US-Präsident Donald Trump hat einen Kurseinbruch wie 1987 herbeigeführt, bis zu seiner Kehrtwende. Der Dax steht zwischen den belastenden US-Zöllen und der für die Konjunktur belebenden deutschen Schuldenpolitik. Drei Branchen könnten profitieren.
Es ist wie 1987! Nach einem schwachen Freitag folgte der Black Monday mit dem Absturz. Damals (gerade zwei Monate im Amt) reagierte Alan Greenspan, Vorsitzender der US-Notenbank (Fed), mit massiver monetärer Erleichterung. Im ersten Corona-Schock im Frühjahr 2020 reagierten alle Notenbanken global mit extremen Gegenmassnahmen. Diesmal kann der US-Notenbankpräsident die Inflation, die in den USA durch die Zölle ausgelöst wird, nicht auch noch durch monetäre Stimulierung verschlimmern. Dafür verkündete US-Präsident Donald Trump am Mittwochabend eine 180-Grad-Wende, indem er die hohen Zölle für eine Dauer von 90 Tagen aussetzte und den Zollsatz für fast alle betroffenen Länder auf 10% begrenzte, ausser für China (Zollsatz: 125%).
Die überraschend hohen amerikanischen «reziproken» Zölle haben zu einem historischen Börsenabsturz geführt. Tatsächlich konnte kein Börsenteilnehmer mit wirtschaftlicher Vorbildung ahnen, dass Trump derartig hohe und offenbar mechanisch ausgesuchte Zölle weltweit (ausser Russland und Nordkorea) verhängen würde. Macht Trump von seiner Zollaktion nicht dauerhaft und über die angekündigte Pause von 90 Tagen hinaus einen massiven Rückzieher (was durch den damit verbundenen Gesichtsverlust unmöglich erscheint), steuert die Weltwirtschaft auf eine globale Rezession zu.
Trumps Idee hinter den Zollerhöhungen ist der Wunsch nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit der USA bzw. vollständiger Eliminierung des bei über 1 Bio. $ liegenden Handelsbilanzdefizits. Würde es gelingen, die zuvor im Ausland produzierten Güter tatsächlich in den USA zu produzieren und dies noch zu einem ähnlichen Preis der entsprechend nicht zu einem Nachfrageeinbruch wegen zu hohem Preis führen würde, könnte man der Trump’schen Zollidee viel wirtschaftlichen Sinn abgewinnen. Tatsächlich aber würde eine Produktion in den USA für jedes Gut erheblich teurer und würde zu einem deutlichen Nachfrageeinbruch führen.
Nehmen wir als Beispiel Apples iPhone. Die Produktion findet zu 85% in China und zu 15% in Indien statt. Die Auslandsproduktion kostet etwa 1000 $ pro Stück, während eine Produktion in den USA wahrscheinlich ca. 3500 $ pro Stück kosten würde.
Wer trotzdem solche teuren Geräte kauft, kann dann zwangsläufig weniger für andere Konsumgüter mit seinem verfügbaren Einkommen erwerben. Dies drückt also den US-Konsum erheblich. Der US-Lebensstandard und die US-Konjunktur fallen dann deutlich zurück. Ein Grossteil der ausländischen Smartphone-Käufer würde sich das US-Gerät angesichts solcher US-Produktionskosten nicht mehr leisten können und auf ein ausländisches – wahrscheinlich chinesisches – Produkt (zu einem tieferen Preis als vor Trumps Zollerhöhung) ausweichen.
Technologisch können die Chinesen heute nicht nur bei Elektroautos oder bei künstlicher Intelligenz (siehe DeepSeek) bei bester Qualität sehr preiswert produzieren. Auf den ersten Blick ist China ähnlich wie Deutschland als Exportnation einer der grossen Verlierer der Trump-Zölle, aber bei genauerem Hinsehen könnte China jene Produkte, die bisher in die USA exportiert werden, in Zukunft vermehrt in andere Gebiete der Welt exportieren, so dass China am Schluss sogar Marktanteile gewinnen könnte. Ein solcher Prozess lässt sich auch dann nicht mehr aufhalten, wenn die USA eingesehen haben, dass sie einen Fehler bei der Zollerhöhung gemacht haben und später die Zölle senken.
