Nebeneinkünfte sollen nicht näher offen gelegt werden.
Das Parlament will weder den gläsernen Parlamentarier – noch einen halbnackten Daniel Jositsch. «Ich muss nicht alles bis hin, gewissermassen, zu meiner Unterhose zeigen, nur weil ich Mitglied dieses Parlaments bin», sagte der Zürcher SP-Ständerat. Damit waren am Dienstagvormittag die Positionen im Ständerat klar – und die Bilder im Kopf. Es ging um Transparenz und um die Frage: Müssen die Parlamentarier auch ihre Einkünfte aus Nebentätigkeiten offenlegen?
Jositsch bekämpfte die parlamentarische Initiative der Grünen, die die Transparenzregeln für Parlamentarier hätte erweitern wollen. Auch innerhalb der SP-Fraktion war er – einmal mehr – isoliert. Neben den Grünen und der SP machten sich auch Teile der Mitte für die Vorlage stark.
Ein Albaner als Kronzeuge
Wäre es nach ihnen gegangen, hätte jedes Mitglied der eidgenössischen Räte fortan angeben müssen, seit wann es eine Nebentätigkeit ausführt und wie viel in etwa es dafür bekommt. Auf diesen Weg sollten die Parlamentarier Transparenz schaffen – vor allem bei ihren nebenamtlichen Mandaten, die sie erst seit und eben oft auch wegen der jeweiligen Wahl ins Parlament und vor allem dank der darauf folgenden Zuweisung in die thematische Kommission zugeschanzt bekommen.
In vielen Fällen liegt zumindest der Verdacht auf der Hand, dass die Parlamentarier sich vor allem für die Interessen ihres Nebenarbeitgebers einsetzen – oder ihn zumindest nicht bekämpfen. Wer beisst schon die Hand, die einen mitfüttert.
Man müsse dieses Thema nicht aus der «Eigensicht», sondern aus der Perspektive der Wähler betrachten, monierte die Urner Mitte-Ständerätin Heidi Z’graggen, die sich für die Vorlage einsetzte. «Für die Bevölkerung, aber auch für uns als Parlamentarier, ist es doch von entscheidender Bedeutung, dass einerseits wir das Vertrauen der Bevölkerung haben und dass andererseits die Bevölkerung Vertrauen in uns haben kann.»
Daniel Jositsch und die Mehrheit der zuständigen Kommission hatten einen prosaischeren Zugang zum Thema. Ihnen ging der Vorstoss, den noch die frühere Grüne-Ständerätin und heutige Parteipräsidentin Lisa Mazzone eingereicht hatte, zu weit. Jositsch war es wichtig zu betonen, dass Nebenämter zum Schweizer Milizsystem gehörten. Er selbst weist nebst seinem Beruf als Strafrechtsprofessor sowie seiner Tätigkeit als Ständerat noch 17 weitere Mandate aus, 12 davon bezahlt.
Jositsch merkte in seinem Votum zwar an, dass dies im Ausland undenkbar sei. Aber sogar ein Vertreter des albanischen Parlaments habe ihm gegenüber mal zugestehen müssen, dass die Verquickungen im helvetischen Politsystem kein Nachteil sein müssen. «Plötzlich wurde der Albaner nachdenklich und sagte, es sei eigentlich komisch, denn wir hätten ja eine wesentlich tiefere Korruptionsrate als sie.» Vom imaginären Striptease hin bis zum wohlwollenden Kronzeugen aus dem Balkan – Jositsch zog in der Debatte alle rhetorischen Register.
Mit Erfolg. Der Ständerat folgte dem zuständigen Kommissionspräsidenten und lehnte die Initiative mit 22 zu 18 (bei einer Enthaltung) ab. Damit beendet das Parlament vorläufig eine emotional geführte Transparenzdebatte in eigener Sache. Angestossen hatte sie Beat Rieder bereits in der vorletzten Legislatur. Der Walliser Mitte-Ständerat wollte sich und seinen Ratskollegen die Annahme von bezahlten Mandaten im direkten Zusammenhang mit dem Einsitz in einer entsprechenden Kommission ganz verbieten. Rieder ging es vor allem um die zahlreichen Vertreter von Krankenkassen in den Gesundheitskommissionen des Parlaments. Aus seiner Sicht verunmöglichten diese Reformen im Gesundheitswesen, die zu substanziellen Einsparungen führen.
Die von zahlreichen Lobbygruppen bekämpfte Vorlage fand in den zuständigen Rechtskommissionen beider Räte tatsächlich Mehrheiten, wurde aber später abgeschrieben. Das Bundesamt für Justiz hielt Rieders Vorstoss für verfassungswidrig, weil er etwa die Wirtschaftsfreiheit der Parlamentarier einschränke. Zuletzt forderte Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri, dass Parlamentarier, die im Sold von Krankenkassen stehen, offenlegen müssen, wie hoch die Entschädigungen tatsächlich sind. Auch dieser Ansatz schaffte eine erste Hürde im Nationalrat, wurde dann aber im Ständerat versenkt.
Diskussion wird wieder kommen
Im vorliegenden Vorschlag sah Grüne-Ständerat Matthias Zopfi denn auch ein Gegenvorschlag zu den bis dato gescheiterten Vorschlägen. Der «Kompromiss» sei eine «liberale Lösung», die ohne Verbote und ohne zu einseitige Behandlung einer bestimmten Branche auskomme. Auch der Vorwurf, von den Parlamentariern immer mehr und mehr Transparenz einzufordern, wies Zopfi zurück. Die Räte hätten jeweils die Möglichkeit, sich gegen neue Vorhaben zu stellen.
Die Debatte am Dienstag, so Zopfis Prognose, werde aber nicht die letzte bleiben. «Und ich kann Ihnen versprechen, dass wir diese Diskussion immer wieder führen werden – unabhängig davon, was wir heute machen -, immer wieder wird es weitergehende oder weniger weitgehende Vorschläge geben.» Vorerst will der Ständerat seinen Mitgliedern aber erst gar nicht weiter an die Wäsche.