Italienische Spezialität
Zugegeben, sie ist eine etwas traurig aussehende Spezialität, vor allem wenn sie in Vitrinen vor sich hinwelkt. Dabei ist die mit Pistazien verfeinerte Wurst eine Delikatesse. Unser Autor weiss, warum.
Seit zwanzig Minuten stehen wir in der Schlange hungrig wartender Menschen. Niemand drängelt, die Stimmung an diesem schon frühlingshaften Vormittag ist heiter, bei allen spürt man die Vorfreude auf das meistgehypte Pannino in Norditalien. In einem Take-away, das mehr wie ein offenes Schaufenster wirkt, sind drei Hipster-Ragazzi am Brötchen Aufschneiden und kurz Grillieren und vor allem pausenlos an der Aufschnittmaschine am Drehen, um hauchdünne Scheiben Mortadella aufzuschneiden. Der Laden nennt sich «Mortadella Lab» und versteckt sich in der Innenstadt von Bologna. Nicht gut genug. Davon zeugt die 200 Meter lange Schlange.
Die Mortadella ist der Prosciutto des kleinen Mannes. Dieser Nimbus hing an der Mortadella, ähnlich wie der Ruf der Party-Wurst, da immer wieder gigantische Exemplare geformt werden, mit bis zu 200 Kilo Gewicht. Was im Übrigen der Qualität keinen Abbruch tut. So ein Torpedo kann genau gleich gut schmecken wie eine Wurst, die gerade einmal ein Kilo auf die Waage bringt.
Die Anti-Fett-Kampagnen der nuller Jahre machten der würzigen Spezialität fast den kulinarischen Garaus. Was viele kleinere Produzenten zum Aufgeben zwang. Einige industrielle Fertigungen sowie Manufakturen, die Nachfolger in der Familie fanden, gaben ihr Handwerk nicht auf und überlebten schlecht und recht die mageren Zeiten.
Was in einer Mortadella drinsteckt, zeigt die Zusatzbezeichnung
Die Geschichte der Mortadella reicht zurück bis ins 14. Jahrhundert. Bologna gilt als Geburtsort der oft etwas traurig aussehenden Spezialität, vor allem wenn sie – dünn aufgeschnitten – in Vitrinen vor sich hinwelkt. Sie sollte immer frisch angeschnitten werden, entweder in dicken Würfeln zum Aperitivo oder als hauchdünne Scheiben, wenn sie in Panini geklemmt wird, am besten zusammen mit Stracciatella oder Squacquerone, dem cremigen, nur wenige Tage alten Frischkäse aus der Emilia.
Die besten Exemplare (extra, super oder normale) werden aus sehr fein gewolfter Schweineschulter fabriziert, erlaubt sind aber auch Rindfleisch sowie Lamm. Was drinsteckt, erfährt man durch die Zusatzbezeichnung S (Schwein), SB (Rind/Schwein) oder SO (Lamm/Schwein). Früher, als noch keine Maschinen die mühsame Fleischzerkleinerung übernahmen, kostete Mortadella das Doppelte eines guten Prosciutto, die Herstellung beherrschten nur wenige Fleischer, es war mühsame Handarbeit.
Die Mortadella sollte nicht zu lange aufbewahrt werden
Anders als klassische Salumi sollte sie innert einiger Wochen nach der Herstellung gegessen werden. Sie hält sich gut verpackt zwar noch viel länger, verliert aber an Aroma. Hippe Restaurants in London und den USA (wo der Import der Wurst um die Jahrtausendwende aufgrund der damals grassierenden Schweinepest lange verboten war) servieren sie mittlerweile immer öfter, als Antipasti und meistens von knackig fermentierten Gemüsen begleitet. Diese brechen die leicht fettige Anmutung auf der Zunge.
Ausschau halten sollte man nach Exemplaren mit dem Gütesiegel der I. G. P., der geschützten geografischen Herkunft. Nur damit ist sichergestellt, dass sie nach den strengen Kriterien der Herkunftsprovinzen Piemont, Emilia-Romagna, Latium, Toskana, Veltlin, Veneto, Lombardei und Marken fabriziert wird. Blind zugreifen kann man bei den Produkten des Konsortiums Mortadella Bologna PGI, darin zusammengefasst sind 26 Produzenten. Im FICO, dem grössten Eataly-Outlet, ausserhalb von Bologna gelegen, kann man in einer transparenten Produktion jeden Herstellungsschritt verfolgen. Das Food-Imperium dort ist auch sonst einen Besuch wert, die Auswahl italienischer Spezialitäten ist stupend.
In Bologna Città kaufe ich meine Mortadella jeweils bei Simoni, der altehrwürdigen Salumeria in der Altstadt. Sie bietet ihre eigene Marke Tradizionale in handlichen, eiförmigen 1-Kilo-Stücken an, das reicht dann gerade einige Wochen, um mich geschmacksmässig zurück nach Bella Italia zu beamen. Zusammen mit Gnocco Fritto und Crescentine, den frittierten Brotspezialitäten aus Bologna, eine unschlagbare Kombi!
Rezept für Gnocco Fritto
Zutaten
125 ml Milch, 3,5% Fett
20 g Hefe, frisch
250 g Mehl (Typ 00)
Weizenmehl, für die Arbeitsfläche
20 g Schweineschmalz
Öl, zum Frittieren
1 Prise Natron
Zubereitung
Milch und Hefe zusammen verrühren. Restliche Zutaten zugeben und Teig 1 Stunde ruhen lassen. Auf bemehlter Oberfläche Teig etwa 5 mm ausrollen und Rauten schneiden, etwa 4×10 cm. In heissem Öl oder Schweineschmalz beidseitig einige Minuten ausbacken und abtropfen lassen.
(Bild: Alberto Bettini)