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Die USA waren 1961 in die Ermordung des dominikanischen Diktators Rafael Trujillo involviert. Der Bericht einer geheimen CIA-Untersuchung dazu wurde nun von Präsident Trump freigegeben.
In der Nacht des 30. Mai 1961 wird Rafael Trujillo von Oppositionellen ermordet. Der 69-jährige Gewaltherrscher der Dominikanischen Republik war auf dem Weg zu seiner 20-jährigen Geliebten, die in seiner Ranch in San Cristóbal ausserhalb der Hauptstadt auf ihn wartete. Obwohl Trujillo in der Regel mit einem kugelsicheren Auto und mit Leibwächtern in Begleitfahrzeugen unterwegs war, machte er bei seinen nächtlichen Besuchen in San Cristóbal gelegentlich eine Ausnahme von dieser Praxis. Er benutzte einen ungesicherten 1957er Chevrolet mit dem immergleichen Chauffeur, ohne Begleitung durch Leibwächter.
Das wird ihm in jener Nacht zum Verhängnis, als Trujillo auf der Autobahn von acht bewaffneten Männern in drei Autos abgefangen wird. Die Attentäter erschiessen ihn und verladen seine Leiche in den Kofferraum eines Autos, mit dem sie den Tatort verlassen. Sein Chauffeur wird schwer verletzt, überlebt jedoch. Den Tätern gelingt zunächst die Flucht.
Die Amerikaner mischen mit
Schon kurz nach dem Mord wurde deutlich, dass die Täter nicht allein gehandelt hatten, sondern dass es eine Spur zur amerikanischen CIA gab. Auch ein geheimer, 62-seitiger Bericht des Inspector General der CIA von 1967 beschreibt diese Verbindung.
Der Bericht wurde in einer Zeit der Selbstreflexion innerhalb der amerikanischen Regierung in Auftrag gegeben, in der verdeckte Operationen und politische Attentate kritisch hinterfragt wurden. Die Aktivitäten der CIA wurden Mitte der 1960er Jahre zunehmend genauer unter die Lupe genommen. Ziel war es, diese besser zu verstehen und zukünftige Operationen an den gültigen rechtlichen und ethischen Standards auszurichten.
Der bereits früher teilweise freigegebene Bericht ist der Öffentlichkeit nun vollständig zugänglich. Er ist Teil von mehr als 63 000 Seiten geheimen Archivmaterials, das Präsident Trump im März öffentlich gemacht hat.
Brutale Diktatur und Bollwerk des Antikommunismus
Rafael Trujillo führte die Dominikanische Republik 31 Jahre lang mit eiserner Hand. Seine brutale Diktatur wurde vom kürzlich verstorbenen Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa im Roman «La Fiesta del Chivo» («Das Fest des Ziegenbocks») eindrücklich beschrieben. Trujillos Sicherheitskräfte waren berüchtigt für ihr besonders brutales Vorgehen. Laut Schätzungen trägt der Diktator die Verantwortung für bis zu 50 000 Todesopfer, unter ihnen Zehntausende haitianische Migranten, die 1937 bei einem Massaker ermordet wurden.
Während des Kalten Krieges hielten die USA zu Trujillo, weil er ihnen im Kampf gegen den Kommunismus nützlich war. Trotz seiner zunehmenden internationalen Ächtung zögerten sie, sein Regime zu stürzen. Sie fürchteten, dass ein Machtvakuum in der Dominikanischen Republik von den Kommunisten ausgenützt werden könnte, ähnlich wie es in Kuba bei der Machtergreifung von Fidel Castro geschah.
Spätestens nachdem Trujillo im Juni 1960 aber erfolglos versucht hatte, einen seiner wichtigsten ausländischen Kritiker umzubringen, setzte sich auch in der amerikanischen Regierung die Meinung durch, dass der Diktator wegmusste. Bei einem von Trujillo angeordneten Bombenanschlag wurde der demokratisch gewählte venezolanische Präsident Rómulo Betancourt in Caracas im Juni 1960 schwer verletzt. Er war mit seinem unberechenbaren Verhalten zu einer Bedrohung für die amerikanischen Interessen in der Region geworden.
