Die Stadt Zürich hat die Regeln für blaue Zonen neu definiert. Die SVP droht mit einem Referendum.
Nicht nur Wohnungen sind in der Stadt Zürich rar, sondern auch Parkplätze im öffentlichen Raum. In den kommenden Jahren werden es noch weniger: Für die Velovorzugsrouten werden viele Parkplätze in den blauen Zonen weichen müssen. Und nicht nur das: Parkieren wird in Zürich auch teurer.
Nicht ganz so teuer, wie es der Zürcher Stadtrat ursprünglich vorgesehen hatte. In seiner Vorlage von 2020 wollte er den Preis für die Blaue-Zone-Karte für Anwohner von 300 auf 780 Franken pro Jahr erhöhen. Das ging nicht nur dem eidgenössischen Preisüberwacher zu weit, sondern auch der SP. Der Stadtrat zog die Vorlage daraufhin zurück und legte 2023 eine neue Variante vor. Die Jahreskarte sollte neu 540 Franken kosten.
Inzwischen hat sich auch die zuständige Kommission im Stadtparlament mit der neuen Verordnung befasst und diverse Änderungswünsche angebracht. Diese betreffen auch die Kosten der Jahreskarte. Die Mehrheit – bestehend aus SP, Grünen, GLP und AL – plädiert für eine differenzierte Lösung statt eines Standardpreises. Die Kosten sollen künftig abhängig davon sein, was für ein Auto man fährt.
Konkret soll es so funktionieren: Wer ein Elektroauto hat, bezahlt 35 Rappen pro Kilo Leergewicht des Autos. Mit einem Elektroauto, das 1500 Kilogramm schwer ist, bezahlt man also 525 Franken. Teurer wird es für all jene, deren Fahrzeug mit einem fossilen Kraftstoff betrieben wird. Sie zahlen 40 Rappen pro Kilogramm Leergewicht. Bei einem 1500 Kilo schweren Wagen wären es dann 600 Franken jährlich für eine Parkkarte.
Der Mechanismus soll die Autobesitzer offensichtlich dazu animieren, ein Elektroauto zu kaufen. Die Grünen formulieren es in einer Stellungnahme so: «Mit diesem Mechanismus können Fahrzeughalter:innen ihre Gebühren beim Fahrzeugkauf selber beeinflussen.» Bei der FDP glaubt man nicht daran: Elektroautos seien wegen der Batterie zum Teil deutlich schwerer, sagt Gemeinderat Andreas Egli. Deshalb sei eher mit höheren Gebühren zu rechnen. Zudem würden auch Familien stärker belastet. «Wer einen grossen Kombi oder einen Van hat, zahlt mitunter mehr als ein Sportwagenbesitzer.»
Die Karten für die Blaue Zone sollen zudem künftig nicht mehr allen zugänglich sein. Dies ist im kommunalen Verkehrsrichtplan so vorgesehen, dem die Stadtbevölkerung bereits zugestimmt hat. Die Karten für die blauen Zonen sollen nur noch an Personen abgegeben werden, die keine Möglichkeit haben, einen privaten Parkplatz zu nutzen – zum Beispiel in einer Tiefgarage.
Die Fahrzeughalter müssen dies in ihrem Antrag für die Karte selbst deklarieren, die Stadt will die Angaben mit Stichproben prüfen. Das Ziel der Stadt: Die Autos sollen vom öffentlichen Raum auf private Parkplätze verlagert werden. Für die SP ist das ein zwingender Schritt: «Es kann nicht sein, dass weiterhin so viel Platz auf öffentlichem Grund versperrt wird und gleichzeitig halbe Tiefgaragen leer stehen», schreibt die Partei in einer Mitteilung.
Die Leiden der Handwerker
Die neuen Regelungen betreffen nicht nur Privatpersonen, sondern auch das Gewerbe. Gewerbetreibende sollen 360 Franken pro Jahr fürs Parkieren in der blauen Zone bezahlen. Da es dort selten freie Parkplätze hat, können die Firmen auch eine «erweiterte Gewerbebewilligung» kaufen. Für diese veranschlagt der Stadtrat 1800 Franken pro Jahr. Sie erlaubt es den Handwerks- und Servicebetrieben nicht nur, ihr Fahrzeug auf weissen Parkfeldern abzustellen, es verschafft ihnen auch Zugang zu Fahrverbots-, Sperr- und Fussgängerzonen.
