Eine Reihe unnötiger Provokationen auf höchster Regierungsebene belastet das spanisch-israelische Verhältnis seit dem 7. Oktober schwer. Doch die Beziehung zwischen dem katholischen Land und dem jüdischen Staat ist von jeher schwierig.
Erst vor einem Jahr hat die spanische Regierung einen Plan zur Bekämpfung des Antisemitismus verabschiedet. Es gebe Handlungsbedarf, weil in Spanien noch immer Vorurteile und Stereotype gegen die jüdische Gemeinde bestünden, hiess es in der Präambel des 52-seitigen Papiers. Man müsse dem Antisemitismus in den sozialen Netzwerken sowie dem Schüren von Hass mit allen Mitteln begegnen. Doch von diesen Vorsätzen ist wenig übrig geblieben.
Als der spanische Regierungschef Pedro Sánchez letzte Woche bekanntgab, Spanien werde Palästina als unabhängigen Staat anerkennen, gab es für seine stellvertretende Ministerpräsidentin Yolanda Díaz vom linken Koalitionspartner Sumar kein Halten mehr. Man müsse jetzt Druck auf die Europäische Union ausüben, um die bestehenden Verträge mit Israel sowie Geldflüsse an das Land zu beenden, sagte sie in einer Stellungnahme zum Entscheid. Ihre Rede schloss sie mit dem propalästinensischen Spruch ab, laut dem das «Land vom Fluss bis zum Meer frei sein wird».
Der Schlagabtausch geht in eine neue Runde
Diese antiisraelische Parole ist in Deutschland mittlerweile verboten, und auch andere westliche Länder diskutieren ein Verbot, weil es naheliegt, in den Worten die antisemitische Forderung nach der Zerstörung Israels zu sehen.
Entsprechend erzürnt reagierte die israelische Regierung. Israels Aussenminister Katz bezeichnete Spaniens Vizepräsidentin Díaz als «hasserfüllt und ignorant». Zudem verhängte das israelische Aussenministerium am Freitag Beschränkungen für die Arbeit spanischer Diplomaten im Land. Laut Katz ist es der spanischen Botschaft in Tel Aviv und dem spanischen Generalkonsulat in Ostjerusalem künftig untersagt, ihre Dienste Palästinensern aus dem von Israel besetzten Westjordanland anzubieten.
Dabei liess es Israels Aussenminister allerdings nicht bewenden. Er veröffentlichte auf X ein Video, in dem ein Flamenco tanzendes spanisches Paar in die Hände klatscht, während Bilder von Hamas-Terroristen bei ihrem Angriff vom 7. Oktober gezeigt werden. Dazu schrieb Israels Aussenminister an die Adresse von Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez: «Die Hamas dankt Spanien für seine Dienste.»
Der jüngste Schlagabtausch ist der vorläufige Tiefpunkt in einer diplomatischen Beziehung, die sich seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober stetig verschlechtert hat.
Die Hamas wird als Widerstandsorganisation gesehen
Spanien gilt europaweit als eines der Israel-kritischsten Länder, Sympathien für Palästina haben eine lange Tradition. Daher findet auch die Anerkennung Palästinas als eigenständiger Staat breite Unterstützung in der Bevölkerung. Laut der neuesten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Real Instituto Elcano befürworten derzeit 78 Prozent der Spanier diese Anerkennung. Viele Spanier sehen die Hamas zudem nicht als Terrororganisation, sondern als Widerstandsorganisation.
Antiisraelische und teils offen antisemitische Wortmeldungen sind insbesondere bei Spaniens Linken salonfähig und reichen bis in die Regierung. So nahm die Jugendministerin Sira Rego vom Linksbündnis Sumar an einer der zahlreichen Pro-Palästina-Demonstrationen in Madrid teil. Sie ist auch gerngesehener Gast bei den sogenannten «Palästina-Solidaritätscamps» an den spanischen Hochschulen, wo ein akademischer Boykott gegen israelische Bildungs -und Forschungseinrichtungen gefordert wird. Auch der Sozialminister Pablo Bustinduy fiel kürzlich mit der Forderung auf, alle spanischen Unternehmen mit Tätigkeiten in Israel sollten mit ihren Geschäften nicht zum «Genozid in Palästina» beitragen.
Derweil warnte der Verband der jüdischen Gemeinden in Spanien bereits vor einem Monat davor, dass sich seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober die antisemitischen Übergriffe in Spanien gehäuft hätten. Kritik an der Regierung in Israel sei zwar legitim, aber die undifferenzierte Darstellung des Krieges in Gaza habe ein antisemitisches Klima geschaffen, hiess es von der Verbandsspitze.
Anders als in Deutschland oder Frankreich liegen in Spanien derzeit aber keine aktuellen Zahlen zu Angriffen auf Juden oder jüdische Einrichtungen vor. Letztmals führte das zuständige Observatorio Antisemitismo im Jahr 2021 elf solche Vorfälle auf, seither wurden die Zahlen nicht mehr aktualisiert.
Die Beziehung zum jüdischen Staat ist historisch belastet
Die Beziehung zwischen Spanien und Israel war schon immer von Konflikten geprägt. Das hat historische Gründe. Ende des 15. Jahrhunderts begannen die katholischen Könige alle Juden aus Spanien zu vertreiben, die nicht zum Christentum konvertierten. Mehr als 100 000 Juden mussten so Zuflucht in Nordafrika, auf dem Balkan und in anderen Teilen Europas finden. In den über 300 Jahren der spanischen Inquisition, die danach folgte, wurde das jüdische Leben in der Öffentlichkeit weiter unterdrückt. Erst 1968 wurde in Madrid erstmals wieder eine neue Synagoge in Spanien eröffnet.
Bei der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 war Spanien eine isolierte Diktatur unter Franco. Der faschistische Herrscher suchte den Kontakt zu den arabischen Ländern und beschloss, um deren Unterstützung zu gewinnen, Israel nicht anzuerkennen. Doch selbst nach seinem Tod 1975 vergingen nochmals knapp elf Jahre, bis Spanien diplomatische Beziehungen mit Israel aufnahm. Das Land war damit eines der letzten westlichen Länder, die diesen Schritt vollzogen. Das Verhältnis blieb von einiger Distanz geprägt – auch, weil Spaniens demokratisch gewählte Spitzenpolitiker stets offen ihre Sympathien für das palästinensische Volk bekundeten.
Unverhofft schlüpfte Spanien 1991 aber in die Rolle des Vermittlers im Nahostkonflikt und hielt eine Friedenskonferenz in Madrid ab, die zwei Jahre später in das Oslo-Abkommen münden sollte. Diese Zeiten scheinen derzeit weit weg. Tel Aviv zog letzte Woche die Botschafter aus Spanien, Norwegen und Irland ab, nachdem die drei Länder angekündigt hatten, Palästina als eigenen Staat anzuerkennen. Die israelische Diplomatin Rodica Radian-Gordon sagte bei ihrem Abschied in Madrid, sie hoffe, dass sich die freundschaftlichen Bande zwischen Israel und Spanien als stärker erweisen würden als die Stimmen derer, die die beiden Länder zu trennen versuchten.