Die CIA wird eingeschaltet
Laut dem CIA-Bericht wurde in der amerikanischen Regierung mindestens seit März 1960 auf eine Machtablösung hingearbeitet. In einem geheimen Memorandum, das im Bericht zitiert wird, schrieb der amerikanische Botschafter in der Dominikanischen Republik, Joseph Farland, dem Zuständigen für interamerikanische Angelegenheiten im State Department, Assistant Secretary of State Roy Rubottom, in Anspielung auf die CIA am 22. März 1960: «Ich denke, es ist an der Zeit, dass bestimmte Stellen unserer Regierung, ohne sie zu nennen, ein konkretes konstruktives Programm aufstellen und umsetzen, um den Lauf der Dinge in der Dominikanischen Republik zu beeinflussen.»
Während Gegner des Regimes Pläne schmiedeten, Trujillo zu stürzen, wollte die US-Regierung einen Sondergesandten zu ihm schicken. Dieser sollte ihm ein Ultimatum stellen und ihn dazu drängen, das Land zu verlassen. Dies geschah bereits am 27. März, aber ohne Erfolg.
Am 9. April bittet das State Department Farland, in den kommenden Wochen, falls er dazu aufgefordert wird, mit zivilen und militärischen Regimegegnern Vorbereitungen für einen Machtwechsel zu treffen. Er wäre in diesem Fall autorisiert, diesen mitzuteilen, dass sie nach einer Machtergreifung möglichst rasch um Anerkennung durch die USA nachsuchen sollten, so die Depesche. Im Falle einer kommunistischen Einmischung sollten die Dissidenten Washington um Militärhilfe ersuchen.
Am 11. April antwortete Farland nach Washington: «Falls entsprechend instruiert, wäre es mir möglich, Vereinbarungen mit geeigneten zivilen Dissidenten zu treffen – deren Anführer mir bekannt sind, einschliesslich der Namen ihrer Kandidaten für hohe Regierungspositionen – und mit einem militärischen Dissidenten, einem General, der einen Austausch von Passwörtern für geheime Gespräche erwartet.»
Weiter schreibt Farland: «Einer der wichtigsten Beiträge, welche die USA für die Dissidenten leisten könnten, wäre, diese wissen zu lassen, dass wir bereit sind, ihnen zu helfen. Die Lieferung von Waffen und Sabotagematerial . . . könnte diese Zusammenarbeit voll untermauern.»
Die Amerikaner zögern
Die Frage der Waffenlieferungen an die Dissidenten sollte in dem Jahr bis zum Attentat zur zentralen Frage für die Amerikaner werden. Zwar bewilligte Rubottom laut einem Memorandum vom 1. Juli die Lieferung von zwölf Gewehren mit Munition und forderte sogar, dass diese möglichst rasch den Verschwörern übergeben werden sollten.
Doch laut dem CIA-Bericht verzögerte sich die Lieferung bis zum Frühjahr 1961. Die Amerikaner hatten geringes Vertrauen in die Verschwörergruppe und zweifelten an den Erfolgschancen eines Attentats. Ausserdem konnte man sich lange nicht einigen, wie die Waffen in die Dominikanische Republik gebracht werden sollten, da die Lieferung auf keinen Fall auffliegen durfte. Doch die CIA-Agenten in der Botschaft hielten während der ganzen Zeit engen Kontakt mit den Verschwörern.
Am 7. April 1961 wurden schliesslich drei Karabiner mit Munition aus den Beständen der Sicherheitskräfte in der Botschaft über einen amerikanischen Supermarktbesitzer an die Regimegegner übergeben. Diese machten allerdings geltend, dass sie für das Attentat auch Maschinenpistolen benötigten. Die automatischen Waffen wurden den CIA-Agenten vor Ort zwar am 19. April geliefert, doch erhielten diese laut dem Bericht nie die Erlaubnis aus Washington, sie weiterzugeben. Am 17. April war die von der CIA gesteuerte Invasion von Exilkubanern in der Schweinebucht kläglich gescheitert. Die Amerikaner wollten keine zweite Panne riskieren.
