In der Vorweihnachtszeit ist er wieder überall: der Weihnachtsstern. Zwischen Glitzerkugeln und Lichterketten taucht er auf und ist die Topfpflanze der Saison. Botanisch ist er faszinierend – im Topf nur wenig nachhaltig. Doch es gibt Alternativen.
Der Weihnachtsstern ist eine Pflanzenart, die fast jeder an den riesigen, meist knallroten Blüten erkennt. Die wenigsten wissen jedoch, dass es sich botanisch betrachtet dabei nicht um Blüten, sondern um Hochblätter (Brakteen) handelt. Weihnachtssterne verändern die Farbe ihres oberen Laubs, sobald die Tage kürzer sind als die Nächte. Wer genau hinsieht, der findet an vielen Exemplaren Blätter mit sowohl grünen als auch roten Stellen, was auf eine nur teilweise vollzogene Wandlung hindeutet. Die Pflanzen machen so bestäubende Insekten auf ihre Blüten aufmerksam. Diese haben sie nämlich auch, nur sind sie so winzig, dass man sie glatt übersieht.
Chemikalien, XXL-Gewächshäuser und Spottpreise
Weihnachtssterne muten nicht ohne Grund exotisch an, denn sie stammen aus Mexiko. Dort werden sie bis zu 4 Meter hoch und haben auffällig unverzweigte Äste. In das durchschnittliche Wohnzimmer passen die Sträucher so natürlich nicht. Seit etwa einem halben Jahrhundert gibt es allerdings weltumspannende Konzerne, die mit allerlei Tricks Weihnachtssterne im Sideboard-Format produzieren, und davon jedes Jahr zig Millionen.
Die niedrige Wuchshöhe wird durch Wachstumsregulatoren erreicht. Das sind Chemikalien, die auch zur Verkürzung der Halmlänge von Getreide eingesetzt werden, damit es industriell geerntet werden kann. Buschig werden Weihnachtssterne durch Schädlinge, die man durch Stecklingsvermehrung jeder neuen Topfpflanze mitgibt. Es sind zellwandfreie Bakterien (Phytoplasmen), die in den Pflanzen leben und deren Wuchs beeinflussen.
Die Stecklinge werden vor allem aus den Niederlanden in alle Welt geflogen. In künstlich beheizten Gewächshäusern brauchen sie dann vor Ort hohe Luftfeuchtigkeit, um während des Wurzelns nicht zu vertrocknen. Das sind wiederum ideale Bedingungen für schädliche Pilze, weshalb die kleinen Weihnachtssterne mehrfach mit Fungiziden besprüht werden. Schliesslich legen die fertigen Topfpflanzen oft weite Strecken zurück, bis wir sie im Gartencenter palettenweise zum günstigen Preis finden.
Unsere Freude an den Pflanzen hält meist nicht lange an, denn vor allem die grünen Blätter fallen schnell ab. Das ist zwar auch in der Natur so, mutet aber wie ein Defekt an. Und so enden die meisten Weihnachtssterne schon kurz nach den Feiertagen im Kehrichtsack.
Der Weihnachtsstern als Grünpflanze
Ist so eine Tradition noch zeitgemäss? Oder gibt es nachhaltigere Optionen? Nun, man muss den Weihnachtsstern nicht gleich wegwerfen. Euphorbia pulcherrima, wie die Art wissenschaftlich heisst, ist mehrjährig. Wer eine Zeitlang den Anblick einer fast kahlen Pflanze ertragen kann, der wird schliesslich mit zarten, neuen Blättern belohnt. Die sind grün, und das bleiben sie auch. In unseren Wohnzimmern simulieren Lampen nämlich lange Tage, was dem Weihnachtsstern den Eindruck von ewigem Sommer vermittelt. Damit die Verfärbung der Blätter stattfindet, muss man penibel darauf achten, der Pflanze jede Nacht ausreichend Zeit in kompletter Dunkelheit zu gewähren.
Einfacher ist es, den Weihnachtsstern als Grünpflanze zu halten, wodurch aber natürlich der Rot-Grün-Kontrast wegfällt, der uns unwillkürlich an Weihnachten denken lässt, was verschiedene kulturelle Hintergründe hat.
Bereits die Kelten und die Germanen schätzten rot-grünen Festschmuck zur Wintersonnenwende. Sie verwendeten eine Pflanze, die ihnen im winterlichen Grau Mitteleuropas als etwas Besonderes auffiel: die Stechpalme (Ilex aquifolium), eine der wenigen heimischen Baumarten, die im Winter grün bleiben und die zudem leuchtend rote Beeren tragen.
Noch immer ist es vor allem das Aussergewöhnliche, das wir als festlich empfinden. Aber passt dazu noch der allgegenwärtige Weihnachtsstern? Oder ist es an der Zeit, nach draussen zu gehen und das nicht weniger spektakuläre Rot-Grün der Stechpalme neu zu entdecken?