Eine Frage ist auch, wie die Amerikaner auf Trumps Zollpolitik reagieren werden. Die hohe Inflation während der Amtszeit von Joe Biden war einer der Gründe, warum Trump die Wahl gewonnen hat. Wenn jetzt deutlich wird, dass die bei den Amerikanern beliebten Importgüter nicht mehr zu erschwinglichen Preisen verfügbar sind oder vergleichbare Produkte in den USA überhaupt nicht selbst produziert werden, könnten die Beliebtheitswerte für Trump dramatisch fallen.
Durch Trumps Zölle werden Löhne und Inflation steigen. Generell werden die Löhne ohnehin durch die Trump-Massnahmen bei der Einwanderung deutlichen Auftrieb erhalten. Das Hauptproblem der US-Wähler, die als zu hoch empfundene Inflation, wird sich also verschlimmern. Bei sinkenden Beliebtheitswerten könnten die Republikaner Trump zu einer Kursänderung drängen. Auch könnte die dünne Mehrheit der Republikaner in Senat und Repräsentantenhaus bei den im nächsten Jahr stattfindenden Zwischenwahlen verlorengehen, so dass Trump Gesetze nicht mehr durch den Kongress bringen könnte.
Höhere Inflationsraten zwingen die US-Notenbank aber auch weiter zum Abwarten mit den erhofften Zinssenkungen, die schon seit dem letzten Jahr Hauptgrund für die Aktienhausse bis zum jüngsten Absturz waren. Im Hinblick auf fallende Unternehmensgewinne, aber auch ausbleibende Zinssenkungen befand sich die US-Vorzeigebörse Nasdaq zeitweilig in einem Bärenmarkt und hatte deutlich mehr als 20% verloren, bevor die Zollpause am Mittwoch zu einem Tagesplus von 12% führte.
Die Trump-Massnahmen haben unter den amerikanischen Wirtschaftsteilnehmern die höchste gemessene Handelsunsicherheit ausgelöst (nach dem sogenannten Uncertainty Index), was zu entsprechend verminderten Investitionsentscheidungen der Unternehmen, aber auch zu weniger Konsum geführt hat und führen wird.
US-Aktien sind trotz des jüngsten Kurssturzes immer noch hoch bewertet, zum Beispiel nach dem Zehnjahresdurchschnitt des Kurs-Gewinn-Verhältnisses. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn die US-Unternehmensgewinne in Zukunft dramatisch steigen würden. In den beiden letzten Jahren sind sie annähernd gleich blieben nach 4% Rückgang in 2023 und 4% Anstieg in 2024. Nun hat Goldman Sachs die Schätzung für die Gewinnsteigerung 2025 für den S&P 500 auf 3% zurückgenommen, Morgan Stanley kalkuliert ähnlich.
Der Wert der US-Aktien ging seit der Eskalation des Zollkonflikts zeitweilig um 10 Bio. $ zurück. Das ist interessanterweise das 20-Fache jener rund 500 Mrd. $, die Trump den Amerikanern aus den zukünftigen Zolleinnahmen versprochen hat. Es war immer irreführend, den Amerikanern durch die Beendigung der «Ausbeutung» die Erhebung von so hohen Zöllen in Aussicht zu stellen, dass sie keine Einkommenssteuer mehr zahlen müssen.
Überhaupt ist die Trump-Argumentation in vielerlei Richtung wirtschaftlich Utopie. Sollten die Amerikaner durch ihre Wirtschaftspolitik den Reservewährungsstatus verspielen (die BRICS-Staaten warten nur darauf), so würde der Dollar massiv fallen, was dann zu einer weiteren Verteuerung der Importwaren für den US-Konsumenten führen und somit einen Abstieg des Lebensstandards bedeuten würde.
Den vorteilhaften Reservewährungsstatus erhält ein Land durch wirtschaftliche Stärke, aber auch durch überragende militärische Macht. Die USA wenden über 900 Mrd. $ pro Jahr für ihr Militär und damit ihren eigenen Schutz und nicht zum Schutz Deutschlands und Europas auf. Wenn Trump Billionenbeträge von Deutschland für den Sicherheitsschirm der vergangenen Jahre fordert, so ist dies genauso wenig nachvollziehbar wie seine Bemerkungen über die «Ausbeutung» der USA im Zuge der negativen US-Handelsbilanz.
