsantritt die Behörden angewiesen, alle Diversitätsprogramme zu streichen, und auch das ganze damit verbundene Vokabular aus offiziellen Dokumenten zu tilgen.
Kürzlich publizierte die «New York Times» eine Liste von neuerdings verpönten Ausdrücken. Nebst erwartbaren Verdächtigen wie «LGBTQ» oder «nonbinär» sind auch Ausdrücke wie «Immigranten», «Opfer», «Behinderung», «Sexualität», «Prostituierte» oder «sozioökonomisch» dabei, die man kaum als «woke» bezeichnen kann. Sie alle sollen nun aus Regierungsunterlagen verschwinden.
Selbst Kriegshelden werden entfernt
Auch vor Fotos macht der Säuberungsfuror nicht halt. Als besonders eifrig hat sich das Pentagon herausgestellt. Deren neuer Chef, der Verteidigungsminister Pete Hegseth, ist ein leidenschaftlicher Gegner von Diversitäts-, Gleichstellungs- und Inklusionsprogrammen (DEI), die seiner Meinung nach die Kampffähigkeit der Armee untergraben.
Deshalb hat das Pentagon sein umfangreiches Bildarchiv nach heiklen Sujets durchforstet und eine Datenbank mit 26 000 Fotos angelegt, die gelöscht werden sollen. Laut der Presseagentur AP könnte die Zahl nach einer Durchkämmung aller Social-Media-Konten auf 100 000 Bilder anwachsen. AP hat auch Beispiele aus dieser schwarzen Liste publik gemacht.
Besonders absurd ist der Fall der «Enola Gay». Aus dem berühmten Flugzeug wurden im August 1945 die ersten Atombomben über die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Der Name der Boeing B-29 , eben «Enola Gay», ist gut sichtbar auf den Aufnahmen. Und weil «gay» im Englischen «schwul» bedeutet, sollen die Bilder verschwinden. Allerdings hat der Name nichts damit zu tun. Der damalige Pilot, Paul Tibbets, benannte den Bomber nach seiner Mutter. Die «Enola Gay» nimmt einen festen Platz in der Militär-Mythologie der USA ein. Darum kann eine Tilgung ganz und gar nicht im Sinne der Republikaner sein.
Ähnlich abstrus ist der Fall der «Tuskegee Airmen», die ab 1943 in der ersten rein afroamerikanischen Jagdstaffel dienten. Die schwarzen Militärpiloten aus dem Zweiten Weltkrieg stehen für die Abschaffung der Rassentrennung im amerikanischen Militär. Sie gelten bis heute als patriotische Helden. Aber auch ihre historischen Fotos sollen in den Abfallkorb wandern.
Die Gender-Fische
Nicht nur Bilder von Schwarzen, auch solche von Frauen stehen auf der Abschussliste. So sollen die Fotos und Filme von Colonel Jeannie Leavitt, der ersten Kampfpilotin der Air Force, aus dem Archiv verschwinden, ebenso wie Aufnahmen der ersten weiblichen Marines und der ersten Pilotinnen des Air Service, die im Zweiten Weltkrieg Flugzeuge von den amerikanischen Fabriken zu den Stützpunkten in Grossbritannien überführten.
Geradezu komisch ist die Entfernung einer Fotografie, die Biologen des Armeekorps zeigt. Sie fiel den Bilderstürmern zum Opfer, weil es in der Legende heisst, dass Gewicht, Grösse und Geschlecht (englisch: «Gender») der Fische aufgezeichnet wurden.
Das Pentagon hatte den Mitarbeitern am 26. Februar eine Woche Zeit gegeben, um alle «anstössigen» Fotos zu entfernen. Falls diese Frist nicht eingehalten werden könne, sollten sie alle Inhalte, die während der Amtszeit von Joe Biden aufgeschaltet wurden, von den Websites nehmen.
Inzwischen hat das Weisse Haus zumindest im Fall der Tuskegee die Notbremse gezogen. Es warf den Pentagon-Beamten «böswillige Regelbefolgung» vor.
Der Pentagon-Sprecher John Ullyot antwortete auf kritische Fragen: «Wir sind erfreut über die rasche Einhaltung der Richtlinie zur Entfernung von DEI-Inhalten von allen Plattformen im gesamten Ministerium.» In den seltenen Fällen, in denen die Säuberungen über das Ziel hinausgeschossen seien, werde es entsprechende Klarstellungen geben.
Totalitarismus und magisches Denken
Paradox an den ganzen Säuberungsaktionen ist, dass sich Trump und die Republikaner während Bidens Regierungszeit regelmässig über die linke Obsession einer korrekten Sprache mokierten, beispielsweise beim Thema Gender. Generell versprachen Trump und auch Elon Musk mehr Meinungsfreiheit.
Nun praktizieren die Republikaner jedoch genau das, was sie vorher den Demokraten vorwarfen. Jetzt sind es nicht mehr angeblich sexistische oder rassistische Wörter, die verbannt werden, sondern vermeintlich «woke» Ausdrücke. Und dieses Mal beschränkt sich die Zensur nicht nur auf die Sprache, sondern schliesst sogar Bilder mit ein.
Letztlich steckt dahinter auch eine magische Vorstellung. Ähnlich wie die linken Sprachpuristen glauben nun offenbar auch die rechten Aufräumer, man müsse lediglich ein Wort wie «Rassismus» tilgen, damit auch das Phänomen selbst verschwinde.
Diese Art von Sprachpolizei kennt man sonst aus totalitären Regimen oder aus George Orwells dystopischem Roman «1984», wo die Regierung den «Neusprech» durchsetzen will. Einen Vorgeschmack auf die republikanische Kulturpolitik gaben zwar schon die zunehmenden Bücherverbote in Schulbibliotheken. Aber es ist doch erstaunlich, in welchem Ausmass ausgerechnet im «Land der Freien» der Raum des Sagbaren eingeengt wird – zuerst von links, jetzt von rechts.