Bis der frühere und vielleicht künftige Präsident entscheidet, wen er auf den Wahlzettel setzt, dauert es noch eine Weile. Aber wer die Favoriten sind, wird jetzt klar.
Man kann nicht umhin, sich an die TV-Show erinnert zu fühlen, die ein breites Publikum mit Donald Trump bekanntmachte: «The Apprentice». In der NBC-Show ging es ab 2004 darum, wer sich im harten Wettbewerb als unternehmerisch beweisen konnte. Als Lohn winkte ein Posten bei der Trump-Organisation. Alle anderen Kandidaten wurden mit dem Satz nach Hause geschickt: «You’re fired!»
Zwanzig Jahre später ist Donald Trump auf der Suche nach einem geeigneten Vizepräsidenten für seine erneute Kandidatur.
Am ersten Maiwochenende lud das Republican National Committee zu einer Art Schaulaufen auf Donald Trumps Anwesen Mar-a-Lago ein. Unter den Gästen befanden sich Geldgeber sowie Politiker, die als mögliche republikanische Vizepräsidentschaftskandidaten gehandelt werden. «Meet and Greet» nennen sich solche Events, sie bieten beste Gelegenheit, um zu prüfen, welche Kandidaten sich als «Running Mate» von Trump eignen. Diejenigen, die es ans illustre Treffen schafften, darf man zum engeren Kreis der Favoriten zählen, auch wenn es noch dauern wird, bis sich Trump festlegt. Eine gute Show hat viele Episoden.
Die Mainstream-Kandidaten
Marco Rubio: Der 52-jährige Senator von Florida wäre ein sicherer Wert für Donald Trumps Kandidatur. Er ist einer der einflussreichsten Republikaner in Washington und bringt aussenpolitische Erfahrung mit. Er sitzt seit 23 Jahren im Kongress in Washington, seit 2011 vertritt er den Staat Florida im Senat. Er ist der breiten Öffentlichkeit bekannt durch seine Favoritenrolle in den republikanischen Vorwahlen für die Präsidentschaftswahl 2016. Er verlor jene nach einem gehässigen Wahlkampf gegen Trump. Aber seither hat sich Marco Rubio zum verlässlichen Trump-Alliierten gemausert, obwohl er nicht zum hartgesottenen Trump-Lager zählt. Nach dem Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 stimmte er gegen ein Impeachment von Donald Trump. Der Sohn Exil-kubanischer Flüchtlinge könnte bei den hispanischen Wählern punkten, deren Stimmen in der kommenden Präsidentschaftswahl in den Swing States Arizona, Nevada und Florida eine matchentscheidende Rolle spielen.
Sein Nachteil: Laut der amerikanischen Verfassung dürfen der Präsident und der Vize-Präsident nicht aus demselben Teilstaat stammen. Das hiesse, dass wohl Rubio den Wohnsitz in Florida und seinen Senatssitz aufgeben müsste.
Zudem ist fraglich, ob Trump eine starke politische Figur wie Rubio an seiner Seite dulden würde.
Tim Scott: Der 58-jährige Senator aus South Carolina erhielt schon 2020 am virtuell abgehaltenen Republikanischen Parteitag eine prominente Plattform als Redner. Er ist der erste schwarze Senator aus dem Südstaat. Seit 2011 sitzt er im Kongress und seit 2013 im Senat. Während der ersten zwei Amtsjahre von Präsident Trump wurde er zum konstruktiven Bindeglied zwischen den Republikanern im Kongress und im Weissen Haus. Er half mit, die Steuerreform durchzusetzen, und war federführend bei einer Strafrechtsreform, von welcher Afroamerikaner profitierten, die zum ersten Mal eine Straftat begangen hatten.
2024 Jahr kandidierte er fürs Präsidentenamt, schloss sich aber nach der Niederlage in den Vorwahlen Donald Trump an und ist oft an dessen Wahlkampfveranstaltungen anzutreffen. Als Afroamerikaner könnte er Trump dabei helfen, bei dieser wichtigen Wählergruppe Boden gutzumachen.
Sein Nachteil: Er profilierte sich als engagierter Verfechter des nationalen Abtreibungsverbots, das Trump schliesslich abgelehnt hat. Einen anderen Nachteil hat er ausgebügelt: sein Junggesellendasein. Er hat sich im Frühjahr verlobt und wird im Wahl-Sommer heiraten.