Kein Machtwechsel
Letztlich führte die Ermordung Trujillos nicht zu einem Regimewechsel. Der Plan der Dissidenten umfasste zwei Gruppen, die sogenannte Action Group, die für die Ermordung Trujillos zuständig war, und die Political Group, die danach unter Leitung des Generals Juan Tomás Díaz mit einem Coup die Regierung und die Armeeführung hätte übernehmen sollen. Letztere Gruppe konnte aber nie die ihr zugedachte Rolle übernehmen, da sie von den unprofessionell vorgehenden Attentätern nicht rechtzeitig über den Tod von Trujillo informiert wurde.
Die Verschwörer machten auch den Fehler, das Auto mit der Leiche des Diktators in der Garage von General Díaz zu verstecken, wo es die Polizei bereits nach wenigen Stunden fand. Bis auf einen wurden alle Verschwörer gefasst. Zwei von ihnen wurden bei ihrer Festnahme getötet. Die übrigen fünf kamen in Haft, gestanden die Tat unter Folter und wurden ohne Prozess exekutiert. Auch General Díaz und andere führende Mitglieder der Political Group wurden erschossen.
Die CIA nimmt sich aus der direkten Verantwortung
Der Bericht spielt die Rolle der CIA beim Attentat herunter. Er kommt zu dem Schluss, dass die Verschwörer am 30. Mai 1961 auf eigene Faust losschlugen. Auch die Frage, ob die amerikanischen Waffen beim Attentat gebraucht wurden, lässt er offen: «Es ist wahrscheinlich, dass mindestens einer der Karabiner zum Tatort mitgenommen wurde [. . .], aber wir haben keine Beweise dafür, dass er tatsächlich bei der Schiesserei verwendet wurde.» Der lokale CIA-Stationsleiter und ein weiterer Agent wurden aber nach dem Attentat Hals über Kopf aus der Dominikanischen Republik abgezogen.
Ist die CIA-Darstellung glaubhaft, wonach das Attentat zum Schluss ohne Wissen der Amerikaner ausgeführt wurde?
Schon mehrere Jahre vor dem CIA-Bericht deckten Recherchen von Journalisten auf, dass es eine Zusammenarbeit der Amerikaner mit den Verschwörern gab. Der Bericht belegt die bekannten Fakten mit internen Quellen und zeichnet die Abläufe nach. Das Interesse, darin neue, für die USA problematische Erkenntnisse ans Licht zu bringen, dürfte aber beschränkt gewesen sein.
Für die Darstellung, dass das Attentat letztlich unabhängig von der CIA ausgeführt wurde, spricht allerdings die fehlende Professionalität bei der Durchführung – insbesondere der kardinale Fehler, dass die Political Group nicht rechtzeitig über die erfolgreiche Ausführung des Attentats informiert wurde.
Langsame Entwicklung zu einer Demokratie
Nach der Ermordung Trujillos blieben die traditionellen Machtstrukturen in der Dominikanischen Republik erhalten. Trujillos Sohn Ramfis war für sechs Monate als Armeechef der starke Mann, bis ihn die USA zum Verlassen des Landes drängten. Gleichzeitig wurde eine Amnestie für die überlebenden Verschwörer ausgesprochen.
In den folgenden Jahren lösten sich Übergangs- und Militärregierungen ab. Ein gewählter, reformorientierter Präsident wurde 1963 nach sieben Monaten wieder weggeputscht. Nach einem Aufstand von gemässigt linken Kräften griffen die Amerikaner 1965 mit 24 000 Marines militärisch ein und besetzten das Land für mehr als ein Jahr. Die Auseinandersetzungen forderten mehrere tausend Tote. Erst ab 1978 entwickelte sich die Dominikanische Republik zu einer repräsentativen Demokratie mit echten Machtwechseln durch Wahlen.