Black Friday ist der Tag des grossen Ausverkaufs – und der Tag der scheinheiligen Konsumkritik.
Die Newsletter mit Sparversprechen füllen schon Anfang November die Mailbox: 50 Prozent Vergünstigung hier, 80 Prozent da. Kleidung, Möbel, Laptops werden zu einem Bruchteil des ursprünglichen Preises angeboten. «Rabatt! Aktion! Jetzt oder nie!»
In den vergangenen Jahren hat sich der Black Friday in der Schweiz immer weiter ausgebreitet. Hiesige Läden haben die Rabattaktion aus den Vereinigten Staaten übernommen. Dort gibt es den Black Friday schon seit den 1930er Jahren, er findet jeweils am Tag nach Thanksgiving, dem Erntedankfest, statt. Es ist der Beginn der Weihnachtseinkäufe.
In der Schweiz warb im Jahr 2015 die Warenhauskette Manor als erster grosser Detailhändler mit Rabatten zum Black Friday. Manor berichtete damals von grossem Erfolg, hoher Besucherfrequenz und dreifachem Umsatz.
Und der Black Friday kam nicht allein. Es folgte der Cyber Monday am Montag danach, die Antwort der Online-Shops auf die Rabatte in den stationären Läden. Seit einiger Zeit machen gewisse Geschäfte auch am 11. November beim Singles’ Day mit, einem Einkaufstag aus China.
Dabei ist umstritten, ob sich diese Aktionen für die Unternehmen überhaupt lohnen. Eine Studie der Unternehmensberatung Kearney für den deutschen Markt zeigt, dass sich die Umsätze am Black Friday zwar tatsächlich verdoppeln oder gar verdreifachen. Die Leute dafür aber um die Rabatttage herum viel weniger einkaufen. Und mit den chinesischen Online-Billighändlern Shein und Temu können viele ohnehin nicht mithalten.
Dennoch sorgen diese Tage im November für Wirbel. Die einen buhlen mit vermeintlich grossartigen Aktionen um Kundinnen und Kunden. Die anderen boykottieren absichtlich die Rabattaktionen. Die Zürcher Taschenfirma Freitag zum Beispiel schliesst am Black Friday ihre Läden sowie den Online-Shop. Freitag sagt, man wolle ein Statement setzen gegen übermässigen Konsum und Verschwendung. Auch der Seifenhersteller Soeder oder die nachhaltige Bekleidungsmarke Nikin positionierten sich in den letzten Jahren dagegen.
Diesen Läden kommt es gelegen, moralische Bedenken zu äussern. Es ist ihre Chance, sich die Konsumkritik zu eigen zu machen und sich vor ihrer gut privilegierten Kundengruppe als Unternehmen zu positionieren, das für Nachhaltigkeit steht. Auch das ist eine Marketingstrategie.
Der Outdoor-Marke Patagonia kam diese Idee schon früh. Patagonia liess im Jahr 2011 am Black Friday in der «New York Times» eine grosse Werbung drucken. Sie zeigte eine Jacke, darüber stand in Grossbuchstaben: «Kauf diese Jacke nicht.» Marketingexperten fanden die Annonce «brillant».
Die Konsumkritik am Black Friday ist nicht nur etwas scheinheilig, sondern auch elitär. Eine Jacke für 300 Franken, so fair produziert und nachhaltig sie auch sein mag, ist vielen Menschen zu teuer. Nicht jeder will und kann 24 Franken für 250 Milliliter Naturseife bezahlen. Die Inflation belastet auch in diesem Jahr noch viele Haushaltsbudgets. Seit Ende 2020 sind die Konsumentenpreise um 7 Prozent gestiegen. Gleichzeitig liegen die Reallöhne derzeit unter dem Niveau von 2016. Konsumkritik muss man sich leisten können.
So gesehen erfüllen Rabatttage wie Black Friday eine gesellschaftlich wichtige Funktion, indem sie Menschen mit geringem Einkommen die Option geben, Angebote zu vergleichen und teure Produkte wie Schuhe, Jacken oder elektronische Geräte günstiger zu erwerben. Laut dem Vergleichsportal Comparis lohnt es sich zum Beispiel, in den Tagen um Black Friday ein neues Handyabo abzuschliessen. So spart man das ganze Jahr Fixkosten.
Der unternehmerische und gesellschaftliche Nutzen des Black Friday mag umstritten sein. Doch grosse Rabattaktionen gehören zu einer freien Marktwirtschaft. Sie bieten Unternehmen die Möglichkeit, Umsätze zu steigern, Lager zu räumen, Aufmerksamkeit zu gewinnen. Und zwar das ganze Jahr.