Die Individualbesteuerung ist eine gute Lösung. Wer sie ablehnt in der Hoffnung auf ein anderes Modell, könnte am Ende mit nichts dastehen.
Was der Staat seinen Bürgern wegnimmt, das gibt er nicht so schnell wieder her. Auch dann nicht, wenn es sich um ungerechtfertigt hohe Steuern handelt. Das zeigt sich exemplarisch bei der Heiratsstrafe im Bund, die Hunderttausende Ehepaare betrifft, erwerbstätige und pensionierte, und über deren Beseitigung das eidgenössische Parlament schon seit Jahrzehnten diskutiert.
Doch vielleicht klappt es mit dem neusten Anlauf. Nach dem Nationalrat hat sich nun auch der Ständerat im Grundsatz für den Wechsel zur Individualbesteuerung ausgesprochen. Die Freisinnigen und die Linken konnten sich knapp, mit 23 zu 22 Stimmen, gegen die Traditionalisten aus der Mitte-Partei und der SVP durchsetzen. Diese wollen an der gemeinsamen Besteuerung von Mann und Frau festhalten und sehen in der zivilstandsunabhängigen Besteuerung einen «Frontalangriff auf die Ehe». Das ist etwas gar viel Drama. Die Scheidungszahlen zeigen, dass die gemeinsame Steuerveranlagung nicht der Kitt ist, der Ehepaare zusammenhält. Ebenso wenig wird die getrennte Besteuerung Ehegatten auseinandertreiben.
Unnötiges Hin und Her
Nüchtern betrachtet ist die Individualbesteuerung eine zeitgemässe Methode, um die Heiratsstrafe abzuschaffen und Ehepaare mit zwei Einkommen – das ist die grosse Mehrheit der Verheirateten – nicht mehr länger zu benachteiligen. Auch kann man sich das zivilstandsbedingte Hin und Her sparen: Es gibt keinen überzeugenden Grund, warum man als Lediger eine eigene Steuererklärung einreicht, nach der Heirat mit dem Gatten zum Steuersubjekt verschmilzt und nach der Scheidung oder dem Tod des Partners dann wieder einzeln veranlagt wird.
Es trifft zu, dass auf die kantonalen Steuerbehörden eine gewisse Mehrarbeit zukommen wird. Doch das ist noch kein valables Argument gegen tiefere Steuern. Auch vor dem Wechsel zur einjährigen Gegenwartsbesteuerung wurde seitens der Kantone viel gejammert, doch die Probleme waren bewältigbar. Sie werden es auch bei der Individualbesteuerung sein, zumal eine mehrjährige Übergangsfrist gilt.
Sicher, es gäbe auch andere Wege, um die übermässige Belastung von Ehepaaren zu beseitigen, etwa das Splitting oder die alternative Steuerberechnung oder die Abschaffung der Progression. Diese Varianten hätten den Vorteil, dass die Ehepaare, ob Alleinverdiener oder Doppelverdiener, steuerlich gleich behandelt würden. Unschöne Mehrbelastungen der klassischen Einverdienerehen, wie sie die Individualbesteuerung zur Folge hat, würden vermieden. Doch das Parlament hat über diese Modelle schon mehrfach diskutiert, ohne Erfolg – es fanden sich keine Mehrheiten. Wer die Individualbesteuerung ablehnt in der Hoffnung, die Heiratsstrafe anschliessend auf anderem Weg abzuschaffen, geht das Risiko ein, dass am Ende gar nichts herausschaut.
Wer wäre Referendumsführer?
Politisch ist die Individualbesteuerung noch nicht in trockenen Tüchern. Es ist gut möglich, dass die Vorlage die Schlussabstimmung im Parlament wegen ein paar Einzelstimmen nicht übersteht. Denkbar ist auch, dass die Mitte-Partei und die SVP die Steuerreform mit dem Referendum bekämpfen werden. Allerdings fragt sich, wer dabei vorangehen würde. Die Mitte-Partei präsentiert sich nicht in Bestform. Dass sie Unterschriften gegen die Individualbesteuerung sammeln und einen Abstimmungskampf führen würde, kann man sich im Moment nur schwer vorstellen. Auch gibt es in den Reihen der Mitte-Frauen durchaus solche, die Sympathien für die Individualbesteuerung haben. So gehört etwa die frühere CVP-Bundesrätin Ruth Metzler zu den Initiantinnen.
Die SVP ihrerseits dürfte mit ihren vielen Volksinitiativen, vom Grenzschutz über die 10-Millionen-Schweiz bis zur Neutralität, genug zu tun haben. Sie wird kaum darauf erpicht sein, gegen eine steuerliche Entlastung anzukämpfen, von der nicht nur erwerbstätige Ehepaare, sondern auch Rentnerpaare profitieren.