Schwerreiche Männer, die Zeitungen kaufen, stehen im Ruf, so rechts zu sein wie Elliot Carver in «Tomorrow Never Dies». Doch auch linke Milliardäre wollen die Öffentlichkeit manipulieren.
Im amerikanischen Mediensektor herrscht Krisenstimmung. Die «Washington Post» baut 240 Stellen im Newsroom oder fast 10 Prozent der Belegschaft ab. Dies auf Geheiss von Amazon-Multimilliardär Jeff Bezos, der die «Washington Post» 2013 gekauft hat. Unlängst meldete auch die Zeitschrift «Sports Illustrated», man werde hundert gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter schassen. Beim «Time Magazine», das dem Milliardär und Salesforce-Inhaber Marc Bernioff gehört, erhielten 15 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Redaktionsmitglieder den blauen Brief.
Interessanterweise trifft die Entlassungswelle nicht nur Medien, die im Besitz von Milliardären sind, die mit gewerkschaftlich organisierten und linkslastigen Journalisten ein Problem haben. Das zeigt der Fall der «Los Angeles Times». Die grösste Zeitung der Westküste hat kürzlich angekündigt, künftig auf die Dienste von 115 Redaktionsmitgliedern zu verzichten. Seit letztem Juni ist der Newsroom der «LA Times» damit um ein Drittel geschrumpft. Die Entscheidung traf mit dem Biotech-Unternehmer Patrick Soon-Shiong auch hier ein milliardenschwerer Inhaber.
«Plünderungen» durfte es nicht geben, obwohl es sie gab
Aber seinen Entscheid traf Soon-Shiong gemäss Medienberichten aus anderen politischen Gründen: Seiner 1993 geborenen Tochter Nika Soon-Shiong war die 2018 für 500 Millionen Dollar erstandene «LA Times» nicht mehr «progressiv», also links genug. Ihr Groll hat Geschichte: Schon 2021, während der «Black Lives Matter»- und George-Floyd-Proteste, soll die Milliardärstochter und Oxford-Doktorandin redaktionell eingegriffen haben: Den Begriff «Plünderung» wollte sie im Zusammenhang mit den Ausschreitungen nicht lesen, obwohl Demonstranten zahlreiche Geschäfte demolierten und plünderten.
Zudem setzte sie sich in Los Angeles für die umstrittene «Defund the Police»-Bewegung ein, die der Polizei Macht und Mittel entzog – und sie kritisierte Artikel, die dem zuwiderliefen. Bei Wahlen auf Kommunalebene soll Nika Soon-Shiong in Interessenkonflikte geraten sein. Sie engagierte sich in städtischen Kommissionen, gleichzeitig unterstützte ihre Zeitung befreundete Kandidaten für öffentliche Ämter.
Das Fass zum Überlaufen brachte die Einmischung der Besitzerstochter in die Berichterstattung der «LA Times» zum Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober. Nika Soon-Shiong, von postkolonialen Universitätstheorien inspiriert, ist radikal propalästinensisch. Privat sprach sie vom «Apartheidstaat» Israel und pinnte die Flagge Palästinas an ihre Social-Media-Accounts, beruflich soll sie auch für antiisraelische Headlines und Berichte mit verantwortlich gewesen sein.
Demission des Chefredaktors
Der Chefredaktor Kevin Merida sah sich jedenfalls dazu veranlasst, seine Redaktion zu journalistischer Objektivität zu ermahnen – und Mitarbeiter für 90 Tage zu suspendieren, die einen offenen Brief für die völkerrechtliche Verurteilung Israels unterzeichnet hatten. Kurz darauf reichte er überraschend seine Demission ein. Eine Woche später folgte der erwähnte Kahlschlag auf der Redaktion. Gehen mussten auch Journalisten, die Nika Soon-Shiong nicht links genug gewesen waren.
Medien, die im Besitz von Milliardären sind, sind kein neues Phänomen. Die Ansicht, wonach alle Medienmilliardäre so rechtslastig sind wie Elliot Carver im James-Bond-Film «Tomorrow Never Dies», ist allerdings überholt. Manipulative Politakteure in Medien können auch progressiv, sozialaktivistisch und «woke», sein. Wenn etwas ihren Interessen als branchenfremde Investoren oder Ideologen zuwiderläuft, wird gekürzt und entlassen – unabhängig von der politischen Gesinnung.
Das macht von Milliardären und Investitionsgruppen kontrollierte Medien eher zu Sportclubs denn zur vierten Gewalt im Staat: Ein Spielzeug im Portfolio von Superreichen – mit Journalisten, die als austauschbare Masse gelten.