Donald Trumps Handelskrieg mit dem Rest der Welt drückt auf die Stimmung an Amerikas Finanzmärkten. Die grossen Banken, die Konsumenten, das Fed: Alle fürchten sich vor der Unsicherheit, die Trumps Zölle den USA eingebrockt haben.
Amerikas Finanzmarkt hat sich nach Trumps Einlenken im Zollstreit beruhigt – konnte man am Freitag meinen, wenn man bloss einen Blick auf die Aktienbewegungen warf. Zum ersten Mal seit einer Woche zeigten die amerikanischen Leitindizes S&P 500 und Nasdaq keine wilden Sprünge nach oben oder unten. Auch die Wirtschaftsdaten der vergangenen Tage sollten eigentlich beruhigend wirken: Die Beschäftigungssituation in den USA ist immer noch sehr gut, und die Inflation ist im März deutlicher als erwartet gesunken auf noch 2,4 Prozent.
Zwei andere Entwicklungen deuteten hingegen darauf hin, dass Trump die durch den Zollstreit verursachten wirtschaftlichen Probleme nur aufgeschoben und nicht wirklich gelöst hat.
Den Banken geht es noch gut
Erstens spiegeln sich die Turbulenzen in den Ergebnissen der amerikanischen Grossbanken, die am Freitag begonnen haben, wie üblich als Erste ihre Quartalszahlen zu präsentieren. Den Anfang machten der Branchenprimus JP Morgan, Morgan Stanley und Wells Fargo. Sie präsentierten allesamt steigende Gewinne.
Bei JP Morgan und Morgan Stanley stechen die hervorragenden Resultate der Aktienhändler heraus. Während sie dank der hohen Volatilität der vergangenen Wochen erst richtig aufblühen, macht diese jedoch den Investmentbankern einen Strich durch die Rechnung: In unsicheren Zeiten wagen ihre grossen Kunden weniger Übernahmen, Börsengänge und Kapitalaufnahmen. Die Folge: weniger Gebühren für die Banker, die sie dabei beraten.
Zwar haben JP Morgan und Morgan Stanley im Investment Banking im ersten Quartal mehr verdient als im Jahr zuvor. Aber jenes Vorjahresquartal war nicht berauschend, zudem strömen die Gebühren der Investmentbanken meist mit etwas Verzögerung in die Kasse. Die heutigen Gewinne sind also kein gutes Indiz für die zu erwartende Geschäftsaktivität. Jamie Dimon, der Chef von JP Morgan, warnte bereits davor, dass die Kunden wegen der hohen Volatilität am Markt vorsichtiger geworden seien, und machte Trumps Handelspolitik dafür verantwortlich. Die Wirtschaft sei mit «bedeutenden Turbulenzen» konfrontiert.
Der Bondmarkt bebt
Die grössten Sorgen bereiten derweil die amerikanischen Staatsanleihen. Am Freitag hat der Dollar weiter an Wert verloren, und gleichzeitig legten die Renditen von 10-jährigen US-Staatsanleihen vorübergehend auf 4,58 Prozent zu. Renditen von Anleihen steigen, wenn deren Wert fällt. Die Volatilität am normalerweise behäbig reagierenden Markt bleibt sehr hoch. Beides deutet darauf hin, dass internationale Anleger den USA nicht mehr gleichermassen vertrauen und Vermögen aus dem Dollarraum abziehen.
Dass Donald Trump am Mittwoch den Zollstreit mit dem Rest der Welt etwas eingeschränkt hat, beruhigte die Investoren nur vorübergehend. Am Freitag erhöhte sich der Verkaufsdruck am Anleihenmarkt wieder, weil gemäss Analysten entscheidende Fragen in Trumps Zollstrategie noch immer ungeklärt sind.
«Der Handelsstreit trifft die grössten Käufer von amerikanischen Anleihen und wirft die Frage auf, ob genug Kapital verfügbar sein wird, um die amerikanischen Defizite zu finanzieren», sagt Brij Khurana, Anleihenspezialist beim Vermögensverwalter Wellington Management. Insbesondere Europa habe seine Handelsbilanzüberschüsse bisher stets im amerikanischen Anleihenmarkt reinvestiert. Das Repräsentantenhaus habe sich diesen Donnerstag zudem für eine Budgetresolution ausgesprochen, die das amerikanische Staatsdefizit massgeblich vergrössern werde.
