Am Morgen nützt Kaffee wenig, am Abend hält er eher wach. Woran das liegt, welche Nebenwirkungen Energydrinks haben und ob auch Vitamine munter machen.
Leserfrage: Ich bin tagsüber oft müde. Wie hilfreich und gesund sind da koffeinhaltige Getränke wie Kaffee und Energydrinks oder Vitaminwasser?
Die einen brauchen den ersten Kaffee, um am Morgen überhaupt in die Gänge zu kommen, andere versuchen ein Mittagstief damit zu überbrücken. Aber macht uns Koffein wirklich munter? Studien zeigen, dass Personen nach Koffeinkonsum in Aufmerksamkeits- und Reaktionstests tatsächlich leicht besser abschneiden.
Allerdings gilt das nicht in jedem Fall: «Ob Koffein wirkt, hängt davon ab, warum wir müde sind», sagt Carolin Reichert, Psychologin am Zentrum für Chronobiologie in Basel: «Hilfreich ist Koffein vor allem, wenn es bereits gegen den Abend geht und wir müde werden. Am Morgen kann uns Koffein nur wach machen, wenn wir in der Nacht zuvor wenig geschlafen haben.» Allerdings helfe der Kaffee nur, wenn wir ihn nicht täglich nehmen, sonst gewöhne sich der Körper daran, und die Wirkung lasse nach.
Die Situation gegen Abend und am Morgen nach einer Nacht mit wenig Schlaf haben eines gemeinsam: In beiden Fällen ist der Spiegel an Adenosin im Gehirn erhöht. Dieser sogenannte Neuromodulator beeinflusst die Aktivität von Nervenzellen und bewirkt unter anderem, dass wir uns müde fühlen.
Koffein kann Adenosin blockieren und uns damit wacher machen. Während des Wachseins steigt der Adenosin-Spiegel natürlicherweise an. Je länger wir wach sind, desto wirksamer kann Koffein daher die Wirkung von Adenosin blockieren. Das mag für Schichtarbeiter und eine abendliche Autofahrt nützlich sein, kann uns aber auch am Einschlafen hindern, wenn wir eigentlich schlafen wollen.
Deshalb wird empfohlen, abends auf Kaffee und andere koffeinhaltige Getränke zu verzichten. Unser Körper braucht rund vier bis fünf Stunden, um allein die Hälfte des Koffeins abzubauen. Eine Studie zeigt sogar, dass Koffein den Schlaf bis zu 16 Stunden nach der Einnahme stören kann.
Biorhythmus hat eigene Wirkung
Was aber, wenn wir genug geschlafen haben, aber tagsüber trotzdem schläfrig sind? Eine solche Müdigkeit hat gemäss Reichert nicht mit dem Adenosin zu tun, sondern mit unserem Biorhythmus, der durch die innere Uhr bestimmt ist. «Bekannt ist etwa das Tief nach dem Mittag – auch ohne üppiges Essen», sagt Carolin Reichert. Koffein könne dagegen wahrscheinlich wenig ausrichten. Allerdings sind in der Forschung noch nicht alle Fragen geklärt.
Wer auf Koffein setzen will, muss dazu nicht immer zum Kaffee greifen. Koffein ist in verschiedenen Pflanzen enthalten. So enthalten auch Schokolade sowie Schwarz- und Grüntee Koffein. Beim Tee spricht man bisweilen von Teein, was chemisch aber identisch ist mit Koffein. Der Koffeingehalt ist beim Teeaufguss allerdings geringer. Es gibt zwar Unterschiede je nach Sorte, aber als Faustregel gilt: Eine Tasse Kaffee von zweieinhalb Deziliter enthält rund 110 Milligramm Koffein, eine Tasse Schwarztee derselben Grösse rund 55 und eine handelsübliche Dose Cola etwa 30 Milligramm Koffein.
Masshalten bei Koffein und Energydrinks
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit empfiehlt maximal 400 Milligramm Koffein pro Tag – also knapp vier Tassen. Längerfristig drohen sonst Herz-Kreislauf-Beschwerden. Zu beachten ist zudem, dass die Reaktion auf Koffein sehr individuell sein kann, auch genetisch bedingt. Vorsicht ist bei Kindern und Jugendlichen angebracht, denn es fehlt gemäss Carolin Reichert weitgehend an Studien, wie sich Koffein bei ihnen auswirkt.
Das wäre aber nötig, weil gerade bei Jugendlichen Energydrinks beliebt sind, die ebenfalls Koffein enthalten. Eine handelsübliche Dose enthält rund 80 Milligramm und liegt damit zwischen Tee und Kaffee. Zusätzlich enthalten Energydrinks oft Taurin, das ebenfalls aufputschend wirken soll. Gegen den Konsum von Energydrinks spreche aus gesundheitlicher Sicht der oft darin enthaltene Zucker.
«Vor allem aber ist nicht erforscht, was die Mischung aus verschiedenen Inhaltsstoffen von Energydrinks genau bewirkt», sagt Reichert. Diskutiert wird, ob Taurin die Wirkung von Koffein verstärkt. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung warnt vor einem übermässigen Konsum von Energydrinks, wie er insbesondere bei Jugendlichen bisweilen festzustellen sei. Als Nebenwirkung können etwa Nervosität und Muskelzittern auftreten.
Sind vielleicht die ebenfalls trendigen Vitaminwasser eine Alternative? Dass diese gegen Müdigkeit helfen, ist gemäss Reichert nicht nachgewiesen. Für plausibel hält sie es nicht: «Die grosse Mehrheit der Menschen bei uns leidet nicht an einem Vitaminmangel. Zusätzliche Vitamine helfen nicht gegen Müdigkeit.»
Wer also in der Nacht zuvor zu wenig Schlaf bekommen hat, dem kann Koffein helfen, tagsüber wacher zu sein. «Wenn man aber genug geschlafen hat, würde ich tagsüber nicht auf die Wirkung von Koffein setzen», sagt Reichert. Um sich wacher zu fühlen, gebe es Alternativen: eine Pause, eine kalte Dusche oder Bewegung. Wer genug geschlafen hat, kann wenn nötig abends vom Koffein profitieren und länger wach bleiben. Chronische Müdigkeit am Tag allerdings sollte man ärztlich abklären lassen – damit beispielsweise eine Schlafapnoe nicht unerkannt bleibt.
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