Jahrzehntelang galten sie als stilistische Todsünde. Weisse Socken waren das Erkennungsmerkmal der Aargauer, sprich Landeier. Wieso sie heute wieder hip sind.
Die Aargauer haben es schon immer gewusst. Nur wollte es ihnen östlich von Spreitenbach niemand glauben: Weisse Socken sind ziemlich cool.
Das müssen nun auch die hippen Zürcher aus der Gen Z anerkennen. Sie tragen die weissen Socken wieder, stolz und sichtbar, fast als Statement: Mit kurzen Hosen und bis weit aufs Schienbein hochgezogen. Oder über die lange Pluderhose gestülpt. Manchmal schaut der weisse Stoff sogar aus eleganten Lederschuhen hervor. What the sock!
Peinlichkeit für Prolos
Lange Zeit war das undenkbar. Spätestens ab Ende der Neunziger galt die weisse Sportsocke als Peinlichkeit und stilistische Todsünde. Besonders die Zürcher reagierten allergisch auf weisse Baumwolle an den Knöcheln. Sie war etwas für Prolos ausserhalb ihrer Kantonsgrenzen. Also für die belächelten Nachbarn aus dem Aargau.
Auf Zürcher Boden in weissen Socken herumzulaufen, war ein Sakrileg. Das war gleich schlimm wie im getunten VW Golf mit AG-Nummernschild über den Bürkliplatz zu röhren. Wer sich in weissen Socken in die Germanistikvorlesung wagte, outete sich als Landei und Bünzli.
Wenigstens in den Ferien fühlten sich die Aargauer etwas weniger stigmatisiert. Da zeigten die Zürcher in Rimini lieber mit dem Finger auf die deutschen Touris. Die trugen die weissen Socken sogar in Sandalen.
In 1000 Franken teuren Gucci-Schlüpfern
Selbst dieser teutonische Fauxpas würde heute unkommentiert bleiben. Die weisse Socke ist en vogue, allgegenwärtig und versatil einsetzbar. Alles scheint möglich geworden zu sein. Die Pop- und Stilikone Billie Eilish trägt weisse Socken zu Sneakers. Mehr noch. Auf ihrer Website vertreibt sie kniehohe weisse Socken als offizielles Merchandising.
Der irische Schauspieler Paul Mescal wirbt für 1000 Franken teure Gucci-Loafers – in weissen Socken. Auch der Sänger Justin Bieber trägt white socks. Und das in der gewagten Kombination mit jenen gewöhnungsbedürftigen Gummisandalen. What the Crocs!
Die weisse Socke hat eine lange Tradition, weit bevor sie zum Aargauer Alleinstellungsmerkmal wurde. Kochfeste, weisse Baumwolle garantierte Hygiene. Schon im 19. Jahrhundert war sie im angelsächsischen Raum ein Accessoire der Sportler und behielt so den Namen Tennissocke. In den 1940er Jahren entdeckten sie die amerikanischen Teenager und Collegestudenten für sich, als auffälliges Element ihrer Kleidung. Sie trugen sie gut sichtbar, dank Hosen mit engem Saum.
Irgendwann in den Neunzigern hat dann die weisse Socke ihre Strahlkraft verloren. Sie wurde altbacken und provinziell. Die Gen Z hat sie nun von ihrem Mief reingewaschen. Die Rap- und Pop-Szene nimmt sie wieder aus der Schublade. Ein Grund ist die sogenannte Athleisure-Mode – der Trend, Sportsachen im Alltag zu tragen. Sneakers sind längst auch Businessschuhe und gehen in strahlendem Weiss selbst auf einer Hochzeit als chic durch. Auch Laufschuhe sind bürotauglich und hip geworden. Da passen weisse Socken besser als schwarze oder geringelte.
Mode ist immer auch Abgrenzung, zwischen Schichten und Generationen. Was die eine Gruppe für sich entdeckt, verschmäht die andere. Haben die Boomer den Rautenpullover ausgetragen, eignen ihn sich die Zoomer vielleicht an.
Bitte keinen Vokuhila
Gerade an den Socken wurde das zuletzt gut sichtbar. Auf Social Media und vor allem auf Tiktok wurde in den vergangenen Jahren debattiert, welche Sockenlänge auf welches Alter schliessen lässt. Fazit: Die Millennials tragen kurze Sneakersocken oder gar Füsslinge, die im Schuh verschwinden. Die Gen Z bevorzugt lange Socken – und vornehmlich weisse.
Natürlich haben die Millennials diesen Trend beobachtet, sich gewundert und noch etwas abgewartet. Jetzt, da er doch schon einige Jahre anhält, trauen sich selbst Aargauer im Alter zwischen 30 und 45, wieder in weisse Socken zu schlüpfen. Dass sie sich auch zum Vokuhila- und Schnauz-Trend hinreissen lassen, wollen wir uns nicht vorstellen.