Donald Trump lässt im Wahlkampf Zeichen der Verunsicherung erkennen. Seine unerwartete Gegnerin steigt kometenhaft auf. Doch die nächsten Wochen werden für sie schwieriger werden.
Drei Wochen ist Kamala Harris nun im Rennen um die amerikanische Präsidentschaft, und sie hat den Wahlkampf auf den Kopf gestellt. Es ist nicht mehr Donald Trump, der scheinbar unaufholbar davoneilt und seine Partei in einem euphorischen Siegesrausch um sich schart. Nein, es ist Kamala Harris, die die nationalen Umfragen anführt. Auch in wichtigen Swing States hat sie Trump überholt oder zumindest eingeholt. Und es ist Harris, die von ihrer Partei mit einem ungeahnten Energieschub getragen wird.
Die Rückkehr Donald Trumps ins Weisse Haus ist nicht mehr gewiss. Niemand lässt dies deutlicher erkennen als Trump selbst und seine republikanischen Gefolgsleute. Im Wahlkampf gegen Biden hatte er erstaunliche Disziplin bewiesen und sich häufiger als früher an die Vorgaben seiner Wahlstrategen gehalten. Statt übermässig grober persönlicher Attacken und der Pflege seiner Eitelkeiten fokussierte sich Trump stärker auf die Schwächen des Gegners: die Gebrechlichkeit Bidens, dessen zaudernde Aussenpolitik, die hohe Inflation, unpopuläre staatliche Regulierungen. Und er hatte damit Erfolg.
Trump zeigt sich verunsichert
Doch das ist vorbei. Seit Harris die Gegnerin ist, zeigt sich Trump häufig irritiert, gereizt – und fällt in seine alte Rolle als selbstverliebter, wütender, grober und düsterer Kämpfer zurück. Er qualifiziert Harris als dumm ab, macht sich über ihre Hautfarbe oder andere Merkmale ihrer äusseren Erscheinung lustig. Oder er warnt ständig dunkel vor dem dritten Weltkrieg und behauptet, er könnte diese Gefahr in einem Tag abwenden.
Mit solcher Polemik bringt er konservative Kommentatoren zum Verzweifeln, weil er so Tag für Tag Gelegenheiten verpasst, um Harris wirkungsvoll anzugreifen. Und solche gibt es viele: ihre frühere Positionierung weit links im politischen Spektrum. Ihre Unbeliebtheit als Vizepräsidentin. Ihr unklares politisches Profil. Der durchzogene Leistungsausweis der Administration Biden.
Doch Trump scheint verunsichert und sucht an seinen Wahlkampfanlässen den Jubel seiner grossen Fanbasis, statt sich, wie von seinen Strategen gewünscht, durch taktisches Verhalten den zwingend benötigten Mittewählern zuzuwenden. Er hat noch kein Mittel gegen Harris’ geschickte Strategie gefunden. Plötzlich ist sie es und nicht Trump, welche die grösste Energie in diesem Wahlkampf versprüht. Sie lässt Trumps Provokationen an sich abprallen und definiert ihr Image selbst. Seinen groben Verunglimpfungen stellt sie einen Wahlkampf der Fröhlichkeit und des Optimismus entgegen. Mit der Wahl von Tim Walz aus Minnesota als ihrem Vizepräsidenten macht sie Trump die Identifikation mit den kleinen Leuten im mittleren Westen streitig.
Harris betreibt ganz gezielt einen Wahlkampf der Persönlichkeiten: nett gegen böse, jung gegen alt, zuversichtlich gegen grimmig, neue Zukunft gegen altbekannte Vergangenheit. Und sie hat damit Erfolg.
Emotionen statt politische Details
Die Frage ist, wie lange das so bleibt. Was bei dieser Strategie auf der Strecke bleibt, ist, wer Kamala Harris wirklich ist. Interviews hat sie bisher weitgehend vermieden. Sie hat sich von einigen allzu weit links stehenden früheren Statements distanziert. So will sie offenbar nicht mehr die Gasförderung in den USA verbieten und will den Grenzschutz im Süden stärken. Den jüngsten populistischen Vorschlag Trumps, Trinkgelder nicht mehr zu besteuern, hat sie einfach übernommen. Aber ob das nur billiger Opportunismus ist und was die Präsidentschaftskandidatin Harris wirklich denkt und plant, das weiss niemand.
Harris ist programmatischen Fragen bisher weitgehend ausgewichen. Das ist verständlich, sie muss nach dem plötzlichen Rückzug Bidens aus dem Nichts ein Wahlkampfkonzept aufstellen, sich selbst als Kandidatin definieren und gleichzeitig mit Vollgas Wahlkampf machen. Gleichzeitig kommt ihr dieses programmatische Vakuum sehr zupass. So stehen die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Kandidaten im Vordergrund, es geht um Emotionen und Show. Diese Klaviatur beherrscht Harris besser, als viele erwartet hätten. Und von Trump ist gut etabliert, dass seine polarisierende Persönlichkeit nur eine Minderheit der Wähler begeistert.
Doch die Medien, ein vielleicht geschickter als bisher operierender Trump und die Wähler werden mehr von der möglichen nächsten Präsidentin wissen wollen. Wie wird sie die Inflation und die galoppierenden Staatsschulden im Zaum halten? Was macht sie gegen die illegale Einwanderung? Wie können Klimaschutz und Wirtschaftswachstum in Einklang gebracht werden? Wie will sie Russland und China in die Schranken weisen?
Der kurze Wahlkampf ist ein Vorteil
Team Harris hat für Freitag eine programmatische Rede zur Wirtschaft in Aussicht gestellt. Weitere dürften zu anderen Themen folgen. Es würde aber nicht überraschen, wenn Harris sich dabei möglichst vage äussern wird. Populäre Wahlversprechen für den Mittelstand dürften im Vordergrund stehen, weil sie diesen für einen Wahlsieg braucht. Wie konsistent diese Versprechungen sind, dürfte sie weniger kümmern.
Sie hat nicht schlechte Chancen, damit im Wahlkampf durchzukommen. Zum einen heisst ihr Gegner Donald Trump, und dieser lässt es oft an Disziplin mangeln und verspricht auch vieles, was nicht zusammenpasst. Zum anderen wird der Wahlkampf extrem kurz sein. Es fehlt die Zeit für eine genaue Durchleuchtung eines noch gar nicht vorliegenden Wahlprogramms. So wird diese Wahl besonders stark von Emotionen, Hoffnungen, Loyalitäten und Launen entschieden werden. Ein Feld, auf dem Trump eine würdige Gegnerin erhalten hat.








