Gucci war lange Zeit eine Gewinnmaschine. Jetzt nicht mehr.
Es ist gar nicht so lange her, da machte Gucci noch blendende Geschäfte. Im Jahr 2021 wurde das Modehaus hundert Jahre alt, man lud zur pompösen Modeschau in Hollywood, und der Kinofilm «House of Gucci» brachte dem Unternehmen neue Kundinnen und Kunden. In der Chefetage blickte man mit Freude auf die Zahlen, die zur Überraschung aller wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie lagen.
Ein Jahr später waren die Verkäufe eingebrochen. Der Luxuskonzern Kering, zu dem Gucci gehört, versprach, sich um das Problem zu kümmern. Doch wie diese Woche bekanntwurde, ist das bisher nicht gelungen. Am Dienstag teilte Kering mit, dass die Verkäufe bei Gucci erneut zurückgegangen seien, um einen Fünftel seit Jahresbeginn.
Das hatten die Märkte nicht erwartet. Nach der Umsatzwarnung fiel der Aktienkurs von Kering um 15 Prozent und verharrte bis Freitagabend auf diesem Niveau. Der Luxuskonzern verlor innert weniger Tage 8 Milliarden Euro seines Werts.
Was ist los bei Gucci? Kering führt die Schwierigkeiten auf das schlechte Geschäft in Asien zurück. Doch die Gründe liegen tiefer. Seit einiger Zeit hat das Haus mit negativen Nachrichten zu kämpfen. Es geht um Abgänge, fehlende Ideen und einen Machtkampf auf Konzernebene. Gucci, früher das Juwel in der Krone von Kering, hat seinen Glanz verloren.
Vom Klotzen zum Kleckern
Als der Pferdesattler Guccio Gucci im Jahr 1921 in Florenz eine Lederwerkstatt eröffnete, ahnte er nicht, dass sein Name bald weltberühmt sein sollte. Erst später, als er und sein Sohn Aldo luxuriöse Handtaschen anzufertigen begannen, wurde aus Gucci eine der begehrtesten Marken Italiens. In den neunziger Jahren, begleitet vom Skandal eines dubiosen Auftragsmords in der Gucci-Familie, folgte der Aufstieg zur milliardenschweren Firma.
Der Erfolg liess die Familie Pinault, Besitzerin des Luxusgüterkonzerns Kering, aufmerksam werden. Im Jahr 2004 kaufte sie das Modehaus, zehn Jahre später setzte sie zwei Männer an die Spitze, die vieles verändern sollten: Marco Bizzarri war der CEO und Alessandro Michele war der Kreativchef.
Michele, ein Mann mit Jesusfrisur und Vollbart, führte einen neuen Glaubenssatz ein: Mehr ist mehr. Unter ihm wurde Gucci zu einer Marke, die nicht exzentrisch genug sein konnte. Michele entwarf barocke Blusen und Fellfinken, und über allem prangte das Gucci-Logo mit dem doppelten G. Wer Gucci trug, war nicht per se gut gekleidet, aber fiel garantiert auf.
Vor allem im asiatischen Raum kam das Auffällige an. Vier Jahre nach Micheles Antritt verdoppelte sich der Umsatz von Gucci auf knapp 10 Milliarden Euro. Doch dann kam die Pandemie und mit ihr ein neuer Zeitgeschmack. Mode hatte nun schlicht und unauffällig zu sein. Vorbei war die Zeit der Riesenlogos und protzigen Markennamen. Vorbei war die Zeit von Gucci.
Ende 2022 trennte man sich deshalb vom Kreativchef Michele, wenige Monate später verliess der CEO Bizzarri das Unternehmen. Damit waren die Männer weg, die Gucci zur Gewinnmaschine umgebaut hatten. Der Kering-Konzern versprach, die Vakanzen bald zu besetzen. «Wir bauen eine robustere Organisation auf», hiess es damals, doch genutzt hat es wenig. Die Abgänge wurden als Zeichen für interne Unruhen bei Gucci gedeutet, Anleger verloren das Vertrauen in die Marke. Ende 2023 war der Kering-Konzern einen Drittel weniger wert als noch zu Jahresbeginn.
Barocke Blusen und Riesenlogos: Für den Designer Alessandro Michele konnte Gucci nicht exzentrisch genug sein.
Die Konkurrenz ist stärker
Gleichzeitig schwächte sich der Boom bei den Luxusgütern ab. Hatten die Leute kurz nach Ende der Pandemie genug Geld gespart, um es grosszügig auszugeben, ging die Nachfrage im letzten Jahr wegen der hohen Inflation zurück. Vor allem chinesische Kundinnen und Kunden würden unter der lahmenden Konjunktur weniger Luxusgüter nachfragen, teilte Kering mit. Das Problem: In China erzielt Gucci einen Drittel seines Umsatzes.
Da macht es die Konkurrenz besser. Bei Hermès zum Beispiel übersteigt die Nachfrage nach Handtaschen das Angebot um ein Vielfaches, Konjunktur hin oder her. Und der ebenfalls französische Konzern LVMH, mit dem Kering gerne verglichen wird, setzt auf Masse. Mit seinen gut 75 Marken hat er ein breit gestreutes Portfolio und erzielte im Jahr 2023 erneut Rekorde bei Umsatz und Ergebnis.
Anders bei Kering. Zwar gehören zum Konzern, der 49 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt und 2023 einen Umsatz von 19,6 Milliarden Euro erzielte, auch Marken wie Yves Saint Laurent oder Balenciaga. Doch Gucci dominiert, die Marke ist für die Hälfte des Umsatzes und gut zwei Drittel des Gewinns verantwortlich. In guten Zeiten sind die Italiener die Lieblinge des Konzerns, in schlechten Zeiten ziehen sie alle anderen herunter. Das Klumpenrisiko ist Kering bewusst, mit Anteilen an anderen Modehäusern versucht der Konzern derzeit, seine Abhängigkeit von Gucci zu verringern.
Grosse Hoffnungen liegen auf dem neuen Chefdesigner, Sabato De Sarno. Ihm obliegt die Aufgabe, dem exzentrischen Gucci ein schlichteres Aussehen und ein dezentes Image zu verpassen. Seine erste Kollektion wird seit einigen Wochen in die Gucci-Filialen rund um den Globus ausgeliefert und bis anhin «mit grosser Zustimmung aufgenommen», wie Kering mitteilte.
Sieht ganz danach aus, als hätte man am Hauptsitz von Gucci in Florenz die Weichen für die Zukunft neu gestellt. Theoretisch müssten die Verkäufe bald wieder steigen. Kering fehlt also nur noch eines: die richtigen Zahlen.