Die Schönheitsindustrie verspricht uns mit ihren Produkten eine jüngere, glatte Haut. Doch was sagt die Dermatologie dazu? Die Zürcher Hautärztin Marianne Meli verrät, was es für eine langfristig gesunde Haut braucht – und was nicht.
Frau Meli, welche Fehler bei der Hautpflege beobachten Sie bei Ihren Patientinnen und Patienten zurzeit am häufigsten?
Im Moment sehe ich vor allem bei jungen Frauen eine sogenannte «Überpflege» der Haut. Wendet man täglich zehn verschiedene Pflegeprodukte wie mehrere Crèmes, Peelings, Seren und obendrauf noch Make-up an, kann dies die Haut überstrapazieren. Dies führt nicht selten zu Hauterkrankungen wie zum Beispiel perioraler Dermatitis. Um den Mund und/oder die Augen entstehen dann Entzündungen.
Gibt es im Gegensatz dazu auch eine sogenannte «Unterpflege»?
Die gibt es natürlich auch. Gerade Menschen, die eine sehr trockene Haut haben, müssten den ganzen Körper eigentlich täglich ein bis zwei Mal eincremen. Wird eine solche Pflege vernachlässigt, kann dies schnell zu Ekzemen und Juckreiz führen. Dies ist auch bei älteren Menschen oft zu beobachten. Die Talgdrüsen arbeiten im höheren Alter nicht gleich gut, wie dies bei jüngeren Personen der Fall ist, was die Haut empfindlich macht und sie austrocknet.
Welche Art von Pflege braucht jemand, der eine ganz «normale», gesunde Haut hat?
Eine gesunde Haut im Erwachsenenalter braucht eigentlich nur ein gutes Reinigungsmittel, eine feuchtigkeitsspendende Crème und einen Sonnenschutz. Je nachdem, ob die Haut fettiger oder trockener ist, kann diese Pflegeroutine individuell angepasst werden. Bei eher trockener Haut empfehlen sich reichhaltige Produkte. Dabei gilt: je mehr, desto besser.
Das heisst?
Für die Reinigung kann zum Beispiel auf ein Reinigungsöl oder eine Reinigungsmilch zurückgegriffen werden, bei der Hautpflege auf ölhaltige Crèmes und auf Gesichtsmasken, die der Haut intensiv Feuchtigkeit spenden. Auch die Anwendung einer Nachtcrème ist in solchen Fällen gut, da im Gegensatz zu Tagescrèmes die Inhaltsstoffe reichhaltiger sind. Ist die Haut hingegen eher talgig, eignen sich leichtere Produkte, wie beispielsweise ölfreie, mattierende Crèmes oder auch Fluide. Ein Serum ist für einen fettigen Hauttyp ebenfalls eine gute Wahl.
Wie unterscheidet sich ein Serum von einer Crème?
Die Inhaltsstoffe sind dieselben wie bei einer Crème, in der Konsistenz ist ein Serum aber flüssig und daher um einiges leichter. Besonders Männern empfehle ich oft ein Serum.
Brauchen Männer eine andere Hautpflege als Frauen?
Eigentlich nicht. Bei Männern ist die Talgproduktion aufgrund des höheren Testosteronspiegels etwas stärker als bei Frauen, was die Haut tendenziell fettiger macht. Aus diesem Grund sind Seren für Männer besonders geeignet, da sie nicht fetten und die Haut trotzdem pflegen. Bietet eine Marke geschlechtsspezifische Hautpflegeprodukte an, unterscheiden sich diese eigentlich nur im Duft. Die Wirkstoffe sind die gleichen.
Ich habe seit meiner Kindheit Neurodermitis, das heisst, meine Haut ist trocken und gleichzeitig sehr empfindlich. Ist trockene und empfindliche Haut nicht sowieso ein und dasselbe?
Ja, bei Neurodermitis ist die Haut sowohl trocken als auch empfindlich. Aber empfindliche Haut ist nicht dasselbe wie trockene Haut. Wenn die Haut trocken ist, fehlt es ihr an Talg. Empfindliche Haut bedeutet dagegen, dass sie auf reizende Stoffe wie säurehaltige Substanzen oder auch bestimmte Peelings negativ reagiert, sich also schnell rötet. Diese Reaktion kann auch bei öliger, fettiger Haut auftreten. Bei empfindlicher Haut ist es wichtig, milde, pH-neutrale und parfümfreie Produkte zu verwenden.
Was muss bei der Anwendung eines Peelings beachtet werden?
Ein Peeling ein- bis zweimal pro Woche ist grundsätzlich sehr sinnvoll, da es die Haut gründlich reinigt und abgestorbene Hautschüppchen entfernt. Dadurch kann die Haut andere Pflegeprodukte wieder besser aufnehmen. Wird jedoch bereits ein säurehaltiges Serum oder eine retinolhaltige Crème verwendet, die einen Peeling-Effekt haben, ist ein zusätzliches Peeling überflüssig. Bei besonders trockener oder ekzematöser Haut sollten Peelings ebenfalls sparsam eingesetzt werden, da eine zu intensive Anwendung die Haut überreizen kann.
Retinol gilt ja gerade im Anti-Aging-Bereich als Wundermittel. Was kann man sonst noch gegen die Hautalterung tun?
Der wichtigste Bestandteil einer wirksamen Anti-Aging-Pflege ist der Sonnenschutz. Zwischen Pflegecrème und Make-up sollte jeden Morgen eine Portion Sonnencrème in der Grösse eines halben Kaffeelöffels auf Gesicht, Hals und Décolleté aufgetragen werden. Dabei empfehle ich für jeden Hauttyp einen Sonnenschutz mit Lichtschutzfaktor 50.
