Mündige Konsumenten können selber entscheiden, welche Produkte sie kaufen wollen und welche nicht.
Der durchschnittliche Stadtbewohner ist einfältig, manipulierbar und seiner Umwelt hilflos ausgeliefert.
Das ist das Bild, das die linken Parteien von den Zürcherinnen und Zürchern haben. Anders ist der absurde Entscheid im Stadtparlament von dieser Woche nicht zu erklären.
SP, Grüne und Alternative wollen Werbung im öffentlichen Raum radikal einschränken. Digitale Anzeigen sollen ganz verboten werden. Dafür haben sie im Parlament eine Mehrheit gefunden. Der Stadtrat muss nun – gegen seinen expliziten Willen – eine Vorlage ausarbeiten.
Die Argumentation der Linken trieft vor Paternalismus. «Werbung will uns manipulieren», mahnte der Sprecher der Alternativen Liste. Sie verschandle den öffentlichen Raum und verleite zu «Überkonsum».
Was für ein krudes Menschenbild! Mündige Konsumenten können selber entscheiden, welche Produkte sie kaufen wollen und welche nicht. Sie brauchen keine lenkende Hand des Staats, um zu wissen, was gut und was schlecht für sie ist.
Die Voten erinnerten im Duktus an die Tugendwächter und Heimatschützer aus Zürich um 1900. Schon damals warnten Ewiggestrige vor dem «Reklame-Unwesen», das aus dem «barbarischen Amerika» in die Schweiz überschwappe und das es einzuschränken gelte. Das Spiessbürgertum lebt – heute einfach im rot-grünen Kleid.
Die linken Parteien sagten ganz offen, worum es ihnen mit dem Werbeverbot geht: um die «ökosoziale Transformation unserer Konsumgesellschaft». So drückte es eine SP-Politikerin aus. Jegliche kapitalistische Regung soll den Zürchern ausgetrieben werden. Koste es, was es wolle.
Knapp 30 Millionen Franken bringen die rund 3500 Werbeflächen der Stadt jährlich an Einnahmen. Vom Geld profitieren zu einem grossen Teil die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ). Mit ihrem undurchdachten Vorstoss schaden die linken Parteien also massgeblich dem öffentlichen Verkehr, den sie sonst immer zu unterstützen vorgeben.
Dennoch argumentieren die Linken schamlos mit den städtischen Klimazielen. Der «Überkonsum», den die Werbebotschaften verursache, führe zu mehr indirekten Treibhausgasemissionen, behaupten sie – «zum Schaden unseres Planeten». Zudem seien digitale Werbebildschirme wahre Energiefresser.
Der Stadtrat André Odermatt – selber SP-Mitglied – hielt seinen Leuten den Spiegel vor. Dass man mit einem Werbeverbot in Zürich das Klima und die Gesellschaft retten könne, sei «definitiv eine überspitzte Sicht», sagte er völlig zu Recht. Mit seinen Argumenten drang er aber nicht durch.
Wie kleinkariert und durchschaubar die Argumente der Reklamestürmer sind, zeigt eine Zahl: Die vielgeschmähten Werbescreens sind in Zürich gerade einmal für einen Anteil von 0,07 Promille am gesamten Energieverbrauch verantwortlich. Promille, nicht Prozent.
Für einen nicht messbaren Effekt auf das Klima sind die bestimmenden Kräfte in der Stadt bereit, einer ganzen Branche zu schaden, die für Zürich wichtig ist. Über 5500 Personen arbeiten in der Werbung und der Marktforschung.
Zudem gibt es rechtliche Bedenken. Denn die linken Parteien wollen nicht nur Werbungen auf öffentlichem Grund einschränken, sondern auch solche auf privatem Boden, «die im öffentlichen Raum sichtbar sind». Auch wenn das Bundesgericht letztes Jahr im Fall einer Genfer Gemeinde urteilte, dass eine derartige Regelung mit der Eigentumsgarantie vereinbar sei, stellen sich Fragen. Das sieht auch der Stadtrat so; die juristische Lage im Kanton Zürich könne «nicht abschliessend geklärt» werden, schreibt er.
Somit gibt es sehr viele Gründe, die gegen ein Werbeverbot sprechen. Der Stadtrat sollte es mit grosser Zurückhaltung angehen. Bis in zwei Jahren muss er eine Weisung vorlegen. Dazwischen liegen die städtischen Wahlen.
Wie wichtig eine politische Korrektur – namentlich im Parlament – ist, zeigt die gegenwärtige Diskussion. Die heutige Mehrheit politisiert paternalistisch, ökonomisch unvernünftig, juristisch fragwürdig und zutiefst illiberal. All das passt schlecht zu einer weltoffenen Stadt wie Zürich.