Am Stadtrand steht seit über hundert Jahren das «Waldhaus beider Basel». Was hat es mit dem Gasthaus auf sich – und mit dem Namen?
Als liebstes Basler Feindbild dienen nach landläufiger Meinung die Zürcher, schon seit dem Mittelalter. Als ich vor elf Jahren an der Fasnacht am Rheinknie debütierte, erwartete ich also, Spott und Häme würden sich in Schnitzelbänken über uns ergiessen. Mehr Giftpfeile flogen dann aber in Richtung Baselbiet, nicht nur, weil die umstrittene Idee einer Wiedervereinigung der beiden Halbkantone auf der Agenda stand.
So birgt der Name «Waldhaus beider Basel» ähnliche Brisanz, wie wenn Zürcher gemeinsam mit Baslern einen «FC Beppi Grasshoppers» gründen würden, um endlich zu einer neuen Fussballarena zu kommen. Das 120-jährige Gasthaus am Stadtrand, im Hardwald voller Eichen und Hagebuchen, ist einem Forsthaus nachempfunden, mit Fachwerk und mächtigem Krüppelwalmdach. Haupt- und Nebengebäude samt den zwanzig Hotelzimmern sind letztes Jahr aufwendig renoviert und frisch möbliert worden: Das Innere wirkt hell und modern.
Neben dem Eingang paaren sich der rote und der schwarze Bischofsstab, also Basel-Landschaft und Basel-Stadt, und auf einem Tisch drinnen in der Lounge warten ebenso einträchtig die «Neue Zürcher Zeitung» und die «Basler Zeitung». Das Servicepersonal wiederum tritt in vorwiegend ortstypischem Dialekt den Beweis an, dass hier auch Gäste mit Zürcher Dialekt willkommen sind. Es ist von Anfang an sehr präsent, agiert hilfsbereit und unkompliziert.
Zur Akklimatisierung in der Fremde beginnen wir den Abend mit einem vertrauten Negroni (Fr. 16.–) in der Bar, unverkennbar mit dem Turiner Antica-Formula-Wermut zubereitet, der ihn besonders rund macht. Zum Knabbern wird frisches Popcorn gereicht. Draussen lockt die prächtige, winters auch für ein Fondue-Chalet genutzte Terrasse direkt über dem Rhein, unter Arkaden gibt’s sogar einige gedeckte Plätze an der Hauswand. Doch es ist zu kühl, wir nehmen im behaglichen Restaurant Platz, mit Blick bis zum deutschen Flussufer samt Grenzach und seinen türkisblauen Industriegebäuden.
Unter der Decke sind nebst lampionartigen Leuchten schalldämpfende Elemente montiert, so dass es nicht zu laut wird an diesem Freitag, an dem fast jeder Tisch besetzt ist: Junge Pärchen treffen sich zum Rendez-vous, Familien finden zusammen, und die Küche mit gutbürgerlichem Einschlag hält für alle etwas bereit. Aus Nostalgie wähle ich als Einstieg einen Eighties-Klassiker, der hier «Golden Shrimps Cocktail» (Fr. 22.–) heisst und im Martini-Glas an nicht zu mastiger Calypso-Sauce serviert wird.
Zur Wildsaison gäbe es auf Bestellung einen Rehrücken, doch mich reizt das in zwei Grössen erhältliche «Basler Lümmeli» (200 Gramm Fr. 59.–): Unter pikanter Senf-Kräuter-Kruste steckt ein sehr zartes Rindsfilet, perfekt saignant gegart und begleitet von ausgezeichneten Pommes frites und angeröstetem Gemüse. Ebenfalls gelobt wird am Tisch das Rindsfilet Stroganoff (Fr. 49.–), bis auf die etwas trockenen Spätzli, auch ein Züri-Gschnätzlets (Fr. 48.–) hat seinen festen Platz auf der Karte.
Wer einen weiteren Beleg dafür braucht , dass Zürcher hier nicht geschnitten werden, findet ihn auf der Weinkarte: Der einzige Tropfen aus der Neuen Welt stammt von Dieter Meiers argentinischer Farm. Im gut bestückten Keller warten auch diverse Baselbieter Pinot noirs, samt dem unerhört süffigen RhyPasso (Fr. 99.–), der heute RhyServa heisst: Die Kellerei Siebe Dupf vergärt ihn auf dem Trester, wie es im Veneto beim Ripasso üblich ist, hat das Wortspiel aber erst kürzlich angepasst (offenbar aufgrund einer Intervention aus Norditalien).
Was hat es nun aber mit dem Namen des Gasthauses auf sich, das in seiner bewegten Geschichte so manchen Sturm überstanden hat? Es ist wie der Hardwald im Besitz der Basler Bürgergemeinde, steht aber wacker auf dem Boden von Muttenz, nach dem die nicht immer brave FCB-Fankurve benannt ist. Und in der Anschrift taucht Birsfelden auf, von wo aus einst die Post an diese Adresse geliefert wurde.
Seit dem letztjährigen Umbau pachtet die Basler Wyniger-Gruppe den Betrieb. Zu ihr gehört in Basel auch der tolle «Teufelhof» – und inzwischen die Confiserie Beschle, deren Saint-Honoré-Torte wir so lieben. Tatsächlich wird diese im «Waldhaus» aufgetischt (Fr. 7.90) und schmeckt prima, obwohl unser Stück die hauchdünne Caramelschicht vermissen lässt. Und eine Anregung hätten wir noch: Käme zum Kaffee statt einem industriell gefertigten Mini-Läggerli aus dem «Läckerli Huus» ein hausgemachtes Guetzli, pardon: Gutzi, wäre die Detailpflege in diesem verbindenden Haus bald perfekt.
Waldhaus beider Basel
In der Hard
4127 Birsfelden
Telefon 061 313 00 11
Für diese Kolumne wird unangemeldet und anonym getestet und am Ende die Rechnung stets beglichen. Der Fokus liegt auf Lokalen in Zürich und der Region, mit gelegentlichen Abstechern in andere Landesteile.
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