Der drittreichste Mann der Welt wird nach seinem Tod fast sein gesamtes Vermögen spenden. Und er will seine Kinder, die das Geld verteilen sollen, mit einem Kniff vor gierigen Bittstellern schützen.
Sein ganzes Leben lang hat Warren Buffett gearbeitet und investiert und ein Vermögen von rund 150 Milliarden Dollar angehäuft. Nach seinem Tod will der heute 94-jährige Starinvestor fast alles davon verschenken. Beziehungsweise: Seine Kinder sollen es verschenken.
Am Montag hat Buffett in einem persönlich gehaltenen Brief an die Aktionäre seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway im Detail erklärt, wie dieser Plan aussehen wird. Buffetts Nachlass wird die grösste private gemeinnützige Stiftung aller Zeiten hervorbringen und die Zukunft von Berkshire Hathaway prägen, einem der zehn wertvollsten Unternehmen der Welt.
Fast alles für gute Zwecke
Susan, Howard und Peter Buffett werden aber als Trustees die philanthropische Stiftung führen, welche Buffetts enormen Reichtum an die Gesellschaft zurückgeben soll. Derzeit dürfte Buffetts Nachlass rund 150 Milliarden Dollar wert sein und besteht fast ausschliesslich aus Aktien von Berkshire Hathaway.
Bekannt war bereits, dass seine Nachfahren, die alle bereits zwischen 66 und 71 Jahre alt sind, selbst nur einen sehr kleinen Teil von Buffetts Vermögen erben werden. Der Investor hat schon mehrfach seine Überzeugung dargelegt, dass seine Kinder so viel Geld erhalten sollen, damit sie alles erreichen können – aber nicht so viel, dass sie gar nichts mehr tun müssen.
Der Wert schwankt entsprechend, und er wird dies bis zu Buffetts Tod weiterhin tun. Einerseits investiert er via Berkshire Hathaway weiterhin in Unternehmen, die aus seiner Sicht unterbewertet sind. Jüngst hat Berkshire Hathaway zwar einen grossen Teil seiner Beteiligung am Tech-Konzern Apple verkauft und sitzt auf einem Cash-Bestand von 323 Milliarden Dollar. Aber bisher hat Buffett früher oder später noch immer ein profitables Ziel für die Mittel gefunden, die er und die anderen Aktionäre in Berkshire Hathaway angelegt haben.
Andererseits spendet das Orakel aus Omaha, wie Buffett auch genannt wird, bereits seit 2006 jährlich Milliarden an Stiftungen. Das meiste Geld hat die Bill & Melinda Gates Foundation erhalten, die derzeit auch dank Buffetts Spenden die mit Abstand grösste private Stiftung ist und insbesondere im Kampf gegen Malaria und Kinderlähmung viel bewegt hat. Einen Teil seines Vermögens hat Buffett aber auch an kleinere Trusts verteilt, die schon jetzt von seinen Kindern geführt werden. Am Montag gab er bekannt, dass er diesen weitere 1,15 Milliarden Dollar überweisen werde.
Vertrauen in seine Kinder
Warren Buffett hat zudem ein entscheidendes Detail dazu bekanntgegeben, wie der Warren Buffett Charitable Trust sein Geld verteilen wird: Seine drei Kinder werden einstimmig über Spenden entscheiden müssen. Buffett will seine Nachkommen damit, so gut es geht, vor Anfragen von echten und falschen Freunden schützen. Sie könnten dann sagen: «Mein Bruder würde dem niemals zustimmen.»
Er selbst gibt den Kindern nicht vor, welche Organisation sie berücksichtigen sollen; die jährlichen Zahlungen, die Buffett der Gates-Stiftung zukommen lässt, werden mit seinem Tod aufhören.