Die «Make America great again»-Populisten
Elise Stefanik: Die 39-jährige Kongressabgeordnete aus dem Teilstaat New York ist Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus und gilt als loyale Alliierte von Donald Trump im Kongress. Das war nicht immer so. Sie stieg als Zentrums-Republikanerin in die Politik ein, als Beraterin des ehemaligen Speakers Paul Ryan, der 2012 als Vizepräsidentschaftskandidat von Senator Mitt Romney kandidiert hatte. Sowohl Romney wie Ryan sind sogenannte Never Trumper – erbitterte republikanische Gegner von Donald Trump innerhalb der Republikanischen Partei. Elise Stefanik hingegen erwies sich als politisch dehnbarer. Sie verteidigte Trump im Impeachment-Prozess 2021 und wurde zu einer überzeugten Vertreterin des trumpistischen Flügels der Partei. Sie sitzt seit 2015 im Parlament. Elise Stefanik könnte als Frau eine Brücke zu den Wählerinnen in den Vorstädten bauen, die Trump vor vier Jahren abhandenkamen. Zuletzt machte sie sich einen Namen als hartnäckige Befragerin bei den parlamentarischen Antisemitismus-Anhörungen im Zuge der propalästinensischen Studentenproteste.
Ihr Nachteil: Mit ihrem Wendehals-Manöver von der Trump-Skeptikerin zur Maga-Populistin könnte sie gemässigte republikanische Wähler nachhaltig vergrault haben. Zudem vertritt sie nicht einen Swing State, sondern sehr liberalen Teilstaat, der für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen keine Rolle spielt.
J. D. Vance: Der 39-jährige Senator aus Ohio wurde zuerst als Autor bekannt, bevor er 2022 in den Senat gewählt wurde. Er schrieb die Memoiren «Hillbilly Elegy» über seine Kindheit in ärmlichen, drogenverseuchten Verhältnissen im Rostgürtel der USA. Der frühere Marinesoldat und Venture-Kapitalist war ein vehementer Trump-Kritiker, bevor er seine politische Laufbahn in Washington begann. Er schaffte dank Trumps Unterstützung die Wahl in den Senat und lässt keinen Moment aus, um seine Loyalität zu beweisen. Am Montag war er im Gerichtssaal in New York zugegen, wo der Schweigegeld-Prozess gegen Trump läuft. Man traut dem gewieften Taktiker viel zu; er gilt längerfristig als möglicher Nachfolger von Donald Trump als Parteiführer. Er gehört zum isolationistischen Flügel der Republikaner und ist ein lautstarker Gegner der Ukraine-Hilfe. Eine Kandidatur als Trumps Vize würde zweifellos dem harten Kern der Trump-Wähler entsprechen.
Sein Nachteil: Gerade weil er auf Trump-Linie politisiert, kann er im Wahlkampf Trump nicht neue Wählersegmente erschliessen. Der Teilstaat Ohio war vor nicht allzu Langem noch ein Swing State, aber gilt inzwischen als solid republikanisch.
Der Tech-Multimillionär
Doug Burgum: Der 67-jährige Gouverneur von North Dakota ist erst kürzlich als möglicher Kandidat aufgetaucht. Auf dem nationalen politischen Parkett ist er kaum bekannt, obwohl er 2024 eine Präsidentschaftskampagne lancierte, die allerdings nur kurz dauerte. Dafür verfügt er über ein Vermögen von über hundert Millionen Dollar – als Kandidat brächte er also eine ansehnliche Mitgift für die Wahlkampfkasse mit. Und da Donald Trump bezüglich Geldgebern und Wahlkampfspenden Präsident Joe Biden weit hinterherhinkt, könnte das ein schlagendes Argument für eine Vizepräsidentschaftskandidatur Burgums sein. Der Gouverneur des solid republikanisch regierten Teilstaats gründete in den achtziger Jahren eine Software-Firma, die er 2001 für mehr als eine Billion Dollar an Microsoft verkaufte. Er regiert in North Dakota seit 2016 und unterstützte Trump von Anfang an. Nachdem er nach den Vorwahlen in Iowa im Januar seine Kandidatur zurückgezogen hatte, sicherte er Donald Trump seine Stimme zu.
Sein Nachteil: Er ist bei der Wählerschaft kaum bekannt, und North Dakota ist kein Swing State, der Donald Trump auf seinem Weg ins Weisse Haus einen entscheidenden Sieg bringen könnte.
Die sinkenden Sterne am Trump-Himmel
Kristi Noem: Die Gouverneurin von South Dakota hat alles getan, um Donald Trump zu gefallen. Von einer «Trumpification» von Kristi Noem schreibt die «New York Times», und tatsächlich galt sie lange als Trumps Top-Favoritin für die Vize-Kandidatur. Doch dann kam ihr ihre eigene Autobiografie in die Quere. Im soeben erschienenen Buch prahlte die Rancherin damit, ihren ungehorsamen Hund erschossen zu haben. Der mediale Shitstorm, der danach folgte, soll ihren Favoritenstatus ramponiert haben. Am Treffen in Mar-a-Lago war sie jedenfalls nicht dabei.
Kari Lake: Auch die Politikerin aus Arizona war nicht dort. Das bestätigt die Gerüchte, Donald Trump sei mit ihrem Senats-Wahlkampf in Arizona nicht glücklich.
Nikki Haley: Das «Wall Street Journal» hofft immer noch, dass die stärkste, aber chancenlose Opponentin von Donald Trump in den Vorwahlen es irgendwie ins Weisse Haus schafft. Aber Trump hat sie definitiv von der Liste gestrichen.