Für den deutschen Kapitalanleger ist die Frage, ob Konjunktur und Börse in Zukunft durch die Trump’sche Wirtschaftspolitik und seine Zölle mehr gedrückt wird, als die extreme Schuldenpolitik der neuen Regierung Wirtschaft und Börse positiv vorantreiben kann. Für die Autoindustrie, die ohnehin die vernichtende Konkurrenz von China im Zukunftsbereich Elektroauto fürchten muss, ist diese Zusatzbelastung durch amerikanische Willkür existenzbedrohend.
Während die Trump-Politik alle deutschen Exportunternehmen belasten wird, werden die für Infrastruktur und Krieg aufgenommenen Schulden den entsprechenden deutschen Unternehmen nützen. Im Bereich Infrastruktur und möglichem Wiederaufbau der Ukraine bieten sich entsprechende bauabhängige Unternehmen zum Kauf an. Die Aktienkurse von Rüstungsunternehmen sind bereits stark gestiegen.
Die Belastungen für die deutsche Konjunktur durch die Trump-Zölle im Exportbereich (und damit mittelbar für die gesamte deutsche Wirtschaft) werden sich in niedrigeren Zinsen äussern. Die Europäische Zentralbank wird die Zinsen voraussichtlich bereits am 17. April senken. Bis Juli dürfte es zwei weitere Zinssenkungen bis auf einen Leitzins von dann 1,75% geben.
In den USA mit ihrem Zoll-Inflationsproblem ist die Zinsfrage sehr schwierig. Die 2-jährigen Zinsen dürften in diesem Jahr bis auf 3,3% zurückgehen, was den Realzins unter null drücken dürfte, was weiter inflationsfördernd und wahrscheinlich längerfristig negativ für den Dollar sein dürfte.
Wie steht es um das Verhältnis der amerikanischen Börse im Vergleich zur deutschen Börse? Der deutsche Aktienmarkt hat den Vorteil einer niedrigeren Bewertung, einer expansiven Fiskalpolitik mit einer massiven Schuldenerhöhung – während unter der Trump-Regierung die Fiskalpolitik eher gedrosselt wird. Die deutschen Zinsen werden wahrscheinlich schneller und öfter gesenkt werden als die amerikanischen Zinsen. Die deutschen 10-jährigen Anleihen werden in der Rendite wahrscheinlich auf 2,5% fallen. In den USA liegen sie bei 4,4% (kommen von 5%, konjunkturell nötig sind 3,5%).
Die sinkenden Zinsen in Deutschland sollten zinsabhängigen Aktien, also im Wesentlichen Wohnbauaktien, nützen. Diese Titel werden bis zu 40% unter ihrem inneren Wert gehandelt. An Mietpreisrückgänge ist angesichts der miserablen deutschen Wohnungsbaupolitik nicht zu denken. Steigende Mieten und sinkende Zinsen machen für die Wohnbauunternehmen auch neue Investitionen attraktiv. Im Hinblick auf die niedrigeren Marktzinsen (für Festgeld bekommt man allenfalls noch gut 2%) wären Investitionen in Wohnbauaktien mit ihren hohen Dividendenrenditen interessant.
Das Gleiche gilt für Versorger, wo im Hinblick auf die steigende Elektrifizierung (zum Beispiel durch Datencenter) das Wachstum und damit die Dividenden der nächsten Jahre positiv vorgezeichnet sind. Versorger sind einerseits ein Ersatz für festverzinsliche Papiere, aber mit dem Vorteil, dass die Dividenden voraussichtlich erhöht werden bzw. die Rendite der Investitionen in Zukunft steigt. Auch beim jüngsten Sturz der deutschen Börse haben sich Wohnbauaktien und Versorgertitel wenigstens vergleichsweise positiv entwickelt.
Der Börsensturz brachte auch extreme Umsätze bei Aktien, was dem Gewinn der Börsenbetreiberin zu Gute kommt.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.
Jens Ehrhardt
Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.