Buffett wäre aber nicht Buffett, wenn er nicht für Eventualitäten vorgesorgt hätte. Seine Stiftung hat bereits drei Personen vorgemerkt, welche Buffetts Kinder als Trustees ersetzen würden, falls auch sie die Aufgabe nicht mehr wahrnehmen könnten. Der 94-Jährige schrieb 2023 noch, dass der Trust etwa ein Jahrzehnt nach seinem Tod liquidiert werde. Jetzt relativierte er, dass die Mittel einfach schrittweise verteilt werden sollten.
Der Aktionärsbrief enthält, wie üblich, auch Ratschläge des Orakels aus Omaha, die über finanzielle Belange hinausgehen. Buffett legt Erblassern ans Herz, ihr Testament frühzeitig mit ihren Kindern zu besprechen und ihre Rückmeldung einzubeziehen. Man solle es nicht so weit kommen lassen, dass die Kinder die Entscheide zum Nachlass erst dann hinterfragten, wenn der Erblasser nicht mehr antworten könne.
Selbst für erfahrene Stiftungsräte ist es eine enorme Aufgabe, einen dreistelligen Milliardenbetrag sinnvoll zu spenden. Buffett traut das seinen Kindern aber zu. Die Zeit von 2006 bis 2024 habe ihm Gelegenheit geboten, sie bei der Arbeit in ihren Stiftungen zu beobachten, schreibt Buffett in seinem Brief. Sie hätten in dieser Zeit selbst Teams von zwanzig bis dreissig Personen geleitet und dabei viel über Philanthropie im grossen Massstab und über menschliches Verhalten gelernt.
Buffett behält die Kontrolle
Der Verteilplan wird langfristig auch die Eigentumsverhältnisse von Berkshire Hathaway verändern. Weil Buffett seit 2006 jährlich einen Teil seines Vermögens verschenkt hat, hält er zwar nur noch rund 15 Prozent an der Beteiligungsfirma, übt aber weiterhin sehr grossen Einfluss auf Berkshire Hathaway aus.
Buffett verfügt über viele Klasse-A-Aktien, die siebenmal so viele Stimmrechte gewähren wie die 1996 eingeführten Aktien der Klasse B. Die Aktien, die er spendet, werden jeweils in B-Aktien mit normalem Stimmrecht umgewandelt. Berkshire Hathaway hat in den vergangenen Jahren zudem regelmässig Titel der Klasse A zurückgekauft.
Deshalb vereint Buffett noch immer mehr als einen Drittel der Stimmrechte auf sich und prägt den Kurs von Berkshire Hathaway. Er hat mit Greg Abel und Ajit Jain zwar bereits zwei Nachfolger designiert, die das Unternehmen nach seinem Tod operativ weiterführen sollen. 2023 hat er die Aktionäre indes vorgewarnt, dass sein grosser Nachlass den Kurs des Unternehmens zunächst noch stabilisieren werde, doch: «Schon bald wird Berkshire sich die Reputation erarbeiten, die es verdient.» Zerfall sei bei jeder grossen Institution möglich – aber keineswegs vorbestimmt.
Der bescheidene Milliardär
Das entspricht der Philosophie Buffets, der bis heute einen vergleichsweise einfachen Lebensstil pflegt. Er glaubt nicht, dass er weit über seinen Tod hinaus Einfluss auf das Geschehen ausüben kann – oder soll. Er hat auch schon mehrfach betont, dass er keine Dynastie begründen will.
Am Markt stellt man sich seit Jahren die Frage, ob aktivistische Anleger nach Buffetts Tod versuchen könnten, das Unternehmen aufzuspalten. Er formte Berkshire Hathaway über Jahrzehnte zu einem eigentümlichen Konglomerat: Zum einen ist es ein grosser Versicherer, zum anderen eine Beteiligungsgesellschaft, die bedeutende Anteile an Firmen wie Apple, American Express, Coca-Cola oder der Bank of America hält. Das widerspricht gängigen Managementtheorien, hat für Buffett und die Berkshire-Aktionäre über die Jahrzehnte aber gut funktioniert.