Die Mehrheit der Kommission unterstützt dies, sieht jedoch einen tieferen Tarif für das lokale Gewerbe vor. Gewerbetreibende aus der Stadt sollen 1200 Franken für die erweiterte Bewilligung zahlen müssen, für externe bliebe es bei den 1800 Franken. Das in der Stadt ansässige Gewerbe, das dank kürzerer Wege auch ökologischer unterwegs sei, solle bessere Rahmenbedingungen erhalten, argumentieren die Grünen.
Die SVP kann es zwar nachvollziehen, dass das lokale Gewerbe eine Bevorzugung begrüssen würde. Eine solche Regelung wäre aber wohl rechtlich nicht haltbar, mutmasst die Partei in einer Mitteilung. Ohnehin findet die SVP, dass Handwerker in der Stadt kostenfrei parkieren können sollten. Für die erweiterte Gewerbeparkkarte schwebt der Partei ein Preis von 360 Franken vor. Denn die Preiserhöhungen fürs Parkieren beim Gewerbe würden auf die Kunden überwälzt werden. «Das bedeutet, Güter und Dienstleistungen in der Stadt werden einen Preisschub erfahren.»
Die SVP bezeichnet die neue Verordnung deshalb als «unsozial» und «widersprüchlich». Links-Grün verlange sonst immer nach einer Entlastung wenn es um Mieten, Krankenkassenprämien oder Heizkosten gehe. «Das soziale Gewissen von Links-Grün hört aber auf, wenn es um das Auto geht.»
Die SVP überlegt sich, das Referendum gegen die Vorlage des Stadtrats zu ergreifen. Und hofft dabei auf die Unterstützung durch die FDP. Dort ist man aber eher skeptisch. Ursprünglich hatten die Freisinnigen mit einem parlamentarischen Referendum geliebäugelt. In den Kommissionsverhandlungen sei es dann aber gelungen, der linken Seite Zugeständnisse abzuringen, sagt Gemeinderat Andreas Egli. Darunter insbesondere die Verbesserungen für das Gewerbe, also die Kostenreduktion für lokale Unternehmen sowie auch die Möglichkeit, notfalls auf dem Trottoir zu parkieren, wenn es in der Nähe keinerlei Parkplätze gibt.
«Das Gewerbe hat lange auf eine Lösung gewartet, wir wollen den Prozess nun nicht noch weiter verzögern», sagt Egli. Ein Referendum entgegen den Interessen des Gewerbes komme für die FDP kaum infrage.
Beim Stadtzürcher Gewerbeverband ist man zufrieden mit dem Vorschlag: Die Handwerker könnten mit der erweiterten Gewerbekarte endlich wieder in der Nähe ihres Einsatzorts parkieren, sagt Verbandspräsidentin Nicole Barandun.
Dass das hiesige Gewerbe günstiger zur Karte kommen soll, sei erfreulich. Und in Bern seit langem Usus. Für die Vergünstigung gebe es viele gute Gründe, so habe das lokale Gewerbe mit hohen Mieten und hohen Steuern zu kämpfen. Und es sei in der Stadt auch schwierig, Gewerbe- oder Lagerräume zu finden. «Mit dieser Vergünstigung kann das Parlament einmal zeigen, dass ihm wirklich etwas am lokalen Gewerbe liegt.»
Barandun geht deshalb auch davon aus, dass der Verband ein Referendum nicht unterstützen würde. «Das Gesamtpaket stimmt für uns und bringt fürs Gewerbe eine grosse Erleichterung.»
Die Trottoir-Frage
Auch die linken Parteien sind zufrieden mit der neuen Verordnung. Aus Sicht der SP sind die Anpassungen ganz im Sinne der Bevölkerung, die sich in mehreren Volksentscheiden für einen klimafreundlicheren Verkehr ausgesprochen habe. «Die Bevölkerung braucht sichere Velorouten und ein starkes öV-Angebot in der ganzen Stadt. Nur so kommen wir dem Klimaziel näher», lässt sich SP-Gemeinderat Severin Meier in einer Mitteilung zitieren.
In einem Punkt scheint man sich auf der linken Seite aber noch nicht ganz einig zu sein: in der Trottoir-Frage. Die Grünen sind «entschieden dagegen», dass Handwerker ihre Fahrzeuge notfalls auf dem Trottoir abstellen dürfen. Es habe sich schon beim Veloverkehr nicht bewährt, dass man die Fahrräder zulasten der Fussgänger teilweise auf den Trottoirs fahren habe fahren lassen. Für das Gewerbe hingegen ist diese Parkierungsmöglichkeit in einer Stadt der schwindenden Parkplätze wichtig.