Und bei der Wahl der Tagescrème?
Da sollte man auf Produkte achten, die Hyaluronsäure und Antioxidantien wie Vitamin C und E enthalten. Beide Wirkstoffe beugen vorzeitiger Hautalterung und Faltenbildung vor. Retinol sollte hingegen immer abends aufgetragen werden, da Vitamin-A-Säure-Präparate die Haut sehr sonnenempfindlich machen.
In welchem Alter sollte man mit Anti-Aging beginnen?
Grundsätzlich beginnt unsere Haut mit 25 Jahren zu altern. Das heisst aber nicht, dass man schon mit Mitte 20 auf eine komplette Anti-Aging-Pflegeroutine umsteigen muss. Wer konsequent Sonnenschutz aufträgt, tut schon viel für seine Haut. Auch der Einsatz von Antioxidantien, zum Beispiel in Form eines leichten Serums, ist immer gut.
Und wenn man die Anti-Aging-Pflege intensivieren möchte?
In diesem Fall empfehle ich die Anwendung von Retinol. Es ist neben Sonnencrème das wirksamste Mittel gegen Hautalterung, wie dies auch wissenschaftliche Studien klar belegen. Die meisten meiner Patientinnen und Patienten beginnen zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr mit einer intensiveren Anti-Aging-Pflege. Da ist es ratsam, sich vorher von einer Fachperson beraten zu lassen.
Welche anderen Faktoren haben einen Einfluss auf die Hautalterung?
Die Genetik spielt bei der Hautalterung natürlich immer eine wichtige Rolle, aber auch der Lebensstil hat einen grossen Einfluss. Häufiges Sonnenbaden und Rauchen sind bekanntermassen sehr schädlich für die Haut, Stress und Schlafmangel wirken sich ebenfalls negativ aus. Gesunde Ernährung wurde zwar noch nie als alleiniger Faktor gegen die Hautalterung untersucht, dennoch ist die Art und Weise, wie wir uns ernähren, wesentlich für die Hautgesundheit. Dabei gilt: je unverarbeiteter die Lebensmittel, desto besser für die Haut.
Wann stossen die Kosmetik und die Dermatologie im Hinblick auf Anti-Aging an ihre Grenzen?
Wer frühzeitig mit Anti-Aging beginnt, kann manche Schönheitseingriffe hinauszögern. Auch die Bildung von Pigmentflecken lässt sich durch einen konsequenten Sonnenschutz massiv einschränken. Sobald sich jedoch tiefere Falten bilden, kann auch die beste Gesichtscrème diese im Gegensatz zu Botox- oder Lasertherapien nicht befriedigend glätten. Das gilt auch für Volumenverluste, wie zum Beispiel eingefallene Wangen. In solchen Fällen hilft nur ein Füllmaterial wie beispielsweise der Hyaluronfiller, um das Volumendefizit zu beheben.
Die Schönheitsindustrie macht uns beim Verkauf ihrer Produkte immer wieder Versprechungen in Bezug auf Hautalterung und Hautschönheit. Was sind aus medizinischer Sicht Mythen?
Wenn eine Marke behauptet, dass ihre Produkte die Haut in 30 Tagen von Falten befreien, ist das ein Mythos. Selbst die stärkste Anti-Aging-Crème kann in so kurzer Zeit kein derartiges Ergebnis erzielen, geschweige denn so stark wirken, dass sichtbare Falten vollständig verschwinden. Um einen merklichen Effekt zu sehen, muss ein Produkt über mehrere Monate angewendet werden.
Sagt der Preis eines Produktes etwas über die Qualität aus?
Bei extrem teuren Marken zahlt man vor allem für den Namen, die Inhaltsstoffe vieler sehr teurer Produkte unterscheiden sich in ihrer Wirkung jedoch kaum von günstigeren. Kostet eine Hautcrème hingegen nur wenige Franken, ist die Konzentration und Qualität der Inhaltsstoffe ebenfalls fraglich. Gute Produkte haben schon ihren Preis.
Was ist bei der Anwendung von Make-up aus dermatologischer Sicht zu beachten?
Make-up ist aus dermatologischer Sicht grundsätzlich unbedenklich, solange es sich dabei um eine dünne Schicht handelt, die die Haut noch atmen lässt. Vor allem bei Akne sollte das Make-up nicht in vielen Schichten aufgetragen und auf die Anwendung von nichtkomedogenen Produkten geachtet werden.
Was bedeutet das?
Solche Produkte haben in der Regel eine leichtere Textur oder enthalten weniger Öle, um die Entstehung von Mitessern – Komedogenen – zu verhindern. Immer und für jeden Hauttyp wichtig ist eine gründliche Reinigung des Gesichts – sowohl morgens vor dem Schminken als auch abends. Schminkutensilien wie Pinsel oder Schwämmchen sollten ebenfalls mindestens einmal pro Woche ausgewaschen werden, um Hautunreinheiten vorzubeugen.
Der Frühling steht vor der Tür und bringt wieder wärmere Tage mit sich. Wie wirkt sich das auf unsere Haut aus?
Während die kalten Wintermonate unsere Haut mehr strapazieren und eine intensivere Pflege erfordern, benötigt die Haut im Frühjahr und Sommer bei den meisten Menschen deutlich weniger Rückfettung. In dieser Zeit kann die Pflegeroutine angepasst und können Crèmes durch leichtere Produkte wie Seren ersetzt werden. Umso mehr sollte man aber auf den Sonnenschutz achten. Hält man sich länger in der Sonne auf, ist regelmässiges Nachcremen übrigens unerlässlich – auch wenn manche Sonnencrèmes damit werben, schweiss- und wasserresistent zu sein. Das ist ein weiterer Mythos.