Zudem schwirrten Gerüchte durch den Markt, dass China sein Portfolio an US-Staatsanleihen abbauen könnte, um Washington eine Lektion zu erteilen und zu zeigen, dass man im Handelskrieg noch weitere Pfeile im Köcher hat. Da China solche Verkäufe nicht zeitnah offenlegt, bleibt dies Spekulation; es gibt Daten, die eher gegen die These sprechen. Zudem würde sich China mit einer solchen Verkaufsaktion selbst finanziell schaden.
Das Fed könnte abseitsstehen
Zudem ist fraglich, ob die amerikanische Zentralbank den Märkten bald mit Zinssenkungen zu Hilfe eilen wird. Im Trubel von Anfang Woche gingen die Märkte stark von einem solchen «Fed-Put» aus.
Khurana aber weist auf Aussagen des Fed-Chefs Jerome Powell von vergangener Woche hin. Powell sagte, die Zentralbank werde, wenn gleichzeitig die Wirtschaft schwächele und die Inflation steige, ihren Entscheid danach ausrichten, wie weit sie von ihren beiden Zielen entfernt sei. Weil die Beschäftigungslage in den USA noch immer gut sei, die Inflation aber über dem Zielwert, werde das Fed daher auf die Inflationsbekämpfung fokussieren – und die Zinsen nicht senken.
Weitere Vertreter der Zentralbank hätten in ihren Auftritten diesen Punkt bekräftigt, sagt Khurana. «Das Fed wird seine Politik daher nicht so sehr lockern, wie das die Märkte derzeit erwarten. Ich bin erstaunt, dass sie dem Fed nicht zugehört haben.»
Eine am Freitag publizierte, weitherum beachtete Umfrage der Universität Michigan unterstreicht die Gefahr einer zu lockeren Geldpolitik: Die amerikanischen Konsumenten machen sich grosse Sorgen um die Wirtschaft. Ihre Inflationserwartungen für das kommende Jahr sind innert Monatsfrist von 5 auf 6,7 Prozent angestiegen – das ist der höchste Wert seit über 40 Jahren. Sowohl Republikaner als auch Demokraten haben seit der Eskalation von Trumps Handelsstreit ihre Schätzungen deutlich nach oben angepasst.
Zwar handelt es sich bei der Umfrage um «weiche Daten», denen das Fed in letzter Zeit nicht mehr so viel Gewicht beigemessen hat – vor allem, weil sich diese Inflationserwartungen in den harten Zahlen aus den Finanzmärkten bisher nicht materialisiert haben. Dennoch ist die Umfrage eine weitere dicke Warnung, dass die Notenbank den Kampf gegen die Inflation nicht aufgeben sollte. Am Freitag hat indes auch John Williams, der Chef der New York Fed, gesagt, dass er wegen Trumps Zöllen eine Inflationsrate von 3,5 bis 4 Prozent erwarte und dass das Wachstum der US-Wirtschaft deutlich abnehmen werde. Die derzeitige eher restriktive Geldpolitik sei daher «vollkommen angemessen».
Powell werde Trumps Drängen nach tieferen Zinsen nicht nachgeben, ist auch Khurana überzeugt. «Ihm bleibt noch ein Jahr an der Spitze des Fed, und er will nicht als der Arthur Burns der 2020er Jahre in Erinnerung bleiben», sagt er in Anlehnung an den früheren Notenbankchef: Burns hatte in den 1970er Jahren in einem ähnlichen Machtkampf mit Präsident Richard Nixon nachgegeben und damit sehr hohe Teuerungsraten zugelassen.
Die nächsten Tage
Den Märkten steht eine weitere nervöse Woche bevor. Man hat die wichtigsten Daten zu Inflation und Beschäftigung erhalten, und die grössten Auktionen für Staatsanleihen sind laut Khurana fürs Erste vorüber. «Der Markt konzentriert sich jetzt auf den angekündigten Zollaufschub und insbesondere den Handelsstreit zwischen China und den USA. Die Frage, ob es zu Gesprächen zwischen Xi Jinping und Donald Trump und zu einer Entspannung kommt, ist sehr wichtig.»
Die grosse Unbekannte bleibe, wer das amerikanische Defizit in einem Handelskrieg finanziere. Er sei aber zuversichtlich, dass die amerikanischen Haushalte eine grössere Rolle einnehmen könnten. «Sie verfügen über enorme Vermögen von 570 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandprodukts und haben Aktien in ihrem Portfolio derzeit stark übergewichtet.» Vor allem ältere Amerikaner sollten eigentlich mehr Anleihen halten – was sie bisher aber nicht getan hätten, weil sich der Aktienmarkt so gut entwickelt habe.