Eine Erstsemesterin campt im Zelt vor dem Hauptgebäude. Und auch Kommissar Thiel macht die Wohnungsnot zu schaffen. Ist er deshalb so müde?
Es beginnt, wie gewohnt in Münster, mit einem harmlosen Scherz: Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) will seinen Kollegen Frank Thiel (Axel Prahl) auf eine Uni-Party locken. Dafür inszeniert er mit seinen Studenten einen Mord auf der Toilette der medizinischen Fakultät. Kunstblut und Axt im Rücken des Opfers inklusive. Der Streich funktioniert.
Daraufhin trinkt Boerne hocherfreut ein paar Shots über den Durst; Thiel bleibt beim Bier. Am nächsten Morgen wird die Leiche des Barkeepers vom Vorabend zwischen den Mülltonnen gefunden. Arbeitswütig streift der Pathologe die Handschuhe über – und der Hauptkommissar schlurft verkatert hinter ihm her.
Tatsächlich wird der Mord an dem angehenden Sozialpädagogen Chris Haffmeister (Jonas Stenzel) rasch zur Nebensache. Das Drehbuch von Regine Bielefeldt konzentriert sich auf das soziale Drumherum. Es geht um die Wohnungsnot und bezahlbare Mieten insbesondere für Studenten.
Chris verwaltete die Zimmerbörse an der Uni. Er sass an der Quelle, wenn es um WG-Angebote ging. Dass gleich mehrere Kommilitoninnen in seinem Umfeld auf seine Hilfe hofften, macht die Ermittlungen für Thiel nicht einfacher. Zudem stellt Boerne schnell fest, dass der junge Mann kurz vor dem Todeszeitpunkt nicht allein war. Nur die Tatwaffe gibt Rätsel auf.
Dann trifft’s den Germanistik-Professor
Bei den Verdächtigen ist die Lage ähnlich schwammig. Die Mitstudentin Lucy (Luise von Stein) gesteht zwar den Mord, kann es aber eigentlich nicht gewesen sein. Ihre Kommilitonin Fraya (Meira Durand) kommt schon eher infrage. Sie hatte nicht nur eine Affäre und «Stress» mit dem Opfer, sondern will vor allem weg von ihrer Mutter (Adina Vetter), die sie pausenlos bevormundet. Nach Chris’ Tod steht plötzlich Frayas Name an seinem Klingelschild.
Dann ist da noch Kim (Bineta Hansen), die ins Bild rückt, als ein zweiter Mord passiert. Diesmal hat es einen Germanistik-Professor getroffen. Auch die Erstsemesterin, die in einem Zelt vor dem Hauptgebäude der Uni campt, hat ein wohnungsbedingtes Motiv. Und sie besitzt die Brieftasche des Professors. Thiel hofft auf baldige Klärung des Falls. Doch stattdessen steht er dann mit gleich zwei falschen Geständnissen da. Und einem Mord, der vermutlich ein Unfall war.
Boerne droht mit Kündigung
«Das wird schon, Thiel», versucht ihn die herrlich trockene Staatsanwältin Klemm aufzumuntern. Aber was wirklich an dem Kommissar nagt, ist eine Kränkung privater Natur. Seit einem Streit am Morgen nach der Uni-Party droht ihm sein Kollege, Freund und, ja, Vermieter Boerne ebenfalls mit Kündigung.
Man hat das Gefühl, dass hier bald keiner mehr ein sicheres Dach über dem Kopf habe – geschweige denn sich ein Zuschauer für die Auflösung dieses launischen Sonntagabendkrimis interessiert. Das Münsteraner-Team hat mit so diffusen Erinnerungslücken und realen Problemen zu kämpfen, dass der Humor nicht recht zünden will. Noch die markantesten Sprüche kommen platt und abgedroschen rüber.
Vor allem Prahl wirkt sichtlich müde im Schatten von Liefers’ aufgesetzter Überdrehtheit und Arroganz. Unter Einsatz von Rausch- und Arzneimitteln, Experimenten mit Studenten und Lügendetektortests verkommt der Plot zu einem Mittel zum Zweck. Regisseurin Isa Prahl hat zwar ihre Heimatstadt schön in Szene gesetzt. Aber man nimmt keinem der Beteiligten ein echtes Interesse ab, weder an dem Fall noch an der prekären Wohnungslage.
«Tatort» aus Münster: «Fiderallala». Sonntag, 20.05 / 20.15 Uhr, SRF 1 / ARD.