Das Konglomerat soll bei Kohleimporten geschummelt haben. Folgen dürften aber ausbleiben.
Das indische Adani-Konglomerat ist einmal mehr in den Schlagzeilen. Laut einer Recherche der «Financial Times» soll das Unternehmen bei den Kohleimporten geschummelt und unter anderem massive Luftverschmutzungen in Kauf genommen haben.
Die Adani-Gruppe ist unter anderem die grösste Energielieferantin Indiens. Jüngst machte das Unternehmen Schlagzeilen mit seinen Investments in nachhaltige Energie: Es lässt riesige Solar- und Windparks bauen. Weniger gerne redet das Unternehmen, und auch die indische Regierung, darüber, dass Indiens Wirtschaft weiterhin sehr stark von Kohle abhängig ist. Drei Viertel des indischen Stroms sind Kohlestrom. Die Wertschöpfungskette wird von Konglomeraten wie der Adani-Gruppe kontrolliert, sie ist nicht nur für diese ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sondern auch für die staatliche Eisenbahn.
Kohle aus Indonesien falsch deklariert
Laut von der «Financial Times» ausgewerteten Dokumenten soll die Adani-Gruppe mehrere Schiffsladungen von Kohle falsch deklariert haben. Eine Ladung wurde im Jahr 2014 bei der Verschiffung in Indonesien als von minderwertiger Qualität deklariert. Sprich: Aus einem Kilogramm Kohle liessen sich 3500 Kalorien Energie gewinnen. Beim Verkauf der Kohle durch die Adani-Gruppe an einen lokalen Stromversorger wurde die Kohle dann allerdings als von hochwertiger Qualität mit 6000 Kalorien pro Kilogramm deklariert – das Unternehmen dürfte beim Verkauf den doppelten Preis erhalten haben.
Eine weitere Schiffladung aus dem Jahr 2013 wurde offenbar in Indonesien für 28 Dollar pro Kilogramm eingekauft. Dem lokalen Stromversorger verkaufte die Adani-Gruppe die Kohle dann für 92 Dollar pro Kilogramm. Das Unternehmen bezeichnete die Vorwürfe gegenüber der Zeitung als «komplett absurd». Es seien genügend unabhängige Prüfstellen involviert, um die Qualität der Kohle festzustellen.
Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass der Kohlehandel des Konglomerats in die Schlagzeilen gerät. Eine ältere Recherche der «Financial Times» offenbarte, dass das Unternehmen in den Jahren 2021 und 2023 Mittelsmännern im Kohleimport 5 Milliarden Dollar zahlte – und dabei weit über Marktpreis bezahlte.
Massive Luftverschmutzung
Die Vorwürfe sind auch deshalb heikel, weil das Verbrennen von schlechter Kohle in Indien ein massives Problem ist. Die Luftverschmutzung in Indiens Städten ist so hoch, dass sie zu einem Gesundheitsrisiko geworden ist. Im Winter versinken Indiens Metropolen jeweils in einem giftigen Smog, zunehmend sind auch kleinere Städte in Nordindien betroffen. Laut einer Studie von «The Lancet» sterben jährlich 2 Millionen Menschen in Indien an den Folgen der schlechten Luft. Wissenschafter glauben, dass sie zudem zu erhöhter Kindersterblichkeit führt.
Bisher sind die Vorwürfe gegen die Adani-Gruppe ohne Folgen geblieben. Das Unternehmen wurde im vergangenen Jahr weltweit bekannt, als der Short Seller Hindenburg einen Bericht publizierte, der aufzeigen sollte, wie das Konglomerat mithilfe von intransparenten Geldtransfers und Briefkastenfirmen in der Karibik seine Bilanz künstlich aufblies.
Der Inhaber Gautam Adani war damals noch der drittreichste Mann der Welt – nach dem Hindenburg-Bericht stürzte der Aktienkurs ab, und Adani verschwand kurzzeitig von der Liste der Allerreichsten.
In Indien blieb der Nachhall des Berichts bescheiden. Adani stritt alles ab, das Unternehmen vermutete hinter dem Bericht eine Attacke aus dem Westen gegen den indischen Aufstieg. Die grossen Medienhäuser folgten diesem Narrativ. Mittlerweile hat sich der Börsenkurs erholt, und Adani gehört wieder zu den zwanzig reichsten Menschen der Welt.
Auch die neusten Enthüllungen rund um das Konglomerat dürften in Indien kaum für ein grosses Echo sorgen. Adani ist für die Regierung um den Premierminister Narendra Modi zu wichtig. Modi und Adani kennen sich seit Jahrzehnten. Adani baut einen Grossteil der indischen Infrastruktur – und er ist zentral für Modis Versprechen vom indischen